Poonal Nr. 699 vom 13. Dezember 2005
SONDERSTAATSANWALTSCHAFT ZUR UNTERSUCHUNG DER FRAUENMORDE VERSAGT
(Mexiko-Stadt, 28. November 2005, cimac-poonal).- Die vor zwei Jahren
eingerichtete Sonderstaatsanwaltschaft zur Untersuchung von
Verbrechen im Zusammenhang mit der Ermordung von Frauen im Bezirk
Ciudad Juárez hat nach Einschätzung der Zivilgesellschaft versagt.
Die Initiative Beobachtender BürgerInnen, ein Dachverband von sechs
Organisationen, die sich mit Geschlechterfragen und Menschenrechten
befassen, kritisierte in ihrem Bericht an den Staatlichen Rat zur
Vorbeugung von Diskriminierung) CONAPRED (Consejo Nacional para
Prevenir la Discriminación), die Sonderstaatsanwaltschaft tue
"überhaupt nichts, um die gesellschaftlichen Schäden zu beheben oder
die Straflosigkeit zu beenden."
Obwohl 131 Beamte verschiedener Straftaten beschuldigt würden
(Fahrlässigkeit, Unterlassung, Korruption, unerlaubte
Preisabsprachen, Behinderung der Ermittlungsarbeit und andere), seien
diese weiterhin im Amt und könnten sogar in den aktuellen
Ermittlungsstand eingreifen. "Diese Sonderstaatsanwaltschaft ist eine
einzige Provokation von Seiten der Regierung. Sie gibt vor, ihre
Arbeit zu tun, doch statt dafür zu sorgen, dass die Schuldigen zur
Verantwortung gezogen werden und den Familien der Opfer Gerechtigkeit
widerfährt, arbeitet sie schlampig und unvollständig, betreibt
Täterschutz und verfestigt den Missstand der Straflosigkeit."
In ihrem Bericht über die "Justizarbeit" im Zusammenhang mit den
Frauenmorden in Ciudad Juárez und Chihuahua kritisiert die Initiative
Beobachtender BürgerInnen weiter, statt die Fälle zu lösen, habe sich
"eine Ermittlungseinheit gegen die ErmittlerInnen" gebildet. Die
Sonderstaatsanwaltschaft habe weder die bei ihr gemeldeten Fälle
untersucht, noch jene, die sie im Zuge der Integrierung und Prüfung
der bisherigen Ermittlungen selber aufgedeckt hat und die von Beamten
aus den eigenen Reihen verübt worden waren.
Dennoch werde die Sonderstaatsanwaltschaft gebraucht, immerhin gelte
es, die Fälle von mehr als 500 Frauen aufzuklären, die seit 1993
ermordet wurden oder verschwunden sind. Die Initiative Beobachtender
Bürger begrüßte die Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft zur
Untersuchung der Frauenmorde mit landesweiter Kompetenz.
Die Sprecherin des Netzwerkes für Sexual- und Reproduktivrechte
Silvia Solis hob hervor, dass die Einrichtung der
Sonderstaatsanwaltschaft auch nicht dazu beigetragen habe, dass keine
Frauen mehr ermordet werden: In diesem Jahr wurden bisher 31 Morde
registriert, darunter zwei sieben und neun Jahre alte Mädchen sowie
eine 19jährige. Die drei wurden innerhalb von nur drei Tagen
ermordet.
|