Der enorme quantitative Erfolg des Internet und sein schnelles Eindringen in die Gesellschaft hängen eng mit der kapitalistischen Organisierung des Internet seit Anfang der 1990er Jahre zusammen. Dass das Internet für die kapitalistische Verwertung relevant wurde, liegt zum einen in seiner Neutralität und Integrationsfähigkeit begründet, die einen Raum schufen, in dem auch Konkurrenten koexistieren konnten und damit zumindest indirekt kooperierten. Außerdem erhöhte jedes neu assimilierte Netz die Attraktivität des gesamten Verbundes, des Internet. Die daraus resultierende Dynamik und der dank WWW drastisch gestiegene Gebrauchswert für die EndnutzerInnen führten Mitte der 1990er zur "Kapitulation" der bis dahin isolierten (online-)Giganten wie CompuServe, AOL, Telekoma, Micro$oft in Form ihrer Teilnahme am Internet.
Mittlerweile steht das Internet alternativlos im Bereich der elektronischen Geschäftskommunikation da, was einen hohen Erwartungsdruck auf sein Funktionieren und damit insb. die Anbieter der Verbindungen und der geschäftlich genutzten Dienste ausübt. Dies führt bei den operativ relevantesten IP-Technologien zu einem - verständlichen - Konservatismus, der den dreifaltigen Innovationszyklus des Internet unterbricht: damit das quantitative Wachstum (s.o) durch seine Möglichkeiten und Probleme ein qualitatives (s.o.) hervorbringen kann, werden technische Innovationen entwickelt und standardisiert (s.o.), die nun aber im Falle der operativen IP-Kerntechnologien höchstens peripher, aber nicht im Kern des Internet eingesetzt werden (zu Beispielen wie IPv6, multicast, QoS siehe [Handley]). Denn der dafür erforderliche Aufwand würde von einem kapitalistischen Internetunternehmen nur getrieben werden, wenn es dadurch entweder einen Marktvorteil größer als der Aufwand erzielen könnte, oder wenn es ohne die Innovation seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren würde. Der erste Fall ist insofern unwahrscheinlich, als dass Veränderungen am Kern wegen der "Einheit des Internet" ja von allen daran Beteiligten umgesetzt werden müssten, also auch von den "Mitbewerbern", die dann aber den gleichen Wettbewerbsvorteil hätten, sodass er keiner mehr wäre.
Der erste Fall ist insofern unwahrscheinlich, als dass Veränderungen am Kern wegen der "Einheit des Internet" ja von allen daran Beteiligten umgesetzt werden müssten, also auch von den "Mitbewerbern", die dann aber den gleichen Wettbewerbsvorteil hätten, sodass er keiner mehr wäre. Der zweite Fall, also der Untergang eines Internetunternehmens wegen versäumter Innovation einer IP-Kerntechnologie, würde entweder dann eintreten, wenn die allermeisten der "Mitbewerber" den Innovationsaufwand betreiben würden, so dass bei einer vereinzelten Innovationsverweigerung nur ein geringer Schaden an der "Einheit des Internet" entstehen würde, der von den betroffenen Kunden des innovationsverweigernden Unternehmens durch deren zügigen Wechsel zu einem "Mitbewerber" geheilt werden würde. Dieser Fall ist theoretisch zwar durch eine Kartellbildung eines sehr großen Teils der am Kern beteiligten Unternehmen denkbar, aber praktisch wegen des vorhin behandelten Falles durch den im Endeffekt fehlenden Wettbewerbsvorteil unwahrscheinlich.
Es bleibt der Fall eines operativen Zusammenbruchs des Internet durch quantitatives Wachstum bei gleichzeitigem Ausbleiben dafür erforderlicher Innovation, was - mindestens - zu einer Schrumpfung des Internetmarktes führen würde. Historisches Kollapsbeispiel sind die Verstopfungszusammenbrüche des noch jungen Internet der 1980er Jahre.([Handley], S. 120) Durch die damaligen Eigenschaften des Kernprotokolls TCP führten Kapazitätsüberschreitungen zu einem kompletten Zusammenbruch, in etwa vergleichbar dem Problem in einem Stromnetz, wenn sich nach einem Ausfall bei Wiederkehr der Stromversorgung alle Geräte gleichzeitig ihren hohen Startstrom ziehen, was zu Überlastung und erneuter Abschaltung des Netzes führt. Seinerzeit konnten die akuten Probleme noch durch eine rückwärtskompatible Korrektur des TCP Protokolls und seiner Implementierungen gelöst werden. Aber schon dies war keine grundlegende Lösung mehr, da sie nur ein Protokoll betraf, welches zwar bisher den Großteil der Daten im Internet transportiert, aber z.B. für die heute zur Ausweitung der Kapitalverwertung angestrebten breitbandigen Echtzeitanwendungen (Stichwort technische Medienkonvergenz) technisch keine große Rolle spielt. Die letzte einschneidende Änderung am Kern des Internet geschah um 1993 ([Handley], S. 120f), als sich wegen des quantitativen Wachstums die Verfügbarkeit sog. Class B Adressblöcke erschöpfte und das routing im gesamten Internet auf CIDR (classless inter-domain routing) und damit BGP4 umgestellt werden musste. Dies war dadurch noch handhabbar, dass die Umstellung am Rande des Netzes rückwärtskompatibel gestaltet werden konnte und im Kern des Netzes keine hardware ausgetauscht werden musste, weil routing damals noch ohne Hardwareunterstützung beim forwarding auskam. Und Cisco, seinerzeit noch Monopolist in Sachen Internetrouter, hatte natürlich ein Interesse daran, seine proprietäre Routersoftware entsprechend zu ändern, um das weitere Wachstum "seines" Marktes zu ermöglichen.
Kapitalismusinduzierte Innovationsprobleme gibt es beim Internet aber nicht nur im physischen Kernbereich, sondern auch an den Rändern. Insbesondere die Unterteilung in zahlungskräftige Firmenkunden und Konsumentenmassen hat zu einer sehr weit gehenden Verwendung von NAT (network address translation) geführt, wodurch die beim Endkunden angeschlossenen Geräte keine vollwertigen hosts mehr sind, da der Endkunde von seinem Provider nur eine IP-Adresse zugeteilt bekommt, die sich die verschiedenen Geräte teilen müssen. Dadurch wird ein zentrales Paradigma eines internet - beliebige Verbindungen zwischen beliebigen hosts - gebrochen, was dann auch zu massiven Komplikationen bei oder gar zur Unmöglichkeit von etlichen Protokoll-Innovationen führt, insb. auch solchen, die einen direkten Datenaustausch zwischen Endnutzern ermöglichen, also ohne den Umweg über zentrale Server. Einen verwandten Paradigmenbruch stellen auch firewalls dar, die nur selektiv Verbindungen zulassen. Das der breiten Verwendung von firewalls zugrunde liegende Sicherheitsbedürfnis lässt sich auch als Kollateralschaden der kapitalistischen Kommerzialisierung verstehen, da mit dem Geld das Verbrechen ins Netz kam und die Monokultur bei der Endnutzersoftware (Micro$oft) in der Tat eine sicherheitstechnische Dauerkatastrophe darstellt.
Der Vollständigkeit halber sei zum Thema der kapitalistischen Innovationsdialektik noch daran erinnert, dass die letzte fundamentale, nicht rückwärtskompatible Innovation in der Geschichte des Internet der Umstieg von NCP auf TCP/IP war. Er wurde zum 1.1.1983 vom staatlichen Sponsor des ARPANET verordnet.
Quantitativ spielt der Staat im Internet heute keine so herausragende Rolle mehr wie in den militärisch-akademischen Phasen der Internetentwicklung (packet switching bis NSFNET). In Europa sind die ehemaligen staatlichen Telekommunikationsmonopole im Zuge der Neoliberalisierung bzw. der Abwicklung des sog. Realsozialismus privatisiert worden. In der BRD gibt es z.Z. (2008) insg. noch 32% direkte und indirekte Staatsanteile an der Deutschen Telekom AG. Im staatlich finanzierten Wissenschaftsbetrieb gibt es eigenständige Forschungsnetze, wobei in der BRD das Deutsche Forschungsnetz DFN mit seiner Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur X-WiN als gemeinnütziger Verein organisiert ist, mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Mitgliedern.
Qualitativ bedeutsam für den kapitalistischen Internetbetrieb in der BRD ist der Staat besonders in seiner Doppelrolle als Großaktionär und Regulierer des Erbmonopolisten Telekoma und damit dem Setzen von Rahmenbedingungen für den Telekommunikationsmarkt. Neben Preis- und Verfahrensregelungen für die Nutzung der Kupferdrähte zu den Endverbrauchern oder die Durchleitung von Telefongesprächen, geht es mittlerweile auch um die Rahmenbedingungen der anstehenden technologischen Innovation, nämlich der kompletten Umstellung der Kommunikationsnetze auf paketvermittelte sog. Next Generation Networks [Bundesnetzagentur]. Diese Bemühung ist insbesondere zu verstehen vor dem Hintergrund der oben dargestellten kapitalismusbedingten Schwierigkeiten technischer Innovation bei Netzinfrastrukturen in verteiltem Besitz.
Auf der Ebene der Inhalte betätigt sich der Staat im Internet sowohl als Handlanger als auch in eigener Sache. Zunächst zu seiner Rolle als Handlanger. Kapitalistische Unternehmen bedienen sich gerne der Justiz, um unliebsame Kritik zu unterbinden. Für derlei Kritik ist das Internet, insbesondere das WWW, ein praktischer Nährboden. Auch Individuen oder kleine Gruppen können hier publizieren, wobei selbst kritische Informationen durch Verlinkungen und Suchmaschinen eine viel weitergehende Verbreitung erreichen können als eine entsprechende Papierpublikation. Wer aber kritisch ist, ist meist ökonomisch schwach und darob fehlt dann leider die Rechtsabteilung, die der Klassenjustiz im Falle eines Konflikts mit einem kritisierten Unternehmen ein Urteil gegen ein solches abringen könnte.
Neben einem beträchtlichen Abmahnunwesen auch im bzw. gegen das Internet ist ein weiteres Tätigkeitsfeld der BRD-Justiz der sogenannte Schutz der Persönlichkeitsrechte von Nazis. Genau wie auf der Straße sind eigenständige, insbesondere wirksame Aktivitäten der Bevölkerung gegen die Enkel des Gröfaz unerwünscht. Und außerhalb der üblicherweise verdächtigen Dissidentenkreise greift der Staat zur Durchsetzung der Interessen der Copyright-Industrie zum Rundumschlag gegen Internet-NutzerInnen legislativ, juristisch und exekutiv. Durch Digitalisierung und die Distributionsmöglichkeiten des Internet sind die Kulturverwertungskonzerne faktisch zumindest teilweise überflüssig geworden und viele Text-, Musik- und FilmliebhaberInnen betätigen sich mittels file sharing (z.B. Tauschbörsen, peer-to-peer Netze) selbst als DistributorInnen digitalisierter Kulturgüter, zuungunsten der Profite der Copyright-Industrie. Zu Hintergründen des Spannungsfeldes von Rechteverwertung und Digitalisierung siehe "Die rechtliche Ordnung des Wissens" ([Grassmuck] S. 31-176).
Ein Dreh- und Angelpunkt der o.g. staatlichen Angriffe sowie des staatlichen Handelns "in eigener Sache" ist die Verknüpfung von virtueller und realer Identität von NutzerInnen. Dazu sind den Internet- und Telefonie- Providern in den letzten Jahren Hilfstätigkeiten aufgebürdet worden, die zunächst die Erfassung von Kundendaten und ihre Verfügbarmachung für die Staatsorgane umfassen. Anonymisierungsdienste wie Tor waren in der BRD bereits Ziel fadenscheinig begründeter staatlicher Repression und sollen im Zuge der u.g. Vorratsdatenspeicherung in der BRD im Endeffekt verboten werden. Aber auch bei der Überwachung der Inhalte von Telekommunikation hat es gesetzliche "Fortschritte" gegeben, die die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Bereithaltung von Überwachungstechnik verpflichtet - auf Kosten der Provider und damit letztlich der überwachten Kunden. Diese Überwachungstechnik müssen sie dann auf Anordnung der berechtigten Stellen (Strafverfolgung, Nachrichtendienste) einsetzen, um von den verdächtigten Nutzern die Kommunikation (Telefon, e-mail, gesamter Internettraffic eines verdächtigten Anschlusses) in Kopie dem jeweiligen Staatsorgan zu übermitteln.
Aktueller Höhepunkt der Überwachungswelle ist die auf EU-Ebene angeordnete Vorratsdatenspeicherung, mit der die gesamten Verbindungsdaten von Telefonie (egal ob leitungsvermittelt, mobil oder via Internet), SMS, FAX und e-mail, außerdem die Zuordnung von IP-Adressen an Kunden von Internet-Zugangsprovidern sowie Gerätekennung und Standort von Mobilfunkgeräten [AK Vorrat]. Diese sind von den jeweiligen Telekommunikations- bzw. Internetprovidern in der BRD vollständig für ein halbes Jahr zu speichern, in anderen EU-Ländern sind es bis zu zwei Jahren. Die gesamte telekommunizierende Bevölkerung wird also einem Generalverdacht auf Kriminalität unterworfen.
Die Verbindungsdaten sind natürlich auch ohne die kommunizierten Inhalte schon höchst interessant um soziale, d.h. potentiell kriminelle, Beziehungsnetze erkennen und analysieren zu können. Eine formale Handhabe zum Zugriff auf die Daten bei den Providern lässt sich gerade bei Dissidenten notfalls immer konstruieren, beliebt sind dafür die sog. Ausforschungsparagraphen 129/a/b des StGB. Jüngere Beispiele dafür waren 2007 im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm groß angelegte Razzien des BKA gegen diverse soziale Bewegungen, die auch gegen den G8-Gipfel mobilisierten, sowie jahrelanges intensives Abhören und Observieren von AktivistInnen, teils auf Betreiben des Verfassungsschutzes ([Betroffene], [Schmidt], [Einstellung]). Dass der heutige selbsternannte Anti-Terror Rechts-Staat darüber hinaus auch immer weniger auf die Lehren aus der deutschen Geschichte gibt, sieht man z.B. an der sogenannten Antiterrordatei, einer Zusammenschaltung von Datenbeständen der Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienste von Bund und Ländern, welche dem Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten offensichtlich widerspricht.
Apropos Nachrichtendienste: in den USA ist durch Enthüllungen von Technikern [Klein] aufgeflogen, dass sich die NSA ("National Security Agency"), der größte und für weltweites Abhören zuständige Geheimdienst der USA, von kooperierenden Carriern an Knotenpunkten auf Glasfaserkabel aufgeschaltet wurde und damit massiv auch Inlandsverbindungen mitgeschnitten hat. Angeordnet von Präsident Bush wegen Terrorismus und ohne gesetzliche Grundlage ([EFF]). In der BRD ist beim Bundesinnenministerium eine organisatorische Bündelung von Theorie und Praxis des Abhörens für Nachrichtendienste und Polizeien in Arbeit. Dieses "Kompetenz- und Servicezentrum Telekommunikationsüberwachung" ist offenbar inspiriert von den angelsächsischen Schnüffelvorbildern NSA (s.o.) und GCHQ ("Government Communications Headquarters", Großbritannien), s. [Bundestagsdrucksache]. Zur konkreten Umsetzung des Abhörens müssen die Telekommunikationsanbieter standardisierte Schnittstellen [ETSI], [Moechel] für die Durchführung der Abgriffe zur Verfügung stellen, welche folglich die Hersteller von Telekommunikationsausrüstung in ihre Geräte einbauen müssen. Umgekehrt beteiligen diese sich an der Entwicklung der Abhörstandards.
Obige Darstellungen sollen nicht als Aufruf zu oft kontraproduktiver Paranoia verstanden werden. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Kapitalkonzentration von Telekommunikation und Internet zu staatlichen Überwachungsmöglichkeiten führt, die an "1984" erinnern. Auch wenn man den dahingehenden Scharfmachern wie Bundesinnengeneral Schäuble keine totalitären Intentionen unterstellt, so würde sich ein solches Regime herzlich bedanken ob der juristischen, technologischen und logistischen Vorarbeit in Sachen totaler Überwachung, die ihm bei einer Machtübergabe in die Hände fiele.
Der größere Teil der Internet-NutzerInnen hat mit den o.g. Annehmlichkeiten wie Justiz, Repression und Überwachung (noch) keine Probleme. Viele sind aber Opfer und unfreiwillige Helfershelfer anderer problematischer Entwicklungen auf der Anwendungsebene des Internet. Das offensichtlichste Problem ist der sog. Spam- oder junk-mails, also unverlangte und massenhaft verbreitete e-mails (Fachausdruck UBE = unsolicited bulk e-mail). UBE wird überwiegend zu unseriösen kommerziellen Zwecken oder als Teil von Trickbetrügereien versandt, etwa um an Kontenzugänge oder Kreditkarteninformationen zu gelangen ("phishing"), oder um Schadsoftware auf die Computer der EmpfängerInnen zu bringen. Die Ko-Evolution zwischen den Methoden des Spam-Versands einerseits und den Gegenmaßnahmen andererseits stellen ein globales kommunikationsökologisches Phänomen dar, mit dem aktuellen Spielstand, dass der weit überwiegende Teil des globalen e-mail-Verkehrs aus Spam, also aus Müll besteht.
Die eine logistische Basis der Spammer sind Provider, die wegen Geldgier und/oder Missmanagement die über sie ans Internet angeschlossenen Spammer nicht umgehend abklemmen. Das andere Standbein der Spammer ist mit steigender Tendenz die Benutzung von Botnetzen für den Spamversand. Botnetze bestehen aus ferngesteuerten (Windows-)PCs, die sie durch Unkenntnis der BenutzerInnen oder Sicherheitslücken der von ihnen verwendeten Software unter Kontrolle gebracht haben. Nach Schätzungen sind 10% aller (Windows-)PCs "Zombies", d.h. befinden sich unter fremder Kontrolle und diese Kontrolle wird auf einem illegalen Markt gehandelt [Kamluk]. Die darüber käuflichen Kapazitäten werden außer zur Verbreitung von Spam auch für DDoS (distributed denial of service) Angriffe genutzt, wobei das "Geschäftsmodell" in der Erpressung der angegriffenen Serverbetreiber besteht. Mittlerweile gibt es auch "politische" DDoS Angriffe, etwa gegen Estland 2007 und Georgien 2008, weniger spektakulär gegen antifaschistische Server und Indymedia [Indymedia].
Die Evolution der Botnetze lässt befürchten dass kriminelle Energie einen zunehmend größeren Hebel im Internet benutzen kann. Die Dezentralisierung der Botnetze durch peer-to-peer Technologie, macht z.B. die Trockenlegung der Steuerzentrale eines Botnetzes unmöglich. Beim zur Zeit aktuellen "Storm-Worm" [Dahl] wird z.B. durch ständig modifizierte Signaturen und Rootkit-Funktionalität die Antiviren-Software wirkungslos.
Unkenntnis und Trägheit der Endanwender in Sachen Software und Internet im Verbund mit dem de facto Micro$oft-Monopol auf Endanwendersoftware lassen kaum Hoffnung auf wirksame Gegenmaßnahmen: „Redesigning the Microsoft Windows operating system would work, but that's ridiculous to even suggest.“ „Die Umgestaltung des Microsoft Windows Betriebssystems kann funktionieren, aber es ist lächerlich sich so etwas auch nur vorzustellen.“[Schneier] Die Mobilisierung von Endnutzerkapazitäten hat grundsätzlich auch ein fortschrittliches Potential. Die kriminelle Nutzung wird aber durch die Behandlung der Endnutzergeräte als "hosts zweiter Klasse" befördert. Durch NAT und Zwangstrennung (mit Vergabe einer anderen IP-Adresse) wird die Lokalisierung und Sperrung fremdgesteuerter Rechner stark erschwert.
Ob man die - im Gegensatz zu obigem - legale Datenmüllversorgung als kriminell einstuft, mag vom Standpunkt abhängen. Bei der online Werbung auf Webseiten etwa wird genau wie bei Spam neben technischen Ressourcen vor allem die kognitive Kapazität der NutzerInnen belastet. Diese ergreifen - wie oben aus Unkenntnis und Trägheit - meist keine technischen Gegenmaßnahmen. Sie sind im Zuge der fortschreitenden 0,-Euro-Mentalität auch bereit, sich auf werbefinanzierte, für sie aber kostenlose Dienstangebote einzulassen, insb. für das Web-Mail-Postfach oder das hosting eigener Inhalte (Websites, Blogs, Multimedia). Damit wird die systemstabilisierende Grundstruktur Konzern <-> Konsument zementiert und neben dem Großen Bruder Staat konnten sich auch Kleine Brüder kommerzieller Art mit der Sammlung und Auswertung persönlicher Daten und Verhaltensweisen etablieren. Sicherlich standpunktabhängig ist die Beurteilung der Nutzung des WWW - gerade in seiner modernen Ausführung als "Web 2.0" - zur Publikation als Breitensport. Was dem einen als privater Datenmüll und Belastung des öffentlichen virtuellen Raums erscheint, ist der anderen die Basis für das Knüpfen sozialer Netze.
Zwei Abstraktionen, die dem Internet zugrunde liegen, führen zu einer Deprivation des (Er)Lebens seiner NutzerInnen. Zunächst die Digitalisierung der Inhalte als Handlungsgegenstände und damit die Homogenisierung der Interaktion durch die Verwendung eines Computers - der physischen Form nach eine monotone Maschinenbedienung mit nur minimaler körperlicher Aktivität. Zum anderen die Abstraktion vom Raum - denn alles ist vom eigenen Computer aus erreichbar, ein Fortbewegen des Körpers unnötig. Dies gehört zum visionären Urgestein des Internet, s. obiges Zitat ([Licklider I], S. 8).
Die private Nutzung von Computer und Internet verlängert die Reduktion körperlichen Erlebens aus Fabrik und Büro in die sogenannte Freizeit, allerdings ohne die soziale Dimension der Arbeit in einem Betrieb. Die vereinzelnde Wirkung des Fernsehens wird auf interaktive Handlungsbereiche ausgedehnt. Überkapazitäten und die "Nöte" der Kapitalverwertung machen den Videokonsum im Internet breit und nähern es auch von daher dem Fernsehen an. Und zur systemstabilisierenden Bedeutung des Fernsehens muss hier nichts weiter ausgeführt werden. Die o.g. Grundstruktur Konzern <-> Konsument reduziert die Relevanz des anderen Menschen zugunsten der Bedeutung der Maschinerie des Konzerns. Insgesamt lässt sich die folgende, vor über 60 Jahren formulierte, d.h. prä-digitale Kritik also bis heute verlängern:
"Je komplizierter und feiner die gesellschaftliche, ökonomische und wissenschaftliche Apparatur, auf deren Bedienung das Produktionssystem den Leib längst abgestimmt hat, um so verarmter die Erlebnisse, deren er fähig ist. Die Eliminierung der Qualitäten, ihre Umrechnung in Funktionen überträgt sich von der Wissenschaft vermöge der rationalisierten Arbeitsweisen auf die Erfahrungswelt der Völker und ähnelt sie tendenziell wieder der der Lurche an. Die Regression der Massen heute ist die Unfähigkeit, mit eigenen Ohren Ungehörtes hören, Unergriffenes mit eigenen Händen tasten zu können, die neue Gestalt der Verblendung, die jede besiegte mythische ablöst. Durch die Vermittlung der totalen, alle Beziehungen und Regungen erfassenden Gesellschaft hindurch werden die Menschen zu eben dem wieder gemacht, wogegen sich das Entwicklungsgesetz der Gesellschaft, das Prinzip des Selbst gekehrt hatte: zu bloßen Gattungswesen, einander gleich durch Isolierung in der zwangshaft gelenkten Kollektivität." ([Horkheimer/Adorno], S. 43)
Das Internet bietet neben der Entsinnlichung auch als Maschinerie der "totalen Vermittlung" zur Bekräftigung obiger Analyse sich an. Also erstmal keine Hoffnung auf echten Fortschritt für das Projekt des Selbst, des modernen Subjekts? Offenbar nicht vom üblicherweise verdächtigen revolutionären Subjekt, der ArbeiterInnenklasse, denn:
"Die Ohnmacht der Arbeiter ist nicht bloß eine Finte der Herrschenden, sondern die logische Konsequenz der Industriegesellschaft [...]." (Ebd.)
Und um wie viel mehr muss dies heute gelten, wo Auto und Supermarkt, Leiharbeit und Erwerbslosigkeit, Fernsehen und Internet den früheren sozialen Nährboden der ArbeiterInnenbewegung, den direkten und längerfristigen Kontakt von Mensch zu Menschen, trockengelegt haben? Aber die "Dialektik der Aufklärung" wäre keine emanzipatorische, wenn sie nicht auch solche Einsichten formulierte:
"Diese logische Notwendigkeit aber ist keine endgültige. Sie bleibt an die Herrschaft gefesselt, als deren Abglanz und Werkzeug zugleich." (Ebd.)
Hier scheint umgekehrt die Möglichkeit auf, durch Trockenlegung der Herrschaft zu einer Umwälzung der Industriegesellschaft zu kommen, in der das Potential der Maschinerie statt zur Profitproduktion für wenige zur Bedürfnisbefriedigung aller genutzt wird. Diese eng miteinander verknüpften Ziele - Trockenlegung der Herrschaft und bedürfnisorientierte industrielle Produktion - sind zentrale Aspekte des Anarchosyndikalismus, der über das - noch? - vorhandene Organisierungspotential des Internet eine neue Aktualität gewinnen könnte. Denn Internetproduktionsmittel (Computer und Netzzugang) sind bei der ArbeiterInnenklasse zumindest der technologisch fortgeschrittenen Industriegesellschaften breit verfügbar. Aber ganz ohne eine Rekonstruktion der traditionellen Basis der ArbeiterInnenbewegung, der unvermittelt sozialen, wird das nicht gelingen, sofern man die obige Analyse der Altmeister auf das soziale Erleben und Handeln anwendet.
Trotz obiger fundamentalistischer Kritik sollte man nicht verachten, dass bereits die heutige Nutzung des Internet in sozialen Bewegungen und weit darüber hinaus auch sehr positive Züge aufweist wie aufklärerisches Publizieren, gegenseitige Hilfe und herrschaftsfreie Kooperation, Experimentierfreudigkeit, Solidarität z.B. bei Repression, etc.