Gewalteskalation in Mexiko

Sicherheitsberater des Präsidenten in organisierte Kriminalität verstrickt. USA bezeichnen mexikanische Polizei als "unfähig"

Während die mexikanische Regierung mit einer militärisch gestützten Offensive gegen die Drogenkartelle vorgeht, ist nun ihre eigene Verstrickung in die organisierte Kriminalität offenkundig geworden. "Die Macht der Drogenkartelle hat Regierungskreise erreicht", gestand Präsident Vicente Fox am Montag öffentlich ein. Am Wochenende war ein Sicherheitsberater von Präsident Vicente Fox in Mexiko-Stadt festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Nahum Acosta Lugo vor, mit der Drogenmafia in Kontakt zu stehen. Man hege den "begründeten Verdacht", Acosta Lugo habe Informationen über "geplante Aktivitäten des Präsidenten im Kampf gegen die Drogen an eine kriminelle Vereinigung weitergeleitet", kommentierte Bundesstaatsanwalt Rafael Macedo de la Concha die Festnahme.

Zuletzt waren Ende Januar sechs Gefängniswärter des Hochsicherheitstraktes der Haftanstalt Matamoros, ein Ort nahe der US-amerikanischen Grenze, ermordet aufgefunden worden. Den Leichen hatte man die Hände und Füße abgeschnitten. Die Taten gelten als Racheakte prominenter "Narcos" für die Antidrogenoffensive der mexikanischen Regierung. Auslöser für den Drogenkrieg war der Tod von Arturo Guzmán Loera, einer Schlüsselfigur der mexikanischen Kokamafias am 31. Dezember des vergangenen Jahres im Hochsicherheitsgefängnis von La Palma. Er war offenbar Opfer rivalisierender Drogenkartelle geworden. La Palma, in der Nähe von Mexiko-Stadt gelegen, galt seit längerem als neue Basis der Drogenbarone Osiel Cardenas, Kopf des Golfkartells, und Benjamin Arrellano, Chef des Tijuana-Kartells. Nachdem Cardenas und Arrellano 2002 in La Palma inhaftiert worden waren, zogen ihre Familien in die Nähe und nutzten das Gefängnis, um die Geschäfte von dort aus zu organisieren. Cardenas und Arrellano hätten "de facto die Führung in La Palma" übernommen, erklärte der Sicherheitssprecher der Regierung, Ramon Martin Huerta.

Gefängnisleiter entlassen

Anfang Januar besetzten Spezialeinheiten von Armee und Polizei die Haftanstalt in der Nähe von Mexiko-Stadt. Rund 700 schwerbewaffnete Soldaten und Polizeibeamte, sollten, unterstützt von Panzern, die Haftanstalt unter Kontrolle bringen. Cardenas und Arrellano wurden in andere Gefängnisse verlegt. Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten zahlreiche Waffen, Handys und ein Videoband, das den Gefängnisdirektor Guillermo Montaya bei Gesprächen mit bekannten "Narcos" außerhalb der Gefängnismauern zeigt. Montoya wurde entlassen. Gegen ihn wird weiter wegen seiner Kontakte zur Mafia ermittelt.

Seit der Hinrichtung der Gefängniswärter herrscht auch in Matamoros der Ausnahmezustand. Die Armee patrouilliert in dem Ort und kontrolliert die Zufahrtswege. Die Eskalation der Gewalt führte zu einer diplomatischen Krise zwischen Mexiko und den USA. Der US-Botschafter in Mexiko, Tony Garza, warf den mexikanischen Sicherheitskräften in einem Brief an Präsident Vicente Fox "Unfähigkeit" im Kampf gegen die Drogenkriminalität vor. Das US-Außenministerium warnte angesichts der "schlechten Sicherheitssituation" vor Reisen nach Mexiko. Kriminelle Organisationen hätten ein "Machtvakuum" geschaffen, hieß es aus Washington. Präsident Fox reagierte mit ungewohnter Schärfe auf die Kritik. Die Vorwürfe, erklärte er, "reflektierten in keiner Weise die Situation im Land."

Präsident in Erklärungsnot

Hatte Fox nach den Ereignissen von Matamoros noch erklärt, die Regierung zeige "Entschlossenheit und Einheit im Krieg gegen den Drogenhandel", ist er mit der Festnahme seines persönlichen Mitarbeiters Acosta Lugo in eine unangenehme Situation geraten. Zudem bekommt er nicht nur Druck aus Washington, sondern auch im eigenen Land. So informiert ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission darüber, daß in mindestens 13 Haftanstalten des Landes korrupte Gefängnisdirektoren und "autonome Regierungen" einflußreicher Häftlinge das Geschehen bestimmen.

Quelle: junge Welt, 09.02.2005

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