LA JORNADA 16.12.2005
REGIERUNG KOMMT IHRER VERPFLICHTUNG NICHT NACH, DEN VON HURRIKAN STAN
BETROFFENEN BEWOHNERN VON CHIAPAS ZU HELFEN
* Dank Zivilbevölkerung Grundbedürfnisse der Zapatistas befriedigt
* Bemühungen der EZLN vor allem für diejenigen, die ihre Häuser verloren
haben
HERMANN BELLINGHAUSEN, KORRESPONDENT
La Realidad, Chiapas, 15. Dezember. "Die Compañeros an der Küste und in der
Grenzregion sind bereits mit dem Nötigsten versorgt, aber das Problem derer,
die ihre Häuser verloren haben, bleibt weiter bestehen“, so ein Mitglied des
Rates der Guten Regierung (JBG) „Hacia la Esperanza“ (Zur Hoffnung), der
sich heute im Caracol La Realidad trifft. Mehr als zwei Monate nach dem
Wüten des zerstörerischen Hurrikans Stan im Oktober sind die von den
Regenfällen und Erdrutschen betroffenen zapatistischen Familien noch keinen
Schritt weiter, ebenso wie Tausende andere Familien in der ganzen Region.
"Auch wenn unser Mais kaum noch ausreicht, haben wir dank der Unterstützung
der Zivilgesellschaft genug zu essen. Auch jetzt gerade ist der Lkw
Chompiras unterwegs, um das, was es gibt, unter den Compañeros zu
verteilen“, fügt Fabian im Namen der anderen Anwesenden der JBG hinzu.
Momentan verfügt der Autonome Landkreis Tierra y Libertad (Land und
Freiheit), dem alle betroffenen Zapatistas angehören, über eine Reserve von
90 Tonnen Reis, Bohnen und anderer Produkte. „Es fehlt an Seife, Zucker und
guten Schuhen, davon gibt es noch nicht genug.“
Aber „die Zivilgesellschaft hat gut reagiert. Wir sehen auch andere Gruppen,
die nicht Zapatistas sind, aber trotzdem zum Chompiras kommen, weil sie
sagen, dass sie von der Regierung nur wenig Hilfe bekommen, die nicht
ausreicht. Die Kommission des JBG vor Ort muss ihnen dann erklären, dass sie
dafür nicht autorisiert sind, und sich bei ihnen entschuldigen. Wo es gerade
mal so für die Zapatistas reicht“, so der Vertreter der Autonomen Regierung.
Der Wiederaufbau, noch nicht begonnen
"Die Anderen stehen ziemlich verlassen da“, berichtet er weiter. Wie man
weiß, sind die Bedingungen in dem sehr weitläufigen Gebiet von Chiapas, das
von Stan betroffen war, von Motozintla bis nach Tapachula und an die Küste,
weiter prekär. „Wir verfügen über die nötigsten Medikamente und schicken
Gesundheitspromotoren. Auf dem Gebiet der Gesundheit ist die Versorgung
gesichert. Was uns noch fehlt, sind die Mittel und Materialien für den
Wiederaufbau. Und dann müssen viele Familien umgesiedelt werden, weil sie
keinen sicheren Ort mehr zum Leben haben. Daran arbeiten wir noch.“
Die betroffenen Mitglieder der zapatistischen Unterstützungsbasis aus
Huixtla, der Gemeinde Che Guevara, Toquián, Tapachula und anderen Orten sind
noch immer in Häusern und auf Grundstücken in Dörfern wie Belisario
Domínguez und Siltepec untergebracht.
"Was den Compañeros Sorge zu bereiten beginnt, ist die Kaffee-Ernte, die
bereits begonnen haben sollte. Und gleichzeitig arbeiten sie daran, Häuser,
Höfe und Schulen wieder freizulegen, die von Sand und Steinen verschüttet
wurden.“
Unter diesen Bedingungen fehlt es den betroffenen Familien an Räumen für die
Lagerung der empfangenen Hilfsgüter und ihrer eigenen Ernteprodukte (das,
was davon gerettet werden konnte). Deswegen übernimmt der JBG permanent die
Verteilung und Lagerung.
Die zapatistische Unterstützungsbasis hat große Lieferungen von der
Mexikanischen Elektrikergewerkschaft und anderen zivilen Organisationen
bekommen. „An einem Tag kamen mal 33 Tonnen Kleidung und Nahrungsmittel. Ein
andermal kamen 90 Tonnen Getreide aus Guadalajara. Jetzt warten wir auf
Unterstützung für den Bau der Häuser.“ Außerdem kamen Spenden von
internationalen zapatistischen Kollektiven, vor allem aus Katalonien und
Griechenland.
„Die Zivilgesellschaft hat die Compañeros nicht enttäuscht“, so die JBG, der
auch an den Fall der Zapatistas erinnert, die in Montes Azules lebten und
umsiedelten. Anfang 2005 konzentrierten sich die rebellischen
Unterstützungsbasen, die vormals innerhalb des Biosphärenreservats lebten,
in neuen Autonomen Gemeinden, von denen sich nur eine innerhalb von Montes
Azules befindet: Nuevo Limar.
Der Rat bestätigt bereits veröffentlichte Angaben der Zapatistischen Armee
der Nationalen Befreiung (EZLN): „Der Aufbau in Agua María, San Isidro und
Nuevo Limar ist bereits abgeschlossen.“ Von ihrem Büro im Caracol „Madre de
los Caracoles del mar de nuestros sueños“ (Mutter der Caracoles des Meeres
unserer Träume) in der urwaldbewachsenen Grenzregion von Chiapas aus erklärt
die Autonome Regierung, dass ihre wichtigste Aufgabe „mit den Compas ist,
die vom Hurrikan betroffen sind“.
In den nächsten Tagen wird im Autonomen Landkreis Tierra y Libertad eine
Lieferung Mais und anderer Getreidesorten erwartet, die für die Aussaat
bestimmt ist und aus Unión Hidalgo im benachbarten Bundesstaat Oaxaca
eintreffen soll, ein Beitrag, der bereits aus der Anderen Kampagne der
Rebellen entstanden ist. Mit dieser Lieferung soll die Produktion von
einheimischem Mais bei den zapatistischen Bauern gefördert werden, die nach
den durch Stan verursachten Verlusten neues Saatgut benötigen.
http://www.jornada.unam.mx/2005/12/16/042n1soc.php
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Übersetzung: Katja
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