2.2. Vom Anarchismus lernen ...

2.2.1. Regulation von unten
2.2.2. Freiheit mit Staat und Markt?

Dem Gedanken des vorigen Abschnitts, dass nämlich das Internet - im Gegensatz zum Anarchismus - keine gesamtgesellschaftliche Perspektive ist, ließe sich auf den ersten Blick zweierlei entgegenhalten. Erstens, dass Freiheitsideale bis hin zur Herrschaftsablehnung eine wichtige Motivation vieler InternetprotagonistInnen und immer noch Bestandteil der Netzkultur sind. Zweitens, dass ein Ende des Vordringens des Internet in die Gesellschaft gar nicht absehbar ist. Beides ist zwar richtig, aber ändert nichts an den Kommandostrukturen und Verblendungszusammenhängen, die das Internet von der real ex. Gesellschaft umso mehr "erbt", je mehr es sie durchdringt. Dennoch lohnt sich eine genauere Untersuchung der beiden Aspekte auf ihr libertäres Potential.

2.2.1. Regulation von unten

Das Vordringen des Internet in die Gesellschaft erfolgt technisch aufgrund seiner quantitativen Offenheit, ökonomisch - seit dem Übergang von der akademischen zur kommerziellen Phase - in kapitalistischen Formen. Die resultierenden Probleme wurden oben ja angesprochen, sie hängen wesentlich mit der Regulation des Wachstums durch cash flow zusammen. Auf der Anwendungsebene des Internet haben die verschiedenen kommunikativen Nischen, z.B. Usenet, IRC, Wikis, Blogs etc., jeweils eigene technische und soziale Regulationsmethoden entwickelt. Im operativen Kern des Internet dagegen ist eine Änderung der Regulationsmethodik von technisch-wirtschaftlich zu technisch-sozial aufgrund der Eigentumsverhältnisse und Verwertungsinteressen nicht zu erwarten. Daher werden kriminelle (und) staatliche Angriffe weiter zur Tagesordnung gehören. Dennoch sollen hier beispielhaft zwei Bereiche dargestellt werden, die libertäre technisch-soziale Regulationsmethoden unterhalb der Anwendungsebene etablieren könnten und den Spieß so umdrehen, dass das Internet bei seiner Durchdringung der Gesellschaft explizit libertäre Prinzipien nutzt und damit verbreitet.

  • Wie schon erwähnt wird die Vergabe von Domainnamen dezentral geregelt. Es gibt dabei aber auch zentrale operative Komponenten und ein davon ausgehendes hierarchisches Delegationssystem. So entsteht z.B. für den BRD Staat die Möglichkeit, durch Verfügung an das für die Vergabe von .de Domains zuständige DENIC, .de Domains zu zensieren. Es ist relativ leicht möglich, mit der existierenden software alternative DNS root server aufzubauen, die optional einen alternativen Namensraum verwenden. Allerdings bleibt dabei die hierarchische top-down Struktur des DNS (domain name system) erhalten.

    Für eine systematische bottom-up Lösung müssten auch technische Modifikationen am DNS vorgenommen werden. Der Aufwand für Endbenutzer könnte allerdings minimal gehalten werden. Sie müssten lediglich vertrauenswürdige DNS resolver eintragen. Dazu sollte das zensurablehnende Publikum aber spätestens seit den Zensurbemühungen der Bezirksregierung Düsseldorf 2001 in der Lage sein [CCC]. Neben dem grundsätzlich realisierbaren technischen Aspekt eines bottom-up DNS bleibt die spannende Frage, wie die technisch-soziale Regulation eines solchen DNS aussehen kann, insb. wenn zur Vermeidung von staatlichen Zugriffsoptionen dieses auf eine möglichst breite Basis gestellt werden soll. Hier könnte libertäres Mitwirken zu einer Freiheitsproduktion beitragen, die für viele NutzerInnen wirksam würde.

  • Im Gegensatz zu anderen Echtzeitnetzen (Stromnetz, Telefonnetz) haben paketvermittelte Netze wie das Internet durch ihre Abstraktion vom Transportmedium und der Trennung von Transportinformation und Nutzlast die Eigenschaft, sich gewissermaßen selbst transportieren zu können. Hat man also ein funktionierendes internet (insbesondere natürlich das real ex. Internet), so kann man dieses als Transportmedium für ganz anders strukturierte Netze verwenden, aber insbesondere auch für ein internet. Das zugrunde liegende Transportnetz weiß dabei nichts über die Struktur des transportierten Netzes, und bei Verwendung von Verschlüsselung erfährt es auch nichts über die Inhalte des sog. overlay networks oder virtual private networks. Was dem Neuling vielleicht nach Magie klingt, ist eine im Internet verbreitete Technik, etwa bei peer-to-peer Netzen oder bei Unternehmensnetzwerken zur verschlüsselten Anbindung von Filialen oder AußendienstmitarbeiterInnen. Übrigens hat das Internet selbst als overlay network über dem bestehenden Telefonnetz angefangen. Hier könnten Libertäre Netze (mit)aufbauen, in denen ohne Interferenz mit dem kapitalistisch-staatlich-verblendeten-etc. öffentlichen Internet technische und soziale Regulationsmethoden für internets entwickelt und erprobt werden.

2.2.2. Freiheit mit Staat und Markt?

Der im Internet immer noch gern verwendete Begriff der Freiheit stellt einen weiteren Anknüpfungspunkt für anarchistischen input ins Internet dar. Wie nötig das ist, soll im Folgenden beispielhaft durch eine Auseinandersetzung mit der "kalifornischen Ideologie" [Barbrook], [Schulz], [Lovink] der New Economy[tm] und dem zugehörigen Spannungsfeld von Freiheit und Ökonomie verdeutlicht werden. Als umstrittenes aber paradigmatisches Beispiel für solche Freiheitsvorstellungen im virtuellen Raum sei der Anfang von "A Declaration of the Independence of Cyberspace" zitiert:

"Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather." [Barlow]

Barlow, ehemaliger Texter der Grateful Dead und Mitbegründer der Electronic Frontier Foundation, veröffentlichte die "Declaration" 1996 anlässlich der Verabschiedung des Communications Decency Act (CDA) der USA. Mit diesem Gesetz wurde u.a. die öffentliche, d.h. für Kinder und Jugendliche zugängliche Verwendung von obszönen Inhalten und Worten wie "shit" und "fuck" in online Medien verboten. Der CDA wurde später von US-Gerichten teilweise wieder kassiert, da im Widerspruch zum "First Amendment" der US-Verfassung stehend, in dem u.a. die freie Rede garantiert wird. Dass Barlow's "Declaration" auf zehntausenden Websites kopiert wurde, lässt sich als Zeichen für die damalige Bedeutung des Konflikts zwischen Staat und den "Bewohnern" des virtuellen Raums lesen. In dieser Periode traf die Tradition der wissenschaftlichen Entwicklungsphase des Internet und damit auch der Idee des herrschaftsfreien Diskurses auf die kapitalistisch getragene Ausweitung des Netzes zum Massenmedium und die damit einhergehenden staatlichen Regulierungsbemühungen.

Dass die Freiheitsrhetorik der "Declaration" an die Gründungszeit der USA erinnert, liegt nicht nur am Kernpunkt der juristischen Auseinandersetzungen um den CDA, dem First Amendment von 1791, sondern auch an der Vorstellung des Cyberspace als unbegrenztem Raum, bereit für die Landnahme und mit genug Platz für alle (Gedanken;).

Aus anarchistischer Perspektive gibt es einiges an der wohl einflussreichen "Declaration" des ehem. Religionswissenschaftlers zu kritisieren. Er spricht zu Recht vom Cyberspace als einem kollektiv konstruierten sozialen Raum, den er aber komplett in den Bereich des Immateriellen, Körperlosen verlegt: Cyberspace [...] is not where bodies live [Barlow] - man hört den Nachhall der Worte des Herrn: Mein Reich ist nicht von dieser Welt [Jesus I]. Die Körper bleiben weiterhin der "gerechten Macht" (s.u.) der Regierungen unterworfen - nix Neues seit Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist [Jesus II]. Durch diese traditionsreiche Spaltung von Körper und Geist, Staat und Kultur wird der anstehende Grundsatzkonflikt mit der Herrschaft abgewiegelt, incl. einem Kniefall vor den Regierungen durch die Anerkennung ihrer vermeintlichen Legitimation durch die Regierten: Governments derive their just powers from the consent of the governed. [Barlow] Das damit bereits vorweg genommene Scheitern der herbei deklarierten virtuellen Republik hat seine operativen Gründe in den so (leider;) nicht zutreffenden Behauptungen über die Beschaffenheit des Cyberspace. Wegen ihrer Bedeutung für eine Auseinandersetzung mit Herrschaft und Ausbeutung im virtuellen Raum seien sie hier aufgeführt ...

  • You have no [...] methods of enforcement we have true reason to fear. (Ebd.)
  • We are forming our own Social Contract. (Ebd.)
  • The global conveyance of thought no longer requires your factories to accomplish. (Ebd.)
  • [...] nor did you create the wealth of our marketplaces. (Ebd.)

... und diskutiert:

  • Auch wenn freundlicherweise seit der "Declaration" immer noch kein Weltstaat etabliert ist, der die gesamte Internet-Öffentlichkeit kontrollieren könnte, macht das "enforcement" der real ex. Nationalstaaten doch zunehmend mehr Probleme. Der Gang ins virtuelle Exil ist zwar eine noch mögliche Reaktion und leichter als bei den bisherigen Medien, schafft aber Repression und vor allem deren indirekte Wirkungen nicht ab.
  • Von der prinzipiellen Problematik eines meist naturrechtlich begründeten "Social Contract" als Legitimation einer "gerechten Macht" einmal abgesehen, wurde ein solcher im Internet nicht geschlossen. Offene technische Standards, bilaterale Vereinbarungen und die jeweiligen Gepflogenheiten der verschiedenen Anwendungsbereiche sorgen dafür, dass das Internet funktioniert, und kein universeller Gesellschaftsvertrag, auf dessen Basis sich der "Freistaat Internet" [Schulz] gegen die Einmischung fremder Regierungen erheben könnte.
  • Wenn im dritten der obigen Zitate die neue Heimat des Geistes von den Fabriken der Regierungen losgesagt wird, so ist das doppelt falsch: erstens gehören diese üblicherweise nicht den Regierungen, sondern privaten Eigentümern, und zweitens wird das Internet seit seiner Kommerzialisierung sehr wohl fabrikmäßig betrieben. In den Serverfarmen läuft weniger Personal herum als in sonstigen Fabriken, dafür sitzen die für Betrieb und Inhalt der Server Arbeitenden halt andernorts in vernetzten Büros.
  • Dass - viertes Zitat - Regierungen keinen Wohlstand erschaffen, sondern bestenfalls verbrauchen und verhindern, schlimmstenfalls vernichten, ist klar, lenkt aber vom Hauptanliegen der ganzen Freiheitsrhetorik ab: der Wohlstandsverteilung vermittels "our marketplaces".

Der CDA als Zensurangriff der Regierung und die resultierende Empörung vieler NetznutzerInnen dient so der Konstruktion eines "wir", dem der Wohlstand der virtuellen Märkte gehören soll. Wesentlicher Grund für die Popularität des Internet war und ist aber, dass der (inhaltliche) Wohlstand darin zu großen Teilen eben nicht marktförmig organisiert ist, sondern die digitale Distributionsmechanik Internet für eine solche Marktförmigkeit erst entsprechend zugerichtet werden muss. Bei Herbeiführung der intendierten Marktförmigkeit zerfällt das Boot, in dem "wir" sitzen und vermeintlich gegen den Staat rudern, in die üblichen zwei Teile - die, die rudern, und die, denen das Boot gehört. Die obige "wir"-Konstruktion war für die kommerzielle Boomphase des Internet in den 1990er Jahren hegemonial, hat dabei viel Kreativität und Finanzkapital "verbrannt", den beachtlichen .com-crash als Vorläufer der heutigen Subprime-Krise hingelegt, und das Internet mit seinen Überkapazitäten und ein paar neuen Marktführern hinterlassen.

Der süße Duft der Freiheit, mit dem viel virtuelles Fußvolk gelockt wurde, erweist für dieses als Etikettenschwindel sich, denn gemeint war die Freiheit der Cyberunternehmer. Die wiederum brauchen für "our marketplaces" motivierte SpezialistInnen, die sich mit Aktienoptionen und dem Duzen des Chefs in virtueller Freiheit wähnen. Auf der anderen Seite brauchen - und wollen - diese Unternehmer ausdrücklich den Staat, damit er eine virtuelle Eigentumsordnung definiert und durchsetzt, ohne die die "competitive battlegrounds" des "knowledge age" sich nicht etablieren können [Dyson]. So wird doppelt betrogen: ökonomisch durch Ausbeutung und Spekulation, gesellschaftlich durch die Ratifizierung des Bockes Staat zum Gärtner der Freiheit.

Es mag billig erscheinen, Jahre nach dem .com-crash auf der zugrunde liegenden technoliberalen Ideologie herumzuhacken, zumal das zugehörige Akkumulations-, Verwertungs- und Vernichtungsgeschehen auch rein marxistisch analysiert werden kann. Nur hilft letzteres wie üblich konstruktiv nicht weiter. Deshalb und wegen Unzuständigkeit in Sachen Freiheit sind von dieser Seite auch keine ökonomisch tragfähigen Alternativen zum Technoliberalismus zu erwarten, die dem virtuell aktiven Teil der Bevölkerung helfen, ihre Freizeitproduktion virtuellen Wohlstands zu einer Freiheitsproduktion mit gesamtgesellschaftlicher Perspektive weiter zu entwickeln. Hier liegt also - um auf den Titel des Kapitels zurückzukommen - eine konstruktive Aufgabe für AnarchistInnen, historische und praktische Erfahrungen und Analysen der Bewegung zu Gunsten einer ökonomisch fundierten Freiheitsproduktion im und durch den virtuellen Raum zu nutzen. Zur Anregung dafür sollen die oben kritisch verdauten Themen der "Declaration" im Folgenden konstruktiv recycelt werden:

  • Staatliches "enforcement" : Gerade im konstruktiven Kontext ein unbequemes und schlimmstenfalls lähmendes Thema. Dennoch ist nicht liberale Verdrängung, sondern ein expliziter, aber entspannter und vorausschauender Umgang mit diesem Komplex empfehlenswert. Einerseits wegen der zunehmenden staatlichen Selbstermächtigung zu Übergriffen gegen "seine" Bevölkerung, andererseits um die gerade in der BRD historisch bedingte Angst vor der Obrigkeit (Vernichtung der ArbeiterInnenbewegung, RAF Hysterie) konstruktiv zu bearbeiten.
  • "Social Contract": Der Begriff wird von englischsprachigen progressiven Projekten auch heute schon verwendet [Debian], [riseup.net], und hat abgesehen von seiner philosophischen Problematik den Vorteil einer implizierten gesamtgesellschaftlichen Perspektive. Allerdings sollte man sich nicht zur Erweckung uneinlösbarer Erwartungen à la Barlow verleiten lassen, sondern erstmal konkretere, dem jeweiligen Projektstand angemessenere Übereinkünfte anstreben und entsprechend betiteln, z.B. freie Vereinbarung oder Föderationsstatut. Inhaltlich wichtig bei den Übereinkünften ist wegen der ökonomischen Dimension die Konfliktvermeidung und -bearbeitung, um Regressionen auf staatliches "enforcement" zu vermeiden.
  • "factories": Auch der virtuelle Raum wird von Menschen produziert und hat eine materielle Basis. Trotz aller Virtualität sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, davon zu abstrahieren. Aus prinzipiellen, strategischen und taktischen Gründen sollten die ProduzentInnen die Kontrolle über diese Produktionsmittel haben bzw. anstreben. Kollektivierungen in größeren Zusammenhängen (z.B. regionale KonsumentInnen-ProduzentInnen-Vereinigungen) sollten diese Gründe berücksichtigen.
  • "the wealth of our marketplaces": Der Begriff Wohlstand hat, zumal in einer herabgewirtschafteten Hartz IV Republik, in welcher die dafür Verantwortlichen (so wurde uns zugetragen) im Rest des miserablen Fernsehprogramms gar nicht mehr auffallen, eine fast obszöne Konnotation bekommen als etwas, das nur noch Betrügern und Arbeiterverrätern zusteht. Da wirkt allein die positive Verwendung des Begriffs durch den Technoliberalen Barlow schon wie eine Wellnessreise in die Zeit der Goldwährung. Und Wohlstand ist auch nicht notwendig an die Ausbeutung von Mensch und Natur gekoppelt, sondern eher an die Muße, von der eine sich allseitig entfaltende anarchistische Persönlichkeit kaum genug haben kann.

    Damit der von allen (Beteiligten) erarbeitete Wohlstand auch wirklich allen (Beteiligten) zukommt, muss neben der Produktion auch die Distribution entsprechend funktionieren. Im Kontext virtuellen Wohlstands kein Problem, ist das Internet doch die perfekte Distributionsmaschine für digitale Güter und Dienstleistungen. Der rein technische Kopiervorgang bildet den klassischen Distributionsvorgang allerdings nur in eine Richtung ab, beinhaltet dieser doch außerdem eine Übertragung von Forderungen in die Gegenrichtung der Güterdistribution ("Bezahlung"), also in Richtung der ProduzentInnen. Durch Verausgabung der so erworbenen Forderungen können diese wiederum ihre Produktionsmittel und ihre eigene Reproduktion organisieren. Der Wegfall der Symmetrie zwischen Distribution und Bezahlung reißt in bisherige ökonomische Theorien ein weites Loch, das unseres Wissens bis heute nicht gestopft ist.

    Den Liberalen fällt in ihrer Markt- und Staatsfixiertheit auch nix wesentlich besseres ein, als zu verknappen, d.h. den asymmetrisch sprudelnden Quell mit technischen Tricks bis hinunter zur Symmetrie wieder zu verstopfen, oder - ähnlich schräg - die Güter in Dienstleistungen zu verwandeln (s. das Barlow-Zitat in [Dyson]). Die vergleichsweise glücklichen Marxisten haben mehrere Möglichkeiten, sich mit dem Problem gar nicht erst zu konfrontieren: weil es in der Planwirtschaft gar nicht vorgesehen ist, weil im amorphen "alles für alle" nach dem zwangsläufigen Übergang zum Kommunismus die Distributionsprobleme sowieso gelöst sein werden, oder weil die Distributionssphäre der kapitalismuskonstituierenden Mehrwertabschöpfung in der Produktion völlig nachgeordnet ist (und ihre genauere Analyse strukturell antisemitisch). Diese Distributionsproblematik gärt im kulturellen Bereich schon länger, wo sie durch die Materialität der Medien (Bücher, Tonträger) oder die Singularität von Aufführungen in traditionelle ökonomische Formen integrierbar war. Mit fortschreitender Verbreitung und Verbesserung von Digitalisierungstechnologie wird sich das Problem aber verschärfen (Scanner und Texterkennung, Hendis mit Audio-/Videostreaming ins Internet), und schon jetzt zielen die Schläge bzw. Tritte der Verwertungsindustrie zur Verteidigung ihrer Pfründe unter die Gürtellinie der Bevölkerung. Eine konstruktive Lösung des Problems wäre nicht nur eine neue Qualität für das Internet, sondern ein Fuß in der Tür zu postkapitalistischer Ökonomie.

    Der Anarchismus mit seiner theoretischen und praktischen Spannweite vom anti-monopolistischen Geldsystem bis zur syndikalistischen Industrieföderation sollte in der Lage sein, zur Lösung einen Beitrag zu leisten. Ob und inwieweit diese neue ökonomische Form einem "marketplace" ähnelt, muss sich zeigen. Ausgeschlossen ist das aus libertärer Sicht - und im Gegensatz zum Marxismus - zwar nicht, aber die Spielregeln würden sich - im Gegensatz zum Liberalismus - unter der Kontrolle der Beteiligten befinden.