Mittwoch, 28. Dezember 2005
* Familien begannen, die Kinder in Sicherheit zu bringen, wie zu anderen
Zeiten
Armeepatrouillen wieder in mehreren zapatistischen Gebieten aufgenommen
* Laut Rat der Guten Regierung werden Hilfstransporte kontrolliert
HERMANN BELLINGHAUSEN, KORRESPONDENT
La Realidad, Chiapas, 27. Dezember. Wenige Tage vor Beginn der anderen
Kampagne hat die Bundesarmee mit Patrouillen zu Land und in der Luft
begonnen, wie es sie schon seit Jahren nicht mehr gab. Heute, wie schon an
den vorangegangenen drei Tagen, kreiste ein Militärflugzeug permanent über
La Realidad und den umliegenden Tälern. Gestern überflog ein Kleinflugzeug
rasant die Gemeinde und das Caracol ‚Mutter der Caracoles des Meeres unseres
Traumes‘ (Madre de los caracoles del mar de nuestro sueño). Die Familien
begannen, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen, wie zu anderen Zeiten.
Der Rat der Guten Regierung (JBG) ‚Zur Hoffnung‘ (Hacia la esperanza) gab
heute bekannt, dass die Armee ebenfalls Flüge in der Region von Amador
Hernández, im Autonomen Landkreis Emiliano Zapata und über den
zapatistischen Gemeinden Tierra y Libertad in der Grenzregion und den
Dörfern des Lagunengebietes von Miramar im Landkreis Libertad de los Pueblos
Mayas durchführt.
Der Rat informiert weiter, dass vor einer Woche die Truppen im Armeelager
von San Quintín verstärkt wurden. Über den Gemeinden der Tojolabales in den
Bergen des Autonomen Landkreises San Pedro de Michoacán patrouillierten
Militärhubschrauber, die aus der Militärbasis Santo Tomás in den Tälern von
Las Margaritas zu kommen scheinen.
Seit dem Wochenende gab es auch Patrouillen bewaffneter Soldaten in mehreren
Gemeinden von Tierra y Libertad, zwischen Rizo de Oro-Jerusalén. Eine
„mobile“ Straßensperre ist intermittierend in der Umgebung des Ejidos
Chiapas aufgetaucht; dort registrieren die Truppen Fahrzeuge und verhören
deren Insassen.
In der Sierra-Region hat der JBG Hilfsgüter an die von Hurrikan Stan
betroffenen Unterstützer der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung
(EZLN) verteilt. Jetzt werden die Fahrer der Hilfstransporte an
Militärsperren verhört: wohin, woher, wer sind Sie, was haben Sie da, wer
ist für die Lieferung verantwortlich.
„Es werden klare Antworten gegeben“, so ein Mitglied des Rates: „Dass wir
Zapatistas sind und unseren Compañeros aus der Sierra und der Küstenregion
Nahrungsmittel und Hilfsgüter von der Zivilgesellschaft bringen.“
Er fügt hinzu, dass die Militärkontrollen regelmäßig auf der Strecke
Motozintla-Grenze Comalapa „und dort bei Las Cruces“ stattfinden.
In der Nähe von Las Margaritas wurde der „Secuestrado“ (der Entführte), ein
weiteres Fahrzeug der JBG, von Polizisten gestoppt, welche die Papiere
kontrollierten und die Insassen ausfragten.
Verschiedene andere Zeugen berichten, dass die lokale Polizei und die
Verkehrspolizei auffällig durch die Straßen von Ocosingo und Las Margaritas
patrouillieren, insbesondere dort, wo sich gewöhnlich die Fahrzeuge für
Personen- und Gütertransport der JBG und der Autonomen Landkreise befinden.
Truppenkonvois wurden in diese beiden offiziellen Kreisstädte versetzt, und
es wurden auch schon vier oder fünf „Hummer“-Fahrzeuge der Bundesarmee im
Zentrum von San Cristóbal de las Casas gesehen.
An diesem Neujahrstag, dem 12. Jahrestag des zapatistischen Aufstandes,
werden große Mobilisierungen der zapatistischen Unterstützungsbasis
erwartet, die Subcomandante Marcos (den Delegierten Zero [dt.: Null – Anm.
d. Üs.]) in La Garrucha verabschieden und an der angekündigten
Demonstration/Versammlung in San Cristóbal de las Casas am 1. Januar
teilnehmen wird. So wird die Rundreise der Anderen Kampagne durch
verschiedene Regionen von Chiapas und später die ganze Republik eingeleitet.
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Übersetzung: Katja
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