Interview mit Subcomandante Marcos
Teil I von La Jornada / Hermann Bellinghausen
Erster Teil des La Jornada Interviews mit Subcomandante Marcos zu den
Ereignissen in Atenco, vom 9. Mai 2006.
In seinem ersten Presseinterview seit fünf Jahren, bringt Delegado
Zero seine Überzeugung zum Ausdruck, dass ein politischer Wechsel
notwendig ist, der aber mit der Anderen Kampagne gewaltlos verlaufen
wird.
Mexiko befindet sich inmitten einer schweren Krise, in der die
politische Klasse als Ganzes aufgehört hat die Gesellschaft zu
respektieren, und dieses Vakuum wird, sehr ungeschickt, von den
großen Medienkonzerne gefüllt, die dafür überhaupt nicht vorbereitet
sind.
"Vorher regierte die politische Klasse die Medien, dann später,
während der Krise, regierte sie gemeinsam mit den Medien, und nun
wird sie von ihnen regiert. Das heißt, kein Massenmedium wird es der
politischen Klasse erlauben aus der Reihe zu tanzen", erklärte
Subcomandante Marcos, in einem ausführlichen Interview mit La
Jornada, das erste, das er seit fünf Jahren gewährt hat.
Seiner Meinung nach, bietet keiner der Präsidentschaftskandidaten
eine Lösung für diese nationale Krise. Madrazo schlage eine
unmögliche Rückkehr zur kriminellen Vergangenheit vor; Calderón würde
den Faschismus etablieren, der die Armee und die Polizei auf die
Strasse loslassen wird, und López Obrador ein Staat, der dem
Kapitalismus dient (ganz gleich was die Linke behauptet), durch die
Errichtung einer neuen autoritären Struktur, welche die Probleme der
Unteren nicht löst.
Die Situation, glaubt Marcos, sei unhaltbar, und deren Zusammenbruch
bald abzusehen. Die Bewegung der Anderen Kampagne, beharrt er, ist
zivil und friedlich; dass ein politischer Wechsel unvermeidlich ist,
aber gewaltfrei erfolgen muss.
Er weist ebenfalls die Behauptungen zurück, dass Marcos und die
Andere Kampagne unterwegs überall Konflikte verursachen würden. "Die
Konflikte sind bereits da. Die Andere Kampagne macht sie sichtbar".
Er streitet ab die Ereignisse in Atenco in die Wege geleitet zu
haben. Wenn das stimmen würde, meint er ironisch, wäre der Widerstand
"besser verlaufen". Es waren vielmehr die Massenmedien, die zum
Einsatz von Gewalt gedrängt, und eine Version der Ereignisse
konstruiert haben, die von den Menschen von Unten in keiner Weise
geglaubt wurde.
HB: Es gibt jene, die sagen, die Andere Kampagne würde der Rechten in
die Hände spielen, dass sie die Option der Linken für die
Präsidentschaft, das heißt López Obrador, sabotiert. Ist das wahr,
oder welches Ziel verfolgt die Andere Kampagne?
M: Erstens, stimmt es nicht, dass so viele Menschen AMLO als Option
der Linken betrachten. Indem sie die politische Klasse kritisiert,
blickt die Andere Kampagne von unten nach oben. Sie sagt, dies sind
die Probleme, dies ist das System, und die politische Klasse stellt
sich stets als Hauptverantwortlicher oder Überträger heraus, bei
dieser Ungerechtigkeit, bei dieser Zerstörung, bei diesem Verbrechen,
dieser Repression, ganz gleich welcher Partei sie angehört. Das haben
wir in Yucatán mit der PAN (Nationale Aktionspartei) gezeigt; in
Quintana Roo, Campeche, Veracruz mit der PRI (Partei der
Institutionellen Revolution). Wir haben die Namen genannt, und zu
welcher Partei sie gehören. Aber da die Massenmedien das nur López
Obrador anhängen wollen, veröffentlichen sie nur die Kritik gegen
AMLO, und das Übrige wird unterschlagen.
HB: Aber letztes Jahr, zu Beginn der Anderen Kampagne, war man der
Auffassung sie würde sich hauptsächlich gegen AMLO und die PRD
richten.
M: Die EZLN wurde schon immer mit der PRD in Verbindung gebracht, und
musste sich klar von ihr abgrenzen. Dabei geht es nicht nur um die
PRD, sondern um die gesamte politische Klasse. Denn da wurde immer so
unterschieden; die politische Klasse wird kritisiert, aber die PRD
davon ausgenommen. In 1994 war es nicht einmal die PRD, es ging nur
noch um Cuauhtémoc Cárdenas.
HB: Es gab eine Annäherung zu ihm in 1994.
M: Ja, aber als Cárdenas nach Chiapas kam, wurde er ausgenommen, und
die Kritik richtete sich gegen die PRD. Diese Beziehung gab es immer;
jetzt geht es darum, die gesamte politische Klasse in unsere Kritik
einzubeziehen, auch die PRD. Wir mussten das klarstellen, weil es in
der Vergangenheit anders gewesen ist. Wir haben immer unterschieden:
die einen nicht, die einen eventuell, die anderen vielleicht.
Wir mussten klarstellen, dass die gesamte politische Klasse in dieses
Spiel eingespannt ist, dass man zwar so lange zwischen ihnen
unterscheiden kann wie man will, aber nichts davon sich in einem
echten politischen Vorschlag umsetzen lässt. Worin besteht der
Unterschied, ob Calderón ein Hitler in der Mache ist, Madrazo ein
Verbrecher und López Obrador ein Betrüger? Ob der eine klaut und der
andere nicht? Welchen Unterschied macht das, wenn die Zerstörung
unseres Landes letztlich die gleiche ist? Das überträgt sich nicht in
einem konkreten Unterschied. Wenn die Andere Kampagne also sagt "wir
werden nach Unten blicken", tritt alles was Oben passiert in den
Hintergrund.
Vor der Entscheidung nach Unten zu blicken, gab es eine Auswertung
der Vorgänge von Oben, und dann konnte man sagen, "ach nein, die EZLN
oder Marcos sind nur nachtragend, wegen der Sache mit dem Indigenen
Gesetz". Es ging nicht nur um das Indigene Gesetz, sondern um alles
was danach folgte, darum wie die Gesetze von der Mehrheit bewilligt
werden. Einige davon erhalten ein wenig Aufmerksamkeit in der Presse,
so wie das Televisa Gesetz, aber andere nicht. Aber die Gesetze, die
fundamental die nationale Souveränität bedrohen, wurden einstimmig
von allen politischen Parteien gemeinsam bewilligt.
Was nützt es also darauf hinzuweisen, dass AMLO ehrlich ist, dass er
kein Geld klaut (aber seine Gruppe schon), oder wer der offenen, der
moderaten, oder der verschämten Rechte angehört. Was nützt das, wenn
es letzten Endes zu dieser Krise kommt.
Wir haben zuvor erklärt, dass sich in der alten Politik alles auf die
Präsidialmacht konzentrierte, aber jetzt, aufgrund dieser nationalen
Krise durch den Vormarsch des Neoliberalismus, wurde die politische
Klasse zerstört, sie wurde verdrängt.
Was man zuallererst verstehen muss, ist dies: wir mussten uns von der
PRD ganz spezifisch distanzieren, weil wir sie in der Vergangenheit
von den anderen Parteien abgesondert haben. Das ändert nichts daran,
dass wir uns widersetzt haben, als López Obradors politische
Immunität entzogen werden sollte (*Übs.: um ihn an die Kandidatur zu
hindern: der sogenannte "Desafuero"), und zu Mobilisierungen gegen
diesen Übergriff aufgerufen haben. Wir widersetzten uns dagegen,
wegen dem was es darstellte, aus ethischen Gründen. Wir sind mit
diesen Menschen nicht einverstanden, aber wir sind auch nicht damit
einverstanden, was ihnen angetan wird. Das war unsere Position zum
Desafuero, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. In diesem
Fall versuchte man ihn aus dem Spiel zu drängen."
HB: Aber viele meinen, die Reichen versuchten AMLO aus dem Weg zu
räumen. Sie wollen nicht, dass er gewinnt, weil sie ihn als Bedrohung
gegen die kapitalistische Hegemonie betrachten würden. Deshalb sei
jede Kritik gegen AMLO ein Vorteil für die Rechte.
M: Das stimmt nicht: der mächtigste Mann dieses Landes, Carlos Slim,
hat bereits versprochen, Baseball nach Mexiko zu bringen, statt immer
nur Fußballteams zu sponsern, und AMLO brüstet sich mit seiner
Freundschaft zu Slim.
HB: Aber die Medien...
M: Das ist das andere Problem. Die Massenmedien wollen das, was sie
in der Krise des Nationalstaates gewonnen haben nicht kampflos
verlieren. Vorher regierte die politische Klasse die Medien, später
in dieser Krisenperiode, regierte sie mit den Medien, und nun wird
sie von ihnen regiert. Das heißt, kein kommerzielles Massenmedium
wird es zulassen, dass die politische Klasse aus der Reihe tanzt. Sie
sollen gehorchen und sich an die Linie halten, die für sie markiert
ist. Und wenn AMLO oder Calderón, oder Madrazo, oder Patricia
Mercado, oder Dr. Simi, wenn irgendeiner von ihnen aus der Reihe
tanzt und versucht ohne die Medien Entscheidungen zu treffen, dann
werden sie in die Enge getrieben. Und darum geht es bei dem
Aufreibungsprozess zwischen den Medien und AMLO.
HB: Sie wollen ihn domestizieren?
M: Ja, sie machen ihn handzahm, ihn und die ganze politische Klasse.
"Ich sag's dem einen damit der andere es versteht." Sie fürchten sich
nicht nur vor einer linken Haltung, sondern vor jeder Haltung, die
sich nicht an ihre Regeln hält, und AMLO sagt "ich werde alles
verwalten, einschließlich der Medien". López Obrador bietet eine
"neue Administration" an, das ist die fortschrittlichste Politik, die
es da Oben gibt, aber das fällt nicht auf, weil er zu sehr damit
beschäftigt ist das Wahlkampagnenspiel zu spielen, genau wie die
anderen. Ich meine, wenn Madrazo eine unmögliche Rückkehr in die
Vergangenheit vorschlägt, wird er nur erreichen, dass dieses Land
sich ganz zugrunde richtet; Calderón schlägt die Harte Hand vor, den
Faschismus, die Armee und die Polizei auf die Strasse loszulassen,
und mit der repressiven Macht des Staates zu regieren, nicht durch
Gesetze oder so was, auch wenn er sie Gesetze nennt.
HB: Na ja, mit den Gesetzen, die sie erlassen.
M: López Obrador schlägt die Errichtung eines neuen Staates vor, weil
der alte Staat sich bereits selbst zugrundegerichtet hat. Er redet
nicht von einer Rückkehr zum PRI-Staat, zum Populismus und das alles.
Er sagt, die Sache steht so schlecht, dass wir etwas Neues brauchen,
aber etwas, dass nicht an die Fundamente des Kapitalismus rüttelt;
ein moderner Staat, der diese Krise verwaltet aber keinen neuen Kurs
einnimmt. Es ist der gleiche Vorschlag, den Lula in Brasilien gemacht
hat, aber hier sagt das große Kapital, dass es kein Problem damit
gäbe, die Gringos, die dieses Land eigentlich regieren, die US
Regierung sagt, es gäbe kein Problem; die Banken sagen, es gäbe kein
Problem; Slim sagt, es gäbe kein Problem. Die einzigen, die sagen, es
gäbe ein Problem, sind die Massenmedien, weil der Kerl sich nicht an
die Regeln hält. Sie befürchten ihn so weit aufgebracht zu haben,
dass er sich stark fühlt und sich von ihnen lösen möchte. Und da
kommt die Sache mit den Umfragen ins Spiel.
HB: Aber seit dem Desafuero?
M: Der Desafuero hat ihn nach oben gebracht. Ich meine für AMLO war
der Desafuero das beste Fördermittel überhaupt.
HB: Der Angriff gegen ihn brachte nicht das gewünschte Ergebnis, aber
sie haben ihn angegriffen.
M: Die Medien haben nicht mehr die gleiche Macht wie früher. Das
erklärt die Krise der politischen Klasse, die Massenmedien nehmen
eine Stellung ein, die sie früher nicht hatten, und auf die sie auch
nicht vorbereitet sind. Deshalb verbrüdern sie sich mit der
politischen Klasse und werden auch mit ihr untergehen. Sobald die
politische Klasse an Autorität und Legitimation verliert, verlieren
die Medien, die sich auf sie eingelassen haben ihre Glaubwürdigkeit
und stürzen mit ab.
HB: Was passiert in Atenco?
M: Das ist ein Musterbeispiel. Ich hab mir alles im Fernsehen
angesehen, Radio gehört, und da hieß es nur "räumt mit ihnen auf".
Bei dem Marsch haben wir Chapingo mit 1000 Menschen verlassen, und
kamen in Atenco mit 5000 an. Wo sind diese 4000 hergekommen? Es sind
Menschen von hier. Der Marsch ist auf keinerlei Ablehnung gestoßen.
Im Gegenteil, es gab Zustimmungsbekundungen. Das haben wir schon auf
dem Marsch von 2001 gesehen, als die Medien über Frieden redeten und
so weiter, und die Menschen anfingen herauszukommen um die EZLN und
die Indigenas zu begrüßen, in Widerspruch zu den Medien.
Wenn sie sich mit der politischen Klasse einlassen, geben die Medien
ihre kritische, fragende Haltung auf, die alle Medien haben müssen,
und verwandeln die Kommunikation in ein Austausch von Meinungen.
Heute kommentieren die politischen Kolumnisten nur noch was andere
Massenmedien sagen, nicht das wirkliche Geschehen. Das geht bis zu
dem Punkt, an dem die Realität neu erfunden wird, wie mit Atenco."
HB: Aber Atenco war echt, die Medien zeigten echte Szenen und es was
eine äußerst ernste Situation, mit viel Gewalt; viele Menschen hatten
zu leiden und ein ganzes Dorf wurde angegriffen.
M.: Nein, die Entwicklung, so wie ich sie auf TV Azteca gesehen und
im Radio gehört habe, lief folgendermaßen. Als es zur ersten
Konfrontation kam, das heißt, als die Polizei anfing durchzudrehen,
fingen die Nachrichtensprecherin an zu sagen "Wie ist das möglich?
Schickt die Polizei rein!" Sie riefen lautstark zu einer gewaltsame
Aktion gegen Atenco auf. Dann erfolgte der Polizeiangriff, und man
kriegte in den Medien nur Bilder zu sehen, auf denen Atenco-Bewohner,
die Polizisten schlagen, und nichts von dem was die Polizisten taten.
Dass die Medien zu diesen repressiven Maßnahmen aufgehetzt hatten,
wurde nie zur Sprache gebracht. Die Sprecher sagten "Wir können nicht
zulassen, dass unser Publikum so etwas sehen muss (obwohl sie ja die
Bilder selbst herumzeigten), die Autorität muss intervenieren, und
hart durchgreifen um Ordnung zu schaffen". Dann lasen sie zwei
Zuschauerbriefe vor, die fragten "wie kommen Sie dazu so etwas zu
fordern? Wenn die Polizei reingeht, wird alles noch schlimmer?", und
daraufhin lasen sie in der Sendung dann überhaupt keine Briefe mehr
vor, weil die sich alle gegen ihre Berichterstattung richteten.
Als sie anfingen Ignacio del Valle und die Compas von Atenco und der
Front der Dörfer in Verteidigung des Landes (FPDT) als "eine Bande
von Agitatoren und Gewalttäter" zu bezeichnen, und was weiß ich noch
alles, wurden nur Bilder gezeigt, in denen sie als Aggressoren zu
sehen sind, nichts von dem was später erfolgte. Nach der
Angstkampagne kam der Marsch von Chapingo nach Atenco. Es kommt ein
Augenblick, an dem sogar die Medien ihre Grenzen erreicht haben. Die
Menschen sagten: "Das sind die gleichen, die mich auch gedemütigt
haben". Das heißt, wen werden sie schon überzeugen können Mitgefühl
für einen verprügelten Polizisten zu fühlen, wenn es gerade die
Polizisten sind, die sie berauben, verprügeln und vergewaltigen?"
HB: Aber es heißt, jetzt, da wir in einer Demokratie leben, gehorcht
die Polizei der legitimen Regierung, und deshalb muss man auf Seiten
der Polizei, gegen die Gewalttäter von Atenco stehen.
M: Das sagt man vielleicht Oben, aber nicht die von Unten. Welche
Legitimation kann die Polizei des Bundesstaates von México oder von
Mexiko Stadt haben? Sie hat nie irgendetwas zum Nutzen der
Allgemeinheit getan. Alle von Unten in Mexiko wissen das. Deshalb
müssen sie auch ständig die Polizeiapparate verstärken, weil sie
immer weniger zuwege bringen.
HB: Es heißt auch, dass Atenco von Marcos aufgehetzt worden wäre.
M: Hätte es einen organisierten Widerstand gegeben, wäre er besser
ausgeführt worden. Es gibt da dieses kritische Bild, auf dem mehrere
Menschen einen Polizisten am Boden treten. Da kann man genau sehen
"diese Menschen sind wütend und außer Kontrolle". Das heißt, sie
waren nicht organisiert; einer hätte sagen können, nehmen wir ihn
lieber fest, fesseln ihn und nehmen ihn mit. Sie hätten ihn
ausliefern können, ihn im Auge behalten, oder keine Ahnung was. Aber
was bringt es ihn zu treten? Wofür?
Im Fall der Schlucht von Los Sauces (Cuernavaca), haben wir die
Vertreibung gestoppt; Beim Bau von La Parota, haben wir sie gestoppt,
im Fall der Tankstelle in Cuautla wurde sie auf Eis gelegt. Und in
vielen anderen Teilen des Landes die wir besucht haben, wo kein
Präsidentschaftskandidat hingegangen ist, ist gar nichts passiert.
Oder wenn etwas passiert ist, dann nur deshalb weil es dort bereits
eine organisierte Antwort auf einen Konflikt gab. Es stimmt nicht,
dass ich überall wo ich hinkomme Konflikte verursache. Wir würden
diese Unterhaltung dann überhaupt nicht hier führen, wir würden im
Schloss von Chapultepec reden."
HB: Eine andere gängige Meinung ist, dass die Andere Kampagne nicht
existiert. Marcos ist am Ende. Und jetzt hat sie Atenco von den Toten
auferweckt, hat Marcos und der Anderen Kampagne neues Leben
eingehaucht. Jetzt, da sie in den Medien ist, existiert sie auch.
Davor war die Andere Kampagne nicht in den Medien, also hat sie auch
nicht existiert. Jetzt tut sie es, und Marcos hat das gekriegt, was
er wollte.
M: Was wollte ich denn?
HB: Den Medien zufolge, in den Medien zu kommen.
M: Aber wenn alle Medien gegen uns sind, weshalb sollte ich in den
Medien bleiben wollen, wenn sie nur gegen mich hetzen?
HB: Ist Atenco nicht eine Strafe gegen die Andere Kampagne?
M: Ich sage Dir wen Sie hier bestrafen: López Obrador. Ich erzähle
Dir jetzt was passiert ist. Die FPDT tat das, was alle Befürworter
der Anderen Kampagne tun, das heißt, sich gegenseitig zu
unterstützen. Diese Compaņeros erscheinen überall mit ihren Slogans,
sprechen Mut zu, singen Lieder und gehen. Die Compaņeros
Blumenhändler, kamen zu einem Treffen in Atenco kamen und sprachen,
und erzählten, was die PRD Regierung ihnen antun wollte.
Die Compaņeros von der FPDT rieten ihnen zum Dialog. Das versuchten
sie. Sie suchten den Bezirkspräsidenten auf, um ihn zu bitten sie
nicht zu vertreiben, damit er ihnen ein Platz gibt. Er weigerte sich
sie zu empfangen, drohte ihnen mit Räumung, und Compaņero Nacho de
Valle und alle anderen, taten das was sie immer tun. Sie schlossen
sich zusammen und standen ihnen zur Seite, und sie führen immer ihre
Machete mit sich, weil sie die immer bei sich tragen, so wie wir
immer unsere Skimützen tragen. Als sie da waren, ließ der
Bezirkspräsident - weil er bezahlt wurde, oder weil er ein Idiot ist -
die Blumenhändler und Nachos Gruppe umzingeln und drohte ihnen mit
gewaltsame Räumung. Sie waren nicht sehr viele, aber der
Bezirkspräsident forderte in einem Radiointerview "Ich bitte um die
Unterstützung der Öffentlichen Sicherheitspolizei ". Die Leute in
Atenco kriegten mit, dass ihre Compaņeros umzingelt waren, und
blockierten die Strassen um ihre Freilassung zu erwirken.
Das alles passiert mit einem Bezirkspräsidenten von der PRD, die ja
doch links ist, und demokratisch, und die Rettung dieses Landes. Die
Polizei erschien um sie zu räumen, und rückte bis zum Dorf vor. Die
Menschen hier reagierten, kämpften und trieben sie zurück. Hier
setzte die Kampagne der Medien ein, mit "räumt mit ihnen auf, wie ist
dieser Chaos nur möglich" und so weiter, und dann marschierte die
Polizei ein mit der ganzen extremen Grausamkeit, und die gängige
Version war, dass es die Schuld der Leute war und so weiter.
Jetzt fingen sie endlich an ihre Berichte zu ändern, und sagten, dass
die Brutalität in Wahrheit von der Polizei kam, und nicht von der
Bevölkerung, dass es vergewaltigte Frauen gab, verschwundene
Jugendliche (ich habe die Namen, fünf Minderjährige)."
HB: Das wurde nicht erwähnt.
M: Nun, es heißt, dass da ein paar Jungs allein unterwegs waren, die
nicht mehr zu Hause auftauchten, und eine Mutter, mit der wir in
Atenco gesprochen haben, sagte, dass ein Jugendlicher in Almoloya
ist. Sie sagt, dass er dort ist und sehr schwer verprügelt wurde.
Und dann hieß es "Nun, wenn es um Atenco und die PRD geht, dann geht
es um López Obrador". Den drei Wahlkampagnenteams war es egal, dass
es Tote gab, dass Menschen erschossen und vergewaltigt wurden. Sie
interessierten sich nur dafür, aus der Sache Kapital für die Wahlen
zu schlagen. Also sagte das Team von López Obrador: "Distanziere dich
davon, du hast nichts damit zu schaffen". Er sagte nicht mal, dass
die Polizei falsch gehandelt hätte, oder dass die Lage ernst sei.
"Das sind nicht deine Leute, sag gar nichts." Es spielt keine Rolle,
dass Frauen vergewaltigt wurden, dass es Tote gab, dass
Menschenrechte verletzt wurden. Den anderen Kandidaten wurde gesagt:
"Sag, dass es richtig ist so zu handeln", und so haben sich Calderón
und Madrazo dann entschieden. Dahin richtet sich die Sache, gegen die
PRD und gegen AMLO. Der Grundgedanke ist: wenn wir López Obrador
Atenco anhängen können, sinkt er in den Wahlumfragen. Und da sich die
ganze politische Klasse darin einigen ist, dass nicht die Wahlen
ausschlaggebend sind, sondern die Wahlumfragen, wird das dann auch so
gemacht.
HB: Einschließlich López Obrador.
M: Er hat überhaupt damit angefangen. Dann, gerade an diesem Punkt,
findet dieser Marsch statt, in dem Marcos gemeinsam mit der Sechsten
Kommission und der Anderen Kampagne auftaucht, das heißt als
Gegenstrom zu den Massenmedien und der politischen Klasse schaffte.
Und auf einmal änderten sich die Statements aller Kandidaten, jetzt
heißt es für alle Politiker nur noch "Marcos und die EZLN werden das
kapitalisieren, und so weiter". Worauf Marcos sagte "Ich werde hier
bleiben, und das tun, was ich bisher nicht getan habe, nämlich
Interviews geben".
Das brachte sie endgültig auf. Jetzt würden sie versuchen, sich mit
uns anzulegen, außer López Obrador, der sagt "nein, ich nicht". Aber
Calderón und Madrazo sagen "nein, bring das Gesetz auf, das COCOPA
Gesetz". Es war ihnen egal was sonst alles passierte, solange es
nicht in den Medien kam. Wenn jetzt alles in den Medien kommt, wird
es die Krise der politischen Klasse sichtbar machen, den Mangel an
Vorschläge. "Das ist unser Ende" denken sie.
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