GOUVERNEUR VON PUEBLA STEHT UNTER DRUCK

(Mexiko-Stadt, 27. Februar 2006, poonal).- "Weg mit dem Beschützer von Päderasten!" Unter diesem Motto demonstrierten am vergangenen Sonntag (26. Februar) über 30.000 Menschen in Puebla, der Hauptstadt des gleichnamigen mexikanischen Bundesstaates. Der Hintergrund: Der Gouverneur von Puebla Mario Marín Torres von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) steht unter dem Verdacht, den mutmaßlichen Hintermann eines Kinderpornorings unterstützt zu haben.

Die feministische Journalistin Lydia Cacho hatte im letzten Jahr in ihrem Buch "Die Teufel von Eden" ein solches Netz aufgedeckt, in das auch namhafte Politiker und Unternehmer Mexikos verstrickt sein sollen. Am 14. Februar veröffentlichte dann die linke Tageszeitung "La Jornada" Aufnahmen von Telefongesprächen, die diese Vorwürfe untermauern. Die Mitschnitte bestätigen zudem, dass Gouverneur Marín die Journalistin hatte verhaften lassen, um einen einflussreichen Textilfabrikanten zu schützen. Der Unternehmer hatte gegen Cacho geklagt, weil diese ihn beschuldigt, einer der Verantwortlichen für das Netz zu sein.

Seit der Veröffentlichung der Bänder fordern Politiker und Menschenrechtler den Rücktritt Maríns. Nicht nur die gegnerischen Präsidentschaftskandidaten Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) und Andres Manuel López Obrador von der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) machen sich gegen den PRI- Mann stark. Selbst der PRI-Anwärter fürs höchste Staatsamt Roberto Madrazo musste sich von dem Gouverneur lossagen, nachdem seine Umfragewerte für die Wahl am 2. Juli in den Keller gegangen waren. "Der Oberste Gerichtshof muss bis zur letzten Konsequenz gehen," forderte Madrazo. Dem stimmte am vergangenen Dienstag (21. Februar) das Parlament fast einstimmig zu. Das höchste Gericht soll nun in dem Fall gegen Marín, die zuständige Staatsanwältin und einen weiteren Justizbeamten ermitteln lassen.

In der Kritik stand zunächst vor allem der abfällige Ton, mit dem sich Marín und der Textilunternehmer Kamel Nacif über die Feministin unterhalten hatten. "Um sich zu bedanken", rief Nacif nach der Festnahme Cachos am 16. Dezember 2005 bei dem PRI-Gouverneur an. Ja, er habe "der alten Fotze gestern eine Lektion erteilt," antwortete Marín. In einem weiteren der Telefonat bittet der als "Jeans-König" bekannte Fabrikant Nacif eine Bekannte: "Zahle doch eine Frau im Gefängnis, damit sie sie vergewaltigt." Cacho selbst berichtet von entsprechenden Drohungen während ihrer Festnahme. Eine Gefängniswächterin habe die Journalistin davor gewarnt, dass man sie vergewaltige werde.

Die Feministin war an jenem Dezembertag auf Antrag der Staatsanwaltschaft von Puebla von einem Polizeikommando in Cancún, wo sie auch das Frauenrechtszentrum CIAM leitet, mit rüden Methoden festgenommen worden. "Sie haben mich gewaltsam ins Auto gestoßen," erinnert sich Cacho. Man habe sie versteckt, damit ihre Anwältin nichts mitbekommt. Dann brachten die Beamten die Journalistin in den 1500 Kilometer entfernten Bundesstaat Puebla. Zwar musste sie nach 30 Stunden wegen des öffentlichen Drucks nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden, dennoch drohen ihr wegen einer Anzeige wegen Diffamierung von Nacif bis zu vier Jahren Gefängnis. Amnesty International (ai) bezeichnete die Festnahme als "Form der Drangsalierung", um Cachos Engagement "für die Menschenrechte zu behindern". In Sorge um ihre Sicherheit hatte ai eine "Eilaktion" ausgerufen.

Es kommt immer weider vor, dass Cacho und die anderen CIAM- Mitarbeiterinnen bedroht werden. So etwa vor zwei Jahren von einem ehemaligen Bundespolizisten, dessen Ehefrau und Kinder in dem Zentrum Schutz vor ihrem Mann gesucht hatten. Der Ex-Polizist erschien bewaffnet vor mehreren Einrichtungen des CIAM-Netzwerkes und drohte, die Aktivistinnen umzubringen. Die zuständige Staatsanwaltschaft legte Cacho nahe, sich "nicht mit ihm anzulegen", da er "von oben geschützt" werde. Im Oktober 2003 beherbergte CIAM eine Gruppe von vergewaltigten Frauen und Mädchen. Dabei stellte sich heraus, dass hinter den Aggressionen eine internationale Bande steckte, die Kindersextourismus organisiert und Pornographie übers Internet vertreibt.

In ihrem umstrittenen Buch "Die Teufel von Eden" beschreibt Cacho genau diesen Ring, der seine Basis in Cancún hatte. Auch die Generalstaatsanwaltschaft bestätige die Existenz des Netzes, dem nach Informationen der Autorin auch der mexikanische Vizeminister für Innere Sicherheit Miguel Angel Yunes angehört. Der mutmaßliche Bandenchef, der Cancuner Hotelier Succar Kuri, sitzt derzeit im US- amerikanischen Arizona im Gefängnis. Mexiko fordert seine Auslieferung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, Kinderpornographie und Geldwäsche. Die letzte Woche veröffentlichten Telefongespräche lassen keinen Zweifel daran, dass Kuri und der "Jeans-Königs" Nacif einen sehr engen Kontakt haben.

Beobachter gehen davon aus, dass der Rücktritt des Nacif- Unterstützers Marín nur noch eine Frage von Tagen ist. Der PRI- Gouverneur selbst will davon nichts wissen und hält die Feministin Cacho für eine "Kriminelle". Seine Parteifreunde kritisieren, dass die von Unbekannten bei "La Jornada" abgegebenen Mitschnitte widerrechtlich gemacht worden seien. Im mexikanischen Parlament wurde indes ein Gesetzentwurf diskutiert, der das Vertreiben von Kinderpornographie unter schärfere Strafe stellen soll.

LATEINAMERIKANISCHES WASSERTRIBUNAL TAGT

(Mexiko-Stadt, 21. Februar 2006, cimac-poonal).- Das Lateinamerikanische Wassertribunal TLA (Tribunal Latinoamericano del Agua) wird in Mexiko-Stadt in seiner ersten öffentlichen Sitzung in Lateinamerika zwischen dem 13. und 20. März sechs Konflikte um Wasser in Mexiko behandeln. Das TLA ist eine internationale und unabhängige Instanz, die sich mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigt und unter anderem für die Verteidigung gemeinschaftlicher Güter wie Wasser zuständig ist. Das Tribunal wird über insgesamt 13 Fälle von Konflikten um Wasser entscheiden, in denen es um den Bau von Wasserkraftwerken, die Privatisierung von Wasser und dessen Verschmutzung durch Textilindustrie, Tourismus und Bergbau geht. Die Anklagen wurden von verschiedenen Organisationen der Region vorgebracht.

In einem der Fälle geht es um die industrielle Verschmutzung des im mexikanischen Bundesstaat Tlaxcala gelegenen Atoyac-Flusses, die durch Abwässer von Maquila-Betrieben verursacht worden sein soll. Ein weiterer Konflikt dreht sich um die Plünderung des Wassers des Cutzamala-Flusses im Bundesstaat Mexiko. Der Cutzamala deckt einen Großteil des Wasserbedarfs der nahegelegenen Hauptstadt Mexiko-Stadt. Die in Flussnähe lebenden Mazahua-Indígenas und Umweltschützer kritisieren das Projekt, da es für den Wassermangel in den Gemeinden verantwortlich ist. Die Wasserknappheit sei gerade für Frauen ein ernstes Problem, da diese weite Strecken zurücklegen müssten, um das lebenswichtige Gut zu holen.

Auch die mexikanische Bewegung von Staudammbetroffenen und für die Verteidigung der Flüsse MAPDER (Movimiento de Afectados por la Construcción de Represas y en Defensa de los Ríos) klagt gegen die übermäßige Ausbeutung und Verschmutzung des Sees Chapala und die Verschlechterung der Wasserqualität des Beckens. Diese sollen durch die unkontrollierte Entsorgung von industriellen und häuslichen Abfällen sowie durch Dünger und Pestizide hervorgerufen worden sein. Auch über den Fall des Staudammprojektes "La Parota" im Bundesstaat Guerrero soll in der öffentlichen Sitzung beraten werden. Der Rat der Gemeinden gegen den Staudamm (Consejo de Ejidos y Comunidades Opositoras a la Construcción de la Presa) hat die Klage eingebracht. Durch den Staudammbau würden 17.300 Hektar Land und ein 192 Meter langer Schutzwall überflutet werden. 25.000 Bauern in den Bezirken Acapulco, San Marcos, Juan R. Escudero, Teconoapa und Chilpancingo würden betroffen sein.

Das Ableiten von Öl in den Fluss La Playa in Coatzacoalcos im Bundesstaat Vercruz wurde vom Mexikanischen Zentrum für Umweltrechte CEMDA (Centro Mexicano de Derechos Ambientales) offen gelegt. Das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Prodh) und andere Gruppen kritisieren die Verschmutzung des Meeres in Zihuatanejo im Bundesstaat Guerrero. Verursacht wird die Kontaminierung durch organische Abfälle und die Hotelanlagen in der Bucht.

KRITIK AM BERICHT DER GENERALSTAATSANWALTSCHAFT ÜBER FRAUENMORDE

Von María de la Luz González

(Mexiko-Stadt, 21. Februar 2006, cimac-poonal).- Verschiedene Nichtregierungsorganisationen kritisieren den jüngsten Bericht der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft PGR (Procuraduría General de la República) über die Frauenmorde in Ciudad Juárez und Chihuahua. Dem Dokument lägen viel zu niedrige Zahlen an Frauen verübter Morde zugrunde. Nach Einschätzung der Organisationen werde damit die bestehende Straflosigkeit in der Grenzregion von offizieller Seite zu verschleiern versucht. "Die Bundesregierung unternimmt hier einen weiteren Versuch, die Morde an Frauen unter den Teppich zu kehren. Der Bericht der PGR enthält weder stichhaltige Beweise, noch ist eine strukturierte Methode bei der Untersuchung der Fälle zu erkennen," heißt es in einem offenen Brief, der von der BürgerInneninitiative für die strafrechtliche Verfolgung der Frauenmorde in Ciudad Juárez und Chihuahua und Angehörigen der Opfer unterzeichnet wurde. In einer Pressekonferenz schlossen sich die Organisationen Amnesty International, Katholikinnen für das Recht auf Entscheidung (Católicas por el Derecho a Decidir), Gerechtigkeit für unsere Töchter (Justicia por Nuestras Hijas) und das Netzwerk für Sexuelle Selbstbestimmung und Reproduktionsrechte in Mexiko (Red por los Derechos Sexuales y Reproductivos) der Kritik der BürgerInneninitiative an.

Der am 16. Februar vorgelegte Abschlussbericht der Sonderstaatsanwaltschaft für Ciudad Juárez spricht für den Zeitraum von 1999 bis 2005 von 379 registrierten Morden an Frauen und von 47 als vermisst gemeldeten weiblichen Personen. Erheblich höher sind dagegen die Zahlen, von denen mexikanische und internationale Menschenrechtsorganisationen ausgehen: Hier weiß man von über 400 Morden und 4.456 verschwundenen Frauen.

Der Bericht ordnet 225 Morde, also über 60 Prozent der Fälle, innerfamiliären Konflikten zu und behauptet, in der Mehrheit der Fälle seien die Täter Familienangehörige, Freunde oder Bekannte, die zum näheren Umfeld der Opfer gehörten. Auf diese Weise werde die tatsächliche Dimension der Gewalt gegen Frauen heruntergespielt. Die Organisationen, zu denen auch die Soziologin Julia Monarréz gehört, die den Begriff der systematischen Ermordung von Frauen ins Spiel brachte, forderten von der mexikanischen Regierung, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Regierung solle für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ihrer Bürgerinnen eintreten sowie die Statuten der Verfassung und die von Mexiko unterzeichneten internationalen Abkommen wie die Konvention von Belém zur Abschaffung der Gewalt gegen Frauen erfüllen. Die UnterzeichnerInnen des offenen Briefs sind empört darüber, dass die mexikanische Regierung auf die unzureichende Arbeit der Behörden mit einem laxen "in anderen Ländern gibt es noch mehr Morde" reagierte. Solche Äußerungen seien eine Beleidigung gegenüber den Opfern und deren Angehörigen und spielten die Bedeutung der Mordfälle herunter.

"Wir haben die Vielzahl der Hintergründe der Ermordungen an den Frauen in Ciudad Juárez und Chihuahua niemals bestritten", argumentierten sie. Alarmierend sei außerdem, dass der mexikanische Staat "die von den Organisationen der Zivilgesellschaft vorgeschlagenen politischen Instrumente, um die Morde an Frauen zu stoppen, nicht eingesetzt und die Empfehlungen mexikanischer und internationaler Menschenrechtsverbände nicht berücksichtigt hat. Die Frauen werden selbst in ihren eigenen vier Wänden umgebracht." Es sei ein unbestrittenes Faktum, dass weiterhin Frauen ermordet werden. Allein im Jahr 2005 wurden 31 weitere Frauenleichen gefunden.

JOURNALISTEN LEBEN GEFÄHRLICH

(Fortaleza, 20. Februar 2006, adital-poonal).- Das UN- Hochkommissariat für Menschenrechte in Mexiko drückte seine Besorgnis über "wiederholte Übergriffe auf Journalisten" während der letzten Monate aus. UN-Vertreter Amerigo Incalcaterra sagte, dass seit November vergangenen Jahres zwölf Anschläge auf Mitarbeiter von Medien dokumentiert worden seien. Es handele sich dabei um zwei Morde, vier Überfälle und sechs Drohungen.

Incalcaterra erinnerte den mexikanischen Staat an seine Verpflichtung, das Recht jeder Person auf unparteiische Meinungsäußerung und Meinungsbildung zu respektieren und zu garantieren. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation CENCOS (Centro Nacional de Comunicación Social) ereignete sich der jüngste Anschlag am 6. Februar, als bewaffnete Männer das Büro der Zeitung "El Maņana" aus Nuevo Laredo im Bundesstaat Tamaulipas überfielen. Die Angreifer gaben mehrere Schüsse ab und warfen eine Granate. Der Reporter Jaime Orozco wurde verletzt.

Das Komitee zum Schutz der Journalisten wies in Washington darauf hin, dass die Angriffe und Einschüchterungen, denen die mexikanischen Journalisten an der Grenze zu den Vereinigten Staaten zum Opfer fallen, zu Selbstzensur geführt hätten. In dem Bericht "Angriffe auf die Presse im Jahr 2005" machte die Organisation darauf aufmerksam, dass der Norden Mexikos "eine der gefährlichsten Regionen für Journalisten in Lateinamerika" sei. José Luis Soberanes, Ombudsmann der staatlichen mexikanischen Menschenrechtskommission, machte deutlich, dass "die Ineffizienz der Regierungsverantwortlichen die Journalisten zu einer verwundbaren Gruppe gemacht hat".



Quelle: POONAL - Nachrichtenpool Lateinamerika - vielen Dank!





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