Den Blarzen Schwock "Münsters gefährlichsten Nebenwiderspruch" (Junge Welt), gibt es seit gut fünf Jahren. Gegründet wurde das mittlerweile fünfköpfige Kabarettensemble eingentlich...gar nicht! Denn als 1998, Uni-Streik, Besetzung des Soziologie-Institutes und die heroischen Ein,- und Angriffe hochpolitisierter Studierender gegen ein "Soldaten sind Mörder"-Transparent vor dem Schloß (dem architektonisch eindrucksvollsten Truppenübungsplatz der Bundesrepublik!) glücklich überstanden, der Blarze Schwock im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Infoladen Bankrott zum ersten Mal die Bretter der Baracke betrat ,dachte noch niemand an "bleibende Werte". Schon gar nicht im Kabarett. Laut ging es zu , fröhlich und spontan. Wir hatten ganz einfach all die widerspenstigen, witzigen oder skurilen Einfälle zusammengetragen, die uns im Laufe der vergangenen Jahre gekommen waren, wenn das Wetter in Ahaus zu schlecht, das Flugblatt zu langweilig oder die Stimmung auf dem Plenum zu gut war. Spott und Lästerung als Hygiene für Herz und Hirn - das wurde unser erstes, bühnentaugliches Kabarettprogramm.
Der Erfolg war...nun, ähem...überwältigend. Wir jedenfalls ließen uns überwältigen. Oder was hättet ihr getan nach so einer Kritik?
"Ein toller Abend aus der Reihe "Anarchistische Theorie und Praxis", an dem sich gezeigt hat, daß Politik auch Spaß machen kann und die Herren der Szene nicht nur über sich selbst lachen, sondern auch mit ihren selbstgemachten Texten voll ins Schwarze treffen können. Ganz große Klasse und absolut fortsetzungswürdig!" (APOPLEX).
Daß das Gelächter von damals, das wir als nährendes Manna mit uns heim trugen, mindestens so sehr unseren Personen wie unserer Darbietung gegolten hatte ("Mein Gott! Das trauen die sich?!"), begannen wir erst spät und häppchenweise zu begreifen. Da waren wir aber schon in Düsseldorf, Wuppertal, Moers, Bielefeld, Hannover, Dresden, Berlin, Halle, Bremen, Mannheim und werweißwosonstnoch gewesen, hatten das Wendland gemeinsam mit den "Roving Bottles" bespielt, bei der Emeritierung von Herrn Professor Doktor Siegrist mitgewirkt (Ich frage mich bis heute, wofür die eigentlich noch 'n Kabarett brauchten?), zwei Sketche für das Radio aufgenommen und in der Frauenstraße 24 in Münster den vielleicht schönsten Erfolg unseres bisherigen Kleinkünsterlerdaseins gefeiert, gefolgt von einem weiteren wunderbaren Auftritt auf der briefmarkengroßen Bühne der Frankfurter Wagenburg.
Heute ist egal, ob wir damals (seligen Gedenkens, schnief!) an,- oder ausgelacht worden sind.
Der Blarze Schwock ist mittlerweile ein bühnenerfahrenes Kabarettensemble mit einem abendfüllenden Programm geworden - das einzige anarchistische Reisekabarett Deutschlands.
Ein Quintett fünf wilder Wesen, die in einem Panda voller Sperrmüll und Gitarren durch die Lande ziehen. Hier und da gesellen sich netterweise ein "Techniker" oder eine "Technikerin" dazu.
Gegenwärtig touren wir mit unserem zweiten Programm "Die Muse hat mich gebissen". Nur Kabaretta unsere treue aber schon recht mitgenommene Kleiderpuppe, die meistens duldsam im Kofferraum hockte, bis sie - jeden Abend auf's Neue - im Zugabenteil des Programms "Fischer, friß misch net" von tollwütig gewordenen Knüppelschwingern in Uniform verprügelt wurde, genießt inzwischen ihren wohlverdienten Ruhestand.
Der Blarze Schwock ist anachistisches Kabarett nicht nur auf, - sondern auch hinter der Bühne. Es gibt bei uns keinen Leiter, keinen Regisseur, keinen Einpeitscher, Vorturner oder Trainer. Alle machen alles - und sich gelegentlich das Leben schwer, versteht sich. Aber welche Polit-Kombo würfe hier den ersten Stein...na? ...na? Wer nicht spielen muß, darf inzenieren - oder umgekehrt, nach gusto.
Es ist so viel geschrieben und gestritten worden über das, was politisches Kabarett bewirken oder nicht bewirken kann, daß wir uns mit einem schlichten Bekenntnis am Schluß begnügen wollen: Wenn Menschen aus unserer Vorstellung hinausgehen mit einem Lächeln im Gesicht - über sich selbst, über die Ungerechtigkeit der Welt, den Widerstand ansich oder die lästige Tatsache, in einer halben Stunde schon wieder zum Plenum in den Infoladen zu müssen,- wenn wir also für anderthalb Stunden den Frust hinaus, - und den Spaß hineinlassen, hineinlachen konnten, haben wir unsere Arbeit gut gemacht...naja: hoffentlich!
Pressestimmen:
"Jetzt noch 18% gemeiner!
Der Blick aus dem Fenster des Infolädchens in der beschaulichen Provinzstadt Münster fällt auf eine Arbeiterviertelidylle. Hier schmeckt das Bier und ist auch noch billig. Der Traum aller linken GeisteswissenschaftlerInnen mit zwei- und dreistelliger Semesterzahl. An sonnigen Tagen stürzt manchmal Möllemann vom Himmel. Prima Bedingungen, sich ausgiebig der Lästerei über den Rest der Welt zu widmen. Der ist, wir wissen es alle, zunehmend böse. Wer aber diese Tatsache heutzutage noch völlig nüchtern und ernsthaft referierend vermitteln will, stellt eine potentielle Fluchtursache für seine vom restlichen Leben schon genug gebeutelten Mitmenschen dar. Das Kabarett hat es da leichter, auch wenn es vielleicht gar nix vermitteln, sondern nur Spaß machen will. Um allerdings mit der Verschärfung der Wirklichkeit mithalten zu können, muss man sich schon einiges einfallen lassen: Darf man noch Witze über geklonte Menschen oder privatisierte Atemluft machen? Sicher. Kabarett darf alles. Aber ist das nicht viel zu real bedrohlich um witzig zu sein? Egal. Ein "autonom-anarchistisches Szene Kabarett" wie der Blarze Schwock findet zum Glück noch vieles andere, was genauso real, aber auf jeden Fall witzig ist. Und gemein! Die FAU kriegt eine regelrechte Liebeserklärung ab. Ebenso Sub Marcos. Als Opfer spielen mit: Die Autonomen, die Antifa, Attac, die Grünen, die grüne Knüppelbrigade, die Olivgrünen, Marxisten, Möllemann, Moslemjäger und Klassiker! Kaum ein Stück, das nicht irgendwie aus Funk, Fernsehen oder deutschem Kulturerbe bekannt vorkäme. An das erste Schwock-Programm erinnert allerdings außer drei Köpfen, einer Gitarre, dem bewährten Nummernkabarettstil und der Vielspitzigkeit der Texte nicht viel. Wenn schon ein neues Programm, dann die Pointen auch gleich wieder reichlich dosiert. Um all die schönen und gemeinen Anspielungen mitzubekommen, muss man sicher öfter hingehen. Umfangreiches Allgemein-, Spezial- und Szenewissen ist ebenfalls für den vollen Genuss der Darbietung von Nutzen. Man hat es halt mit fünf zum Teil sehr gründlichen StudentInnen der Geisteswissenschaft zu tun. Diese Spezies arbeitet gern mit Statistik. Statistisch gesehen schlüpfen die fünf SchwockerInnen in 19 Rollen, davon 16 Männer- und 3 Frauenrollen, wobei 2 Frauenrollen von Männern und 6 Männerrollen von Frauen (ja, natürlich muss man die Geschlechterzuschreibungen auch grundsätzlich in Frage stellen) gespielt werden. Queering ist auch auf der Kabarettbühne im Kommen! Nur wo bleiben die weiblichen Spottobjekte? Mit 3:16 völlig unterrepräsentiert. Hier liegt noch was im Argen. Dazu singen sie bis zu fünfstimmig sieben Songs mit zehn bekannten Melodien und zwei Gitarren... sechs Saiten. Beeindruckende Zahlen. Zum Glück muss beim Kabarett nicht jedes Ensemblemitglied übermäßig musikalisch sein, um mit Songs beim Publikum anzukommen. Zusammen 90 Minuten Spaß für den Preis weniger Erfrischungsgetränke. Vielleicht auch bald in Eurer Nähe. Ich geh' morgen zum fünften Mal hin."
thorsten aus Münster (In: Direkte Aktion Nr. 155 Februar 2003)
"'Linke Chaoten' gelten allseits als verbissene Barrikadenkämpfer, die das Schweinesystem hassen und keinen Humor kennen, Münsters Autonome beweisen jedoch Sinn für Witz und Selbstironie. Die linksextreme Kabarett-Gruppe "Der Blarze Schwock" aus den Reihen studentischer Demoaktivisten verarscht neben Bullen und Bonzen auch geren den unfreiwilligen Ernst der eigenen Szene. Das kommt nicht nur in Münster an: das Kabarett mit dem schwarz-roten Anarcho-Stern tourt mit seinem aktuellen Programm durch besetzte Häuser und autonome Zentren der ganzen Republick." (Ultimo Uni-Spezial SoSe 2002)