Die Etablierung der CARACOLES
und der Juntas der Guten Regierung


...die EZLN in der politischen Offensive!



"AUTONOMÍA INDÍGENA EN MARCHA", DIE INDIGENE AUTONOMIE AUF DEM WEG
Foto von der Titelseite der mex. Tageszeitung La Jornada 9.8.2003 - Die EZLN-Comandantes begrüßen die Basis und die BesucherInnen...



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(indymedia chiapas)



DIE FIESTA ZAPATISTA IN OVENTIK

- Vom 8. bis 10. August 2003 wurde im Aufstandsgebiet der EZLN in Chiapas von ca. 20.000 Menschen die Etablierung der neuen Zentren, der Caracoles (ehemals Aguascalientes) gefeiert.

- Die zapatistische Bewegung hat eingehend reflektiert und sich eine gefestigte basisdemokratische Struktur in ihren autonomen Gemeinden in Rebellion gegeben, die nun von "Juntas der Guten Regierung" koordiniert wird.

- Während des Wochenendes ging "Radio Insurgente - Stimme der EZLN" auf Sendung.

- Die EZLN tritt stärker beiseite ; die autonomen zapatistischen Strukturen verwalten sich selbst.

- Die Zapatistas betonen ihre Ablehnung der gesamten politischen Klasse Mexikos.

- Die EZLN nennt eine mögliche Durchführung des Plan Puebla Panamá in ihren Gebieten einen "Gang durch die Hölle" für Regierung und Unternehmen.

- Die EZLN warnt Paramilitärs für den Fall weiterer Aktivitäten.

- Die zapatistische Bewegung schlägt den 'Plan La Realidad - Tijuana' vor und will mit mexikanischen und internationalen Basisorganisation weiter entschlossen gegen das neoliberale System, gegen jedwede Ausbeutung und Ausgrenzung sowie für eine solidarische Welt, in die viele Welten passen, kämpfen.



Hintergrundartikel zu den Caracoles:

Zapatistas starten politische Offensive

Autonome Räteverwaltung in Chiapas trotz Armut und Repression etabliert

Mexiko. Vom 8. bis 10. August 2003 feierten in Chiapas rund 20.000 Menschen die offizielle Installation der Selbstverwaltung der zapatistischen Bewegung. Die beeindruckenden Feierlichkeiten, an denen hauptsächlich Unterstützungsbasen der EZLN (Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung) - aber auch die mexikanische und internationale solidarische Zivilgesellschaft teilnahmen, fanden in Oventik, im Hochland von Chiapas statt.

Die fünf aufständischen Regionen der Zapatistas werden nun von fünf "Juntas der guten Regierung" (in Abgrenzung zur schlechten offiziellen Regierung) koordiniert, die dazu da sind, die Entscheidungen der jeweiligen Basis umzusetzen - getreu dem zapatistischen Motto des "mandar obedeciendo" (dt.: gehorchend Befehlen). FunktionsträgerInnen, die im Sinne ihrer Basis unzufriedenstellend arbeiten, sollen - wie auch bisher auf Gemeinde- und Landkreisebene - jederzeit abgesetzt werden können.

Die zentralen Aufgaben der "Juntas" sind Vermittlung bei in- und externen Konflikten, Annahme und gerechte Verteilung von Hilfsgütern, Überwachung überregionaler Projekte, Verhinderung von Korruption, Gewährleistung einer ausgewogeneren Entwicklung innerhalb der rebellischen Gebiete und Kontaktstelle für Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisationen, Presse sowie interessierte Personen im allgemeinen. Vor der Ausrufung der Juntas hatte die Bewegung mehrere Monate intensiv diskutiert und reflektiert, um ihre eigenen Strukturen - aber auch den Kontakt zu solidarischen Gruppen - zu verbessern. Aus den Fehlern und Irrtümern der eigenen Praxis, die die Zapatistas wie nur wenige Bewegungen öffentlich transparent machen, entstand nun dieser neue Schritt gesellschaftlicher Selbstorganisierung.

Die Juntas, die in den fünf Logistik- und Kommunikationszentren der Bewegung ansässig sind, werden aus Delegierten der jeweils zugehörigen autonomen Landkreise gebildet und wollen sich in Zukunft regelmäßigen Rotationsprozessen unterziehen. Diese fünf Zentren, bisher "Aguascalientes" genannt, ließen die Zapatistas im Rahmen der Feierlichkeiten symbolisch "sterben", um sogleich darauf die Geburt der neuen, umstrukturierten Zentren, der "Caracoles" (dt. Schneckenmuschel), zu feiern. Das Symbol der Schneckenmuschel wählte die hauptsächlich aus Indígenas bestehende Bewegung, um ihr basisdemokratisches Selbstverständnis - das durch Zuhören und kollektive Entscheidungs- und Artikulationsprozesse gekennzeichnet ist - zu versinnbildlichen.

Mit dieser Erneuerung "formalisierten" die Zapatistas ihre schon seit Jahren im Aufbau befindlichen Parallelstrukturen, die v.a. die Bereiche Gesundheit, Bildung, Rechtsprechung, Landwirtschaft und Verwaltung betreffen. Diese Strukturen sollen ausdrücklich auch Nicht-Zapatistas offen stehen, solange diese die EZLN-Unterstützerinnen und Unterstützer nicht belästigen.

Die Aufständischen wehren sich so weiter gegen jegliche Einverleibungsversuche des politischen Systems - und trotz erheblicher Armut, Marginalisierung und der Repression in den rebellischen Gemeinden geht die Selbstorganisierung unter großen Mühen erfolgreich voran.

Die EZLN als Guerilla tritt nun noch weiter zur Seite, die Gemeinden verwalten sich noch stärker autonom und nur bei gravierenden Abweichungen von der zapatistischen Ethik will sich die politische Leitung der EZLN, die Comandancia (die aus über 100 Personen besteht, die über hohes Ansehen in ihrer jeweiligen Herkunftsregion verfügen), in die Arbeit der Juntas einbringen.

Die EZLN, die seit Mitte Januar 1994 nicht mehr militärisch als Guerilla agiert hat, gab in diesem Kontext auch bekannt, dass sie ihre Kontrollposten zurückgezogen hat und nur noch bei Holz- und Drogenschmuggel bzw. im Falle von Angriffen auf ihre Gemeinden aktiv werden will. Sie warnte die Paramilitärs vor jedweden Aktivitäten, erteilte dem undemokratischen, ultra-neoliberalen "Modernisierungs"-Projekt Plan Puebla Panama - welches Staudämme, Biopiraterie, Ansiedlung von Billiglohnindustrie, Vertreibung, Monokulturen u.v.a. bedeuten würde - eine Absage und bezeichnete eine eventuelle Realisierung durch die mexikanische Regierung in ihren Gebieten als einen "Gang durch die Hölle".

Doch die politische Offensive der Zapatistas stößt nicht nur auf Gegenliebe: Immer wieder beklagen zapatistische Gemeinden die Zunahme militärischer und paramilitärischer Aktivitäten, auch konkrete Morddrohungen wurden ausgesprochen.

Die Zapatistas haben mit ihrem neuen, ehrgeizigen - aber auch mühevollen und schwierigen - Projekt der Räteverwaltung in Teilen von Chiapas bewiesen, dass soziale Alternativen auch im Zeitalter einer aggressiven kapitalistischen Globalisierung möglich sind. Sie riefen Mexiko und die Welt dazu auf, ihrem Beispiel der Selbstverwaltung - je nach den örtlichen und sozialen Gegebenheiten - auf eigene Weise zu folgen. Die Zapatistas haben der Linken so ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass die Macht nicht übernommen werden muss, um die Welt zu verändern.

Luz Kerkeling (Gruppe B.A.S.T.A.)

leicht überarbeiteter Artikel aus:
graswurzelrevolution 282 - Oktober 2003 / www.graswurzel.net


-> weitere ausführliche Infos zu den Caracoles in der "13. Stele" des Kalenders des Widerstandes


Die JBG rufen die Zapatistas auf, ohne Furcht ihre Autonomie aufzubauen

Elio Henriquez,

La Jornada, 10. August 2004

Oventic, Chiapas, 9. August. Die Junta der Guten Regierung (JBG) des Hochlandes von Chiapas, rief die zapatistischen Gemeinden auf "sich nicht zu fürchten unsere Autonomie weiterhin aufzubauen", denn "die indigenen Völker müssen sich selbst organisieren und regieren, gemäß ihrer Art zu denken und zu verstehen, und ihren Interessen, unter Berücksichtigung ihrer Bräuche und Kultur".

Beim Verlesen einer politischen Botschaft am Mittag appellierte die JBG 'Corazón Céntrico de los Zapatistas Delante del Mundo' ('Zentrales Herz der Zapatisten vor den Welt'), mit Sitz in dieser Tzotzil-Gemeinde des Bezirkes San Andrés Larráinzar, an die Tausenden versammelten Zapatistas, weiterhin zu kämpfen und Widerstand zu leisten, "um unser Recht auf Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit für alle zu verteidigen".

Vor den Unterstützungsbasen, autonomen Bezirksautoritäten, lokalen und regionalen Verantwortlichen, Aufständischen, Milizionären, Autoritäten für Bildung, medizinische Versorgung, Kultur, Religion, und zahlreichen Besuchern aus verschiedenen Ländern, die den Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der zapatistischen Regierungsstrukturen beiwohnten, erklärten die Mitglieder der JBG, "wir werden versuchen, weiterhin unsere Pflicht dem Volk zu dienen zu erfüllen, aber auch Sie müssen sich weiterhin organisieren, damit wir gemeinsam den Aufbau unserer Autonomie vorwärts bringen".

Die Vollendung eines Jahres seit der Einsetzung der Caracoles und der JBG auf zapatistischen Gebiet sei "ein Beweis dafür, dass die autonomen Dörfer und Bezirke sich selbst regieren können ". An diesem Montag, nach einer Tanzveranstaltung am frühen Morgen, folgte das Kulturprogramm der JBG im Rahmen des ersten Jahrestages ihrer Gründung. Musikgruppen aus verschiedenen Gemeinden, traditionelle Tanzmusik und poetische Vorträge.

In diesem Kontext eröffneten am Mittag die 14. Mitglieder der JBG den politischen Hauptakt, mit einer Botschaft an die rund 3.000 Indigenas und Angehörige der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft, die sich seit zwei Tagen in diese Gemeinde versammelt hatten.

"Heute, nach Abschluss eines Jahres im bescheiden Dienst für die Regierung der zapatistischen und nicht-zapatistischen Dörfer, die das Gebiet des Caracol Resistencia y Rebeldía por la Humanidad (Widerstand und Rebellion für die Menschlichkeit) bewohnen, möchte die JBG Ihnen allen ihre Freude mitteilen, aber auch ihre Sorge über die Lage der Dörfer im Widerstand", erklärten sie.

Vor einem Jahr beschlossen die zapatistischen indigenen Gemeinden, ihre eigenen autonomen Behörden zu bilden, und ihre JBG als höchste Repräsentanten über alle Dörfer und Autoritäten zu stellen. "Deshalb können wir diesen Jahrestag nicht vergessen, sondern müssen ihn jährlich in allen Dörfern feiern", bemerkten sie.

Vor Tausenden Anwesenden, die aufmerksam zuhörten, fügten die JBG, die sieben autonome Bezirke aus dem Hochland von Chiapas umfasst, hinzu: "Compaņeros und Compaņeras, wir wissen sehr gut, was wir als zapatistische Gemeinden zu erleiden haben, weil wir in der Form von Widerstand und Rebellion leben und kämpfen; weil wir alle Schläge der schlechten Regierenden unseres Landes aushalten müssen, die mehr Hunger und Elend in unsere Dörfer gebracht haben, mehr Krankheiten und Tod für unsere Kinder, mehr Unsicherheit und Angst für unsere Gemeinden; und wegen den Tausenden Bundessoldaten, Polizisten, Paramilitärs und Judiciales, die unsere Völker, die für die Verteidigung ihrer Rechte kämpfen, weiterhin bedrohen und verfolgen".

Aus diesem Grund sei es notwendig, weiterhin zu kämpfen und Widerstand zu leisten. "Wir dürfen nicht zurückkehren, sondern müssen immer vorwärts schreiten", betonte die JBG, deren Mitglieder mit stürmischer Applaus begrüßt wurden.

An die nationale und internationale Zivilgesellschaft ging die Bitte "uns weiterhin zu unterstützen, auf welche Art Sie können", und die Einladung, sich innerhalb ihrer jeweiligen Völker und Länder zu organisieren, um "gemeinsam gegen die Ungerechtigkeiten zu kämpfen, unter denen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu leiden haben ".

(übs. von Dana)




Aktuelle EZLN-Kommuniqués, u.a. eine kritische Reflexion nach einem Jahr Juntas

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