Fünf Jahre Autonomie in Chiapas

Internationale Delegation bereiste Gebiet der zapatistischen Rebellen in Mexiko

Es war die größte Solidaritätsaktion der vergangenen Jahre mit den zapatistischen Rebellen im Süden Mexikos. Von Ende Juli bis Mitte August bereisten 320 Personen aus Europa, Nord- und Südamerika den südlichen Bundesstaat Chiapas, um sich über den politischen Autonomieprozeß zu informieren. Zahlreiche Treffen fanden unmittelbar in den Basisgemeinden der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) statt. Die zapatistischen Kräfte würden »angesichts der Barbarei des Kapitalismus und seines neoliberalen Modells« wieder Hoffnung auf eine gesellschaftliche Alternative geben, hieß es auf einer abschließenden Pressekonferenz der Aktivisten am Dienstag nachmittag (Ortszeit) in San Cristóbal de Las Casas.

Ziel der internationalen Delegation war es auch, das Schweigen über die staatliche Repression im Süden Mexikos zu durchbrechen. Obwohl Militär und Polizei zuletzt immer massiver gegen Unterstützer der EZLN vorgegangen sind, schweigen die mexikanischen Medien. Nach Ende der gut zweiwöchigen Reise zeigten sich die internationalen Vertreter deswegen besorgt: Von staatlicher Seite werde offenbar gezielt versucht, das Land der Zapatisten zu besetzen, um Kontrolle über die dortigen Bodenschätze und den biologischen Reichtum zu erlangen. Am 5. August hatten Delegierte etwa die zapatistischen Siedlungen Hermenegildo Galeana und San Alejandro besucht, die einen Monat zuvor von der Armee überfallen worden waren. »Vorwand für diese Militäraktion war die angebliche Suche von Marihuanapflanzen«, erklärten die Besucher gegenüber der linken Tageszeitung La Jornada später. Man habe das zwar nie geglaubt: »Trotzdem sind wir vor Ort gewesen, um uns mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß diese Begründung eine Lüge war.«

Gravierender als die physischen Attacken ist nach Angaben der EZLN der »ökonomische und ideologische Krieg« gegen die Gemeinden. Mit staatlichen Entwicklungsprogrammen und gezielter Desinformation versuchten Regierungsvertreter, die EZLN-Basis zu spalten. Über Finanzierung von Saatgut oder Baumaterial würden Bewohner der Regionen im Süden bestochen. Grund für die Zunahme der Repression ist aber nicht nur die Etablierung der zapatistischen Autonomiebewegung. Die Angriffe der Regierung richten sich auch gegen die »Andere Kampagne«, eine 2005 von der EZLN initiierte Mobilisierung für eine neue antikapitalistische Verfassung.

Gemeinsam mit den ausländischen Gästen hatten die Zapatisten am 8.August den fünften Jahrestag der autonomen Selbstverwaltung gefeiert. EZLN-Kommandeur Moisés bekräftigte das eigene Regierungskonzept der zapatistischen Autoritäten: »Wer bei uns regiert, muß der Bevölkerung gehorchen«. Subcomandante Marcos, Sprecher und Militärchef der EZLN, rief zu einer verstärkten Zusammenarbeit linker Basisorganisationen weltweit auf.

Luz Kerkeling, San Cristóbal de las Casas

Junge Welt 15.8.2008

http://www.jungewelt.de/2008/08-15/013.php