Die EZLN in der Kritik

Feministische Gruppen wurden in der Vergangenheit aus zapatistischem Gebiet ausgewiesen / EZLN entschuldigt sich öffentlich.

Im Kontext der "Sechsten Deklaration aus dem Lakandonischen Urwald" organisiert die Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) zur Zeit eine Serie von Versammlungen im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas, um gemeinsam mit Organisationen, Gruppen und engagierten Einzelpersonen eine mexikoweite außerparlamentarische Linksallianz aufzubauen. Dazu werden seit Anfang August an jedem Wochenende Vorbereitungstreffen mit verschiedenen Bevölkerungssektoren durchgeführt, auf denen alle TeilnehmerInnen ihre Vorschläge und Kritik äußern können.

Während der Zusammenkunft vom 27. August im autonomen Landkreis San Miguel nutzten mehrere feministische Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus Chiapas nach Angaben der Tageszeitung La Jornada vom 7. September die Gelegenheit, ihre offenbar jahrelang angestaute Kritik gegenüber der EZLN zu äußern: "Wir haben nie verstanden warum, aber einige unserer NRO sind ohne Erklärung aufgefordert worden, die zapatistischen Gemeinden und Regionen, in denen wir gearbeitet haben, zu verlassen - sogar wenn die durchgeführten Projekte mit den Führungskräften erarbeitet, mit den Gemeinden diskutiert und transparent verwaltet waren". Indigene Frauen, die trotzdem die Hilfe der Gruppen gesucht hatten, seien in einigen Fällen von zapatistischen Befehlshabern sogar bestraft oder mit Gefängnis bedroht worden. Die Frauengruppe von San Cristóbal, das Feministische Kollektiv Mercedes Olivera und zwei weitere Gruppen baten in den vergangenen Jahren mehrmals um Gespräche mit der EZLN-Führung, um die Probleme zu diskutieren.
Obwohl sie bis dato keine Antwort erhielten, wollen die Gruppen mit den Zapatistas eine Allianz aufbauen, "die die Unterschiede respektiert, die transparent und horizontal arbeitet, ohne Autoritarismen und willkürliche Ausgrenzung".
Die aktuelle Führung der EZLN bot am Folgetag vor Ort ein Gespräch an, das die verbliebenen Aktivistinnen jedoch wegen Abwesenheit der Mehrheit ihrer Gruppenangehörigen vertagten.

EZLN räumt "Willkür und Ungerechtigkeiten" ein

Am 8. September veröffentlichte die Kommandantur der EZLN ein Kommuniqué, in dem sie sich bei den Frauenorganisationen entschuldigt: "Unsere politisch-militärische Struktur hat Ihnen gegenüber, und nicht nur Ihnen gegenüber, in der Tat eine Serie von Akten der Willkür und Ungerechtigkeiten begangen. Dafür bitten wir Sie nun öffentlich um Entschuldigung; Sie und alle, die wir belästigt haben. Wir hoffen, dass ihre Güte ausreicht, um sie zu akzeptieren". Das von Subcomandante Marcos unterzeichnete Schreiben räumt weiter ein, dass weder die Entschuldigungen noch die Sanktionierung der Verantwortlichen ausreichend seien, weist aber auch darauf hin, dass die internen Strukturen seit 2001 diskutiert und im August 2003 geändert wurden. Damals sei dem zivilen Teil der Bewegung die Entscheidungsbefugnis über jedwede Art von Projekten - "auch über die löbliche Arbeit für die Frauenrechte" - zugesprochen worden. Diese manifestiere sich in den rotierenden "Räten der Guten Regierung" in den fünf verschiedenen zapatistisch geprägten Regionen von Chiapas, die seitdem allein zuständig sein. Die Guerilla-Struktur der EZLN sei daher kein Hindernis mehr für zukünftige Zusammenarbeit mit den zapatistischen Gemeinden: "Sie müssen lediglich die Zustimmung der Gemeinden selbst erreichen".

KennerInnen der Frauenfrage in Chiapas weisen seit Jahren darauf hin, dass die Konfliktlinien nicht nur zwischen Männern und Frauen verlaufen, sondern dass es auch unter ländlich-indigenen und städtisch-mestizischen Frauenorganisationen Differenzen gibt. Zum Verständnis von Identität, Gleichberechtigung oder Recht auf Abtreibung gibt es auch unter den engagierten Frauen keineswegs immer flächendeckende Konsense.

Die zapatistische Bewegung insgesamt bemüht sich nach eigenen Angaben weiterhin, die Situation der Frauen zu verbessern: Es gibt Frauenkollektive, die für mehr ökonomische Unabhängigkeit sorgen sollen, es gibt eine verstärkte Partizipation in Gremien, es gibt heute viel eher die Möglichkeit, dass die Mädchen die Schule besuchen können und es gibt eine offensive Propagierung frauenspezifischer Forderungen bei "Radio Insurgente", dem Rundfunk der Zapatistas. Doch nach wie vor liegen zwischen dem emanzipatorischen Anspruch der EZLN und der Realität in vielen Unterstützungsgemeinden noch Welten.

Luz Kerkeling - 8.9.2005





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