GEWALT IN ATENCO
Aussagen und Briefe der von Repression betroffenen Frauen

HINTERGRUND

Im Mai 2006 eskalierte in Atenco, Bundesland México, die Gewalt der staatlichen Sicherheitskräfte gegen die Bevölkerung eines gesamten Ortes.
Die Stadt Atenco wurde nach einer Straßenblockade, die soziale AktivistInnen des Ortes in Solidarität mit bäuerlichen HändlerInnen der Nachbarstadt Texcoco durchführten, die von der Polizei am Verkauf ihrer Produkte gehindert worden waren und die zu Auseinandersetzungen führten, bei denen die Polizei sich zunächst zurückziehen musste, Opfer massiver staatlicher Repression.
Es gab zwei Todesopfer, Hunderte Festgenommene und Gefolterte, 30 Frauen wurden sexuell misshandelt oder vergewaltigt, mehrere Dutzend Häuser von Atenco wurden völlig zerstört.
Die Brutalität der über 3.000 Sicherheitskräfte sorgte für Empörung auf internationalem Niveau. Bis heute wurde kein höherer Befehlshaber der Polizei zur Rechenschaft gezogen, obwohl die staatliche Menschenrechtskommission CNDH das illegale Vorgehen der Sicherheitskräfte einräumte.


Brief der weiblichen Gefangenen von Atenco aus dem Gefängnis von Santiaguito


Santiaguito, Almoloya, 12. Mai, 2006

An die gesamte Bevölkerung:

Wir Frauen, Arbeiterinnen vom Land und aus der Stadt, Hausfrauen, Studentinnen, etc.; politische Gefangene seit dem 3. und 4. Mai dieses Jahres, sind empört über die formelle Anklageschrift, die am 10. Mai gegen uns eingereicht worden ist. Wir wurden nicht nur beleidigt, erniedrigt, verprügelt, gefoltert, sexuell missbraucht und vergewaltigt, jetzt sind wir auch noch Häftlinge und Verbrecherinnen.

Wir haben Repression erlitten, nicht nur als soziale Kämpferinnen, sondern auch speziell als Frauen. Denn wenn es auch stimmt, dass die Männer am härtesten geschlagen wurden, so wurden wir sexuell attackiert und vergewaltigt. Wir wurden bei unserer Festnahme jeder Art von Repression unterzogen. Zunächst mit Beleidigungen, wie "Du Nutte", "verfluchte, beschissene Nutte!", "wir werden dich vergewaltigen, wie die Nutte, die du bist!" etc. Und sie gaben sich nicht nur damit zufrieden uns zu schlagen, einige von uns bis zur Besinnungslosigkeit, sondern sie drohten uns auch zu töten oder verschwinden zu lassen, oder uns zu foltern, um Namen und Informationen über unsere Angehörigen zu erhalten, die sie auch zu töten drohten.

Nichts kann die sexuellen Misshandlung und die Vergewaltigung heilen, die wir erlitten haben. Wir wurden begrapscht, gekniffen, getreten, mit Fäusten, Knüppeln und Schilden auf unsere Brüste, Gesäßbacken und Genitalien geschlagen. Während sie uns weiterhin bedrohten, wurden wir an Brüsten, Brustwarzen, Ohren, Lippen, Zungen usw. gebissen.

Wir wurden mit Fingern und Gegenständen penetriert, andere wurden gezwungen, oralen Sex zu vollziehen, während wir gleichzeitig als Frauen verspottet wurden.

Zusätzlich zu dieser Misshandlung, die wir erlitten haben, bleiben wir auch weiterhin das Opfer medizinischer Nachlässigkeit. Einige von uns hätten seit dem Tag unserer Ankunft verbunden und behandelt werden müssen. Einige von uns leiden an Vaginalinfektionen, einige an infizierten Wunden, andere können aufgrund der erhaltenen Schläge kaum sitzen.

Trotz alldem bleiben wir weiterhin im Hungerstreik, weil wir in diesem Kampf nicht ein Schritt zurückweichen werden, weil wir Gerechtigkeit für alle wollen, und wenn wir dafür von diesem Gefängnis aus kämpfen müssen, dann werden wir dies auch tun. Wir bleiben weiterhin aufrecht, wie bisher.

Volk, erhebe Deine Stimme! Bis die Taubheit der Justiz geheilt ist.

Erhebe auch Deine Vernunft und Deinen Verstand! Auch wenn unsere Hände von hier aus nichts ausrichten können, mögen unsere Worte es tun.

Wir fordern unsere Freiheit!

Wir fordern Gerechtigkeit für die uns angetanen physischen und sexuellen Misshandlungen und Vergewaltigungen.

Auf das der Schmerz, den wir durchlitten haben, niemanden gleichgültig lassen möge.

Freiheit für die politischen Gefangenen!

Aufrichtig, die weiblichen Gefangenen, von unten und links, die weiterhin kämpfen.

QUELLE: http://chiapas.indymedia.org/display.php3?article_id=122223