Neue Repressionswelle in Mexiko
Soziale Bewegung beklagt Folter, Verschwundene und Tote in mehreren Bundesstaaten
Die 2005 von der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) initiierte Mobilisierung für eine neue antikapitalistische Verfassung - die so genannte „Andere Kampagne“ - wurde in den vergangenen Tagen gleich in mehreren Bundesstaaten Mexikos Opfer einer neuen Repressionswelle. Angehörige verschiedener Mitgliedsorganisationen dieser außerparlamentarischen Linksallianz klagten über körperliche Angriffe, Entführungen, Folter und Tote durch Paramilitärs bzw. staatliche Sicherheitskräfte.
Im südlichen Bundesstaat Oaxaca griffen nach Aussagen des „Indigenen Volksrats Ricardo Flores Magón“ (CIPO-RFM) 600 bewaffnete Personen das Dorf San Isidro Aloapam an, wobei sechs Mitglieder der Organisation entführt worden sein sollen. Der CIPO wehrt sich gegen die Abholzung der lokalen Waldbestände und kritisiert, dass die regierungsnahe Nachbargemeinde San Miguel unter dem Vorwand der Schädlingsbekämpfung einen „Ökozid“ begehen wolle. In Wirklichkeit ginge es aber um den Verkauf der begehrten Hölzer. Die staatlichen Umwelt- und Sicherheitsbehörden wurden der direkten Komplizenschaft beschuldigt.
Die „Indianischen Organisationen für die Menschenrechte in Oaxaca“ berichteten, dass der Aktivist César Luis Díaz am 18. Juni in Santiago Xanica entführt worden sei. Luis Díaz ist Ratsmitglied der „Volksversammlung der Völker von Oaxaca“ (APPO), die über 300 Organisation im Bundesstaat umfasst. Die APPO kämpft seit rund einem Jahr mit zivilen Mitteln für die Absetzung des autokratischen Gouverneurs Ulises Ruíz Ortiz und den Aufbau einer „Volksmacht“ in dem stark indigen geprägten Bundesstaat. Die APPO hatte am 14. Juni – ein Jahr nach der brutalen Repression gegen einen Lehrerstreik - ihre Mobilisierung wieder verstärkt aufgenommen.
Am 10. Juni besetzten indigene Bauern nach Angaben der Mexikanischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (LIMEDDH) friedlich 500 Hektar in Ixhuatlán, Bundesstaat Veracruz. Die Indigenen sind vor 23 Jahren durch die Armee von den Ländereien vertrieben worden und hatten jahrelang versucht, auf dem legalen Weg eine Landzuteilung zu erreichen. Am 14. Juni wurden 47 Personen von der Polizei festgenommen, eine Person ist bis heute verschwunden. „Wir flohen in die Berge, denn sie schossen auf uns“, so ein anonymer Zeuge im Bericht der LIMEDDH.
Im Bundesstaat Colima wurde Jonatan López am 12. Juni festgenommen und schwer gefoltert. Nach Informationen des Kollektivs „El Paso del Caracol“ sei er von Männern, die sich nur mit Nummern benannten, mehrere Stunden auf dem Bauch liegend mit einem Wagen umhergefahren worden. Im Anschluss sei er gezwungen worden, AktivistInnen des sozialen Widerstands in Oaxaca zu identifizieren. Dabei sei ihm auf die Arme, auf den Kopf und in die Hoden geschlagen worden. Da er keine Aussagen traf, ging die Folter immer weiter. López verlor mehrfach das Bewusstsein und wachte Stunden später in einem verlassenen Haus bei Guadalajara wieder auf. Es gelang ihm, sich in Sicherheit zu bringen.
Das Unabhängige Medienzentrum aus Mexiko-Stadt (CML) bezeichnete die Vorgehensweise als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und warnte davor, dass im Land jeglicher Protest illegalisiert werden solle. Alle angegriffenen Personen seien UnterstützerInnen der „Anderen Kampagne“, „einer zivilen und pazifistischen Bewegung“, so das CML.
Die paramilitärische und polizeiliche Gewalt wird von einer massiven Militarisierung der südlichen Bundesstaaten flankiert. „Die Truppen sind offiziell zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Drogenkartelle mobilisiert worden, doch die Militärs sind genau dort, wo die sozialen Bewegungen besonders stark sind. Wir befürchten eine weitere Eskalation der staatlichen Gewalt“, so Sara Méndez vom oaxakenischen Menschenrechtsnetzwerk (RODH) im Interview.
Die sozialen Bewegungen bereiteten sich offenbar darauf vor und es gilt als sicher, dass die Organisationen der „Anderen Kampagne“ am 18. Juli auf Vorschlag der EZLN ein breit vernetztes „Nationales Forum gegen die Repression“ gründen werden.
LK, Gruppe B.A.S.T.A. 26.6.2006
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