Ein Angriff gegen die APPO ist ein Angriff gegen die EZLN, warnt Marcos
* Ein Angriff gegen die APPO, ist ein Angriff gegen die EZLN, warnt Marcos
* Wir werden Calderón zu Fall bringen, verspricht er in Baja
California
* Auseinandersetzung zwischen der zapatistischen Karawane und
Reportern;
Korrespondent von TV Azteca gibt sich als Opfer aus.
Von Hermann Bellinghausen
La Jornada, Samstag, 21. Oktober 2006
Mexicali, Baja California, 20. Oktober. "Die Bevölkerung von Oaxaca hat dem
übrigen Land
nicht nur ein heroisches, sondern auch ein organisatorisches Beispiel
gegeben. Und Oaxaca wird eine Bewegung finden, die sie bedingungslos
unterstützen wird, die nicht darauf aus ist, sich eine politische
Scheibe
abzuschneiden: die Andere Kampagne" erklärte heute Subcomandante
Marcos in
einer ungewöhnlichen Pressekonferenz mit den lokalen Medien der
Hauptstadt
von Baja California, beim Abschluss seines Treffens mit Rentnern und
Anhängern der Anderen Kampagne aus Mexcali.
Marcos brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass "Gouverneur
Ulises Ruiz
wird abgesetzt werden; da oben besprechen sie jetzt nur noch das
wie, indem
sie die Regierungsunfähigkeit der Staatsmächte ausrufen, oder mit
seiner
Einwilligung". Der zapatistische Sprecher hatte sich bereit erklärt
die
Fragen der lokalen kommerziellen Presse zu beantworten, nachdem
einige
Korrespondenten an diesem Morgen um das Fahrzeug in dem er reiste
einen
Streit ausgelöst und einen Mitglied der Karawane geschlagen hatten,
um
danach zu behaupten, sie seien selbst angegriffen worden. Der
Korrespondent
von TV Azteca hatte einen Begleiter des Subcomandante geschlagen und
ihm die
Kamera aus der Hand gerissen, um diesen dann völlig grundlos
anzufahren:
"Wieso greifst du mich an?"
Der Reporter wurde sofort von anderen elektronischen Medien
interviewt,
denen er sich unter Verdrehung der Vorfälle als das eigentliche Opfer
darstellte. Angesichts des gespannten Augenblicks, bot der
Delegierte Null
an später selbst mit den Medien zu reden, und tat es auch. Die
Korrespondenten von Televisa hatten da den Ort selbstverständlich
bereits
wieder verlassen *), dafür wurde er von Vertretern der
Tageszeitungen und
Radiosender zum Konflikt in Oaxaca und zur Haltung der Zapatisten
und der
Anderen Kampagne zur künftigen PAN Bundesregierung befragt.
Zum Volksprotest im südlichen Bundesstaat meinte er "Diese Bewegungen
wachsen mit der Zeit immer mehr an, manchmal umfassen sie ein Bezirk,
manchmal einen ganzen Bundesstaat, manchmal an weit entfernten Orten
auf der
einen oder anderen Seite". Die Gefahr, die dabei ersichtlich wird,
so Marcos
weiter, ist das dabei jeder alleine bleibt. "Wir müssen dieses
Netzwerk
aufbauen um uns gegenseitig zu unterstützen. Wenn sie einen von uns
angreifen, greifen sie uns alle an. Wenn sie in diesem Fall die APPO
und
Oaxaca angreifen, greifen sie die Andere Kampagne und die EZLN an".
Und er bemerkte: "Als Zapatisten und als Teil der Anderen Kampagne
denken
wir, dass die Bewegung der APPO legitim ist. Ulises Ruiz ist nicht
der
Gouverneur des Bundesstaates. Er gibt sich als solches aus, aber er
regiert
überhaupt nichts, und hat das erreicht was nur wenige vor ihm
schafften: die
gesamte Bevölkerung gegen sich zu vereinen. Lange Zeit hat er die
soziale
Bewegung, die Gewerkschaften, sogar die Unternehmerorganisationen
missachtet
und gedemütigt, weil nicht einmal die Unternehmer ihn unterstützen,
und er
hat es geschafft diese Bewegung anwachsen zu lassen."
Ihm zufolge "ist der mexikanische Senat gerade dabei den Kopf von
Ulises
Ruiz gegen Vorteile für Felipe Calderón einzutauschen. Die Gefahr
einer
blutigen Repression besteht jedoch und ist sehr real, denn sie
werden die
APPO nur mit einem Blutbad aufhalten können. Sie haben die Bewegung
bisher
weder mit Lügen, noch mit Drohungen, noch mit Schläge bremsen
können."
Er gab bekannt, dass die Andere Kampagne "die Form sie zu
unterstützen, uns
mit ihnen zu solidarisieren und uns zu mobilisieren bereits
vorbereitet hat.
Wir werden nicht zögern es zu tun. Das Recht, das für uns das
ausschlaggebende ist, liegt bei der APPO. Und wir werden uns nicht
nur
darauf beschränken zu denunzieren, wir haben auch Vereinbarungen mit
der
Anderen Kampagne in anderen Bundesstaaten getroffen, um uns im Falle
einer
repressiven Aktion, umgehend zu mobilisieren, und die angegriffenen
Menschen
zu unterstützen".
Auf die Frage, ob die Andere Kampagne versuchen werde die kommende
Bundesregierung zu stürzen, erklärte Subcomandante Marcos: "Wir
haben mit
dem da oben bereits gesprochen und es hat nie was gebracht. Wir
werden nicht
versuchen Felipe Calderón zu stürzen, wir werden ihn stürzen. Und
nicht nur
weil in der Anderen Kampagne selbst vorgeschlagen wurde sich von den
Politikern zu befreien, sondern weil es klar ist, dass er absolut
keine
Legitimität besitzt; niemand in Mexiko glaubt, dass er die Wahlen
gewonnen
hat. Wir alle wissen, dass er unrechtmäßig eingesetzt wurde.
Dahingehend
wissen wir also, dass wir im mexikanischen Volk viel Unterstützung
haben
würden um ihm zu sagen 'verzieh dich', und je schneller das
passiert, desto
besser ".
Während der Versammlung mit Bürgern von Mexicali hörte der
Delegierte Null
Berichte über den Machtmissbrauch der staatlichen Regierung des
PAN-Politikers Eugenio Eluordy und der Mexikanischen Stromkommission
(CFE)
bezüglich der Strom-Tarife, die hier sehr hoch liegen, aber für
US-Verbraucher sehr billig, und für Großunternehmen fast kostenlos
sind. Er
kündigte an, dass Vereinbarungen für einen allgemeinen landesweiten
Zahlstreik an die CFE getroffen werden.
Er wiederholte auch seine Kritik an die Regierung von Vicente Fox,
der sechs
Jahre lang für Mexikaner "nicht das geringste getan hat", aber
angesichts
des "Krieges der Drogenkartelle", der in Baja California sehr
deutlich zu
spüren ist, statt das Problem zu konfrontieren, El Chapo Guzmán
beschützte.
Genozid und ethnische "Folter"
Am Nachmittag besuchte die Andere Kampagne die Gemeinde El Mayor, wo
die
Cucapá leben, eins der indigenen Völker von Baja California, die
sich am
Rande der Ausrottung befinden. In dieser Gemeinde, im Süden des
fruchtbaren
Tales von Mexicali, leben die meisten der 50 Familien dieses
indigenen
Volkes, die auf dieser Seite der Grenze geblieben sind; einige
weitere leben
in Reservate der Vereinigten Staaten. Zusätzlich zur
Marginalisierung, der
sie durch die Landesregierungen unterworfen worden sind (allen voran
von
Porfirio Díaz und Carlos Salinas de Gortari), ist ihr größter
Problem der
offizielle Fischfangverbot im Delta des Rio Colorado, der im Meer von
Kalifornien mündet.
Der Fischfang ist eine der letzten produktiven Tätigkeiten, die
diesem Volk
geblieben sind, nachdem man ihnen ihr Ackerland weggenommen, und sie
in die
unfruchtbaren Berge der Wüste getrieben hat. Durch die offiziellen
Politiken
gewaltsam getrennt, erleiden die Cucapá ein Schicksal von ethnischer
und
wirtschaftlicher Tortur, die von den PAN-Regierungen des Staates mit
Enthusiasmus aufrechterhalten wird, die auf dieser Weise weniger die
Umwelt
schützen, als vielmehr die Interessen des transnationalen
Fremdenverkehrs an
den Küsten der "Achsel" der Halbinsel, südlich von Mexicali.
Mónica, Onésimo und Hilda berichteten dem Delegierten Null und den
Vertretern des Nationalen Indigenen Kongresses, die heute in El Mayor
ankamen. "Wir haben gehört, wie Angehörige des Mexikanischen Marine
die
Fischer angreifen und mit dem Tode bedroht. Ein schwangeres Mädchen
wurde
mit der Mündung einer Waffe in den Bauch bedroht, weil sie sich
weigerte,
sich ihren Fang beschlagnahmen zu lassen", erzählte Marcos nach einem
privaten Treffen mit einigen Indigenas. "Und wir fragen uns, wie die
Armee
und die Marine sich an einem Ort, an dem der Drogenhandel blüht,
sich damit
beschäftigen den indigenen Völker zuzusetzen, anstatt die Verbrecher
zu
verfolgen."
Ebenfalls anwesend war Elías Espinosa, einer der letzten Angehörigem
des
Volkes der Kiliwa (deren Sprache von nur noch fünf Personen
gesprochen
wird), der die Vernachlässigung denunzierte, der sich die 150
Personen
seines Volker gegenübersehen. "Wir haben keine Schule oder
Krankenhaus, und
unsere Kultur wird nicht respektiert", sagte er. Tatsächlich haben
die
Kiliwa, wie einer ihrer gesetzlichen Berater informierte, vor
mehreren
Jahren einen "Todespakt" geschlossen, in dem sie beschlossen haben,
keine
Kinder mehr zur Welt zu bringen, "da es eine Schande ist Kinder in
diese
Welt zu setzen". Elías ist mit seinen ungefähr 30 Jahren, der
jüngste noch
überlebende Kiliwa.
In dieser geographischen und menschlichen Grenzgegend traf die Andere
Kampagne auf die dramatischsten Bespiele des tödlichen und
ungezügelten
"Fortschrittes", den der Kapitalismus für die ursprünglichen Völker
des
Landes bereithält.
* * *
(übs. von Dana)
*) Dem Korrespondenten von TV Azteca eilte die Union der
Demokratischen
Journalisten von Mexicali zu Hilfe, die in einer Presseverlautbarung
die
"gangsterhafte, antidemokratische Aggression" verurteilten, "der wir
an
diesem Freitag, unter Verletzung des sozialen Rechtes auf
Information, durch
eine Gruppe Asozialer unterworfen wurden". Weiter hieß es,
Gefolgsleute von
Subcomandante Marcos hätten "in ihrer politischen Maßlosigkeit, jene
beleidigt, geschlagen und angegriffen, die einfach nur arbeiten um
die
Gesellschaft zu informieren".
Die Version von TV Azteca wurde bis jetzt nur von Tageszeitungen der
Gattung
'El Universal' und 'Unomasuno' übernommen. Darin meldet sich auch
ausgerechnet Gouverneur Eugenio Eluordy zu Wort, der die
zapatistische
Gewalt gegen die Presse als "Angriff gegen die Menschenwürde"
verurteilt.
http://www.eluniversal.com.mx/notas/382646.html
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