Armee gegen Opposition
Regierungsanhänger und Militär attackieren EZLN-Gemeinden in Südmexiko. Widerstand gegen neoliberale Projekte soll geschwächt werden
Von Luz Kerkeling, San Cristóbal de las Casas
Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas ist es zu neuen Angriffen auf Unterstützer der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) gekommen. Am vergangenen Donnerstag wurden in der Gemeinde Morelia rund zwei Dutzend Angehörige der linksgerichteten indigenen Bewegung zum Teil schwer verletzt, als bewaffnete Regierungsanhänger sie attackierten. Das berichtete der zapatistischen Verwaltungsrat. Als die Zapatisten sich wehrten, kam es zu einer Konfrontation zwischen mehreren hundert Personen. Die Innenbehörde des südlichen Bundesstaates berichtete später von zehn Verletzten auf Seiten der Angreifer.
Hintergrund der Auseinandersetzung sind Landstreitigkeiten in der Gemeinde, in der sowohl Zapatisten als auch Regierungsanhänger leben. In Morelia befindet sich einer der fünf Verwaltungssitze der linken Bewegung, daher ist die Gemeinde von hoher logistischer und symbolischer Bedeutung. Die Regierungsanhänger forderten im April die Rückgabe des Landes, auf dem sich die Verwaltungsgebäude befinden. Die Zapatisten boten daraufhin Verhandlungen an, die jedoch bisher keine Einigung brachten. Streit gibt es auch um die Stromversorgung. Seit Beginn ihres Aufstands im Januar 1994 boykottieren die Rebellengemeinden die Zahlungen an das staatliche Elektrizitätsunternehmen CFE. Sie verweisen darauf, dass Chiapas über 50 Prozent der aus Wasserkraft gewonnenen Energie Mexikos produziert, im Bundesstaat jedoch Tausende indigene Dörfer keine Stromversorgung haben. Zudem seien die Tarife völlig überzogen.
Weil die Lage in Morelia weiter angespannt ist, wurden in dem Ort über 500 Mitglieder der zapatistischen Bewegung zusammengezogen, um neue Angriffe von Regierungsanhängern oder staatlichen Repressionskräften zu verhindern. In der Gemeinde San Jeronimo Tulija im Norden des Bundesstaates war es nach Angaben des Menschenrechtszentrums »Fray Bartolomé de las Casas« bereits am 19. Mai zu einem Angriff der mexikanischen Bundesarmee auf eine Gemeinde gekommen, in der auch EZLN-Unterstützer leben. Mindestens 300 Soldaten durchkämmten den Ort nach zapatistischen Funktionsträgern. Begründet wurde die Aktion unter anderem mit der Suche nach DVD-Raubkopierern.
Neben den lokalen Konflikten werden die Auseinandersetzungen durch die Privatisierungspolitik verschärft, die in Chiapas und ganz Mexiko unter der neoliberalen Regierung von Präsident Felipe Calderón massiv forciert wird. Der zapatistische Widerstand ist den US-nahen Eliten bei ihren aktuellen Vorhaben, wie der einträglichen Privatisierung des staatlichen Ölkonzerns PEMEX und des staatlichen Elektrizitätsunternehmens CFE, ein Dorn im Auge. Eine Durchsetzung der indigenen und bäuerlichen Selbstbestimmung würde eine erhebliche Verlangsamung des neoliberalen Kurses bedeuten.
Wegen der großen internationalen Solidarität mit den Forderungen der EZLN nach Basisdemokratie und einem Ende der Ausbeutung traut sich die Regierung nicht, den Aufstand militärisch niederzuschlagen. Deswegen greifen ihre Vertreter und lokale Machthaber zunehmend auf Repression und Sabotage zurück, um die Unterstützer der Zapatisten zu zermürben.
Quelle: Junge Welt 27.5.2008
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