Dienstag, 6. Dezember 2005
* Innerhalb von 5 Tagen haben über 200 Menschen und Kollektive unterzeichnet
aus Moskau, Genua, Paris ...
Breites Echo zum Aufruf der Zapatistischen Intergalaktischen Kommission
HERMANN BELLINGHAUSEN, KORRESPONDENT
San Cristóbal de las Casas, Chiapas, 5. Dezember. Seit die Intergalaktische
Kommission der EZLN ihre Arbeit zur Koordinierung und Fortsetzung des
ÄInternationalenÓ der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald vor 5
Tagen formell (und derzeit cybernautisch) aufnahm, haben bereits um die 200
Personen und Gruppen aus den entferntesten und verschiedensten Orten
unterzeichnet, beispielsweise aus Moskau, Martinique, Lima und Vermont.
Schon werden Blogs und kollektive Webseiten mit der neuen zapatistischen
"Intergalaktischen" abgestimmt und verlinkt, die darauf abzielt, Raum für
ein neuartiges Treffen zu werden. Fast ein Jahrzehnt nach dem Ersten
Zapatistischen Interkontinentalen Treffen, das damals als ÄintergalaktischÓ
bezeichnet wurde, ist die Globalisierung oben wie unten deutlich
vorangeschritten.
Als die "Intergalaktischen" damals stattfanden, erst auf zapatistischem
Gebiet und danach an sechs Orten im spanischen Staat, gab es noch nicht die
großen interkontinentalen Proteste von Seattle, Washington, Prag, Genua und
Cancún, ebenso wenig wie die Versammlungen des Weltsozialforums. Auch wenn
diese Mobilisierungen einer anderen Entwicklung gefolgt sind, unterstreichen
viele Beobachter den großen Einfluss, den die zapatistische Bewegung, ihre
Erfahrung mit der Autonomie, ihr antineoliberaler Diskurs und ihre
Vorgehensweise bezüglich ihrer Verbreitung und Organisation darauf hatten.
Die Aufgaben der zapatistischen Interkontinentalen, so kündigte die EZLN im
November an, werden vom Aufständischen Oberstleutnant Moisés und einer
rotierenden Kommission des Geheimen Indigenen Indígena-Komitees (CCRI-CG)
der Organisation koordiniert. Die Kommission wird in Kürze einen Raum im
Caracol La Realidad eröffnen, wo direkte Treffen mit der EZLN stattfinden
können.
Es gibt bereits Anmeldungen aus Martinique (in der französischsprachigen
Karibik), San José (Costa Rica), Saint Catherine (Kanada), Lund und Malmö
(Schweden), Lima (Peru), Progreso (Uruguay), Dublin, Paris, Moskau, Buenos
Aires, Córdoba, Santiago de Chile, Río de Janeiro, Boston, Los Angeles, New
York, Seattle, San Francisco, Cleveland, Genua, Vizcaya, Barcelona,
Alicante, Kolumbien, Dänemark und Mexiko.
Im entsprechenden Kommuniqué der EZLN, unterzeichnet von Subcomandante
Marcos und Oberstleutnant Moisés, heißt es: "Mit dem Ziel, dass Konzeption,
Organisation und Durchführung des in der Sechsten Erklärung vorgeschlagenen
Interkontinentalen Treffens ein Ergebnis der realen Teilnahme ihrer Anhänger
aus der ganzen Welt und nicht eine einseitige Entscheidung der EZLN sind,
werden vom 1. Dezember dieses Jahres bis mindestens 30. Juni 2006
Versammlungen und Befragungen zur Vorbereitung durchgeführt, mit Gruppen,
Personen oder im Cyberspace, um die Vorschläge auszuarbeiten",
einschließlich Ort und Zeit.
Einer der ersten Anhänger schrieb aus Argentinien: "Nicht die linken
Parteien bringen den Boden unter den Füßen der Mächtigen zum Beben, sondern
das Volk. Es ist klar, dass die revolutionäre Avantgarde vorangeht, ohne zu
fragen und ohne zuzuhören, denn sie kennen die Wahrheit bereits, müssen
keinen dazu konsultieren und erinnern sich niemals an die wichtige Meinung
von Juan, Lucho und Esteban. Wie es in Chiapas heißen würde, sie befehlen
nicht gehorchend und passen sich nicht dem Schritt des Langsamsten an."
Ein Gewerkschafter aus den USA, der sich als Gringo bezeichnet, aber mit
Arbeitern aus Lateinamerika arbeitet, bringt seine Solidarität mit dem
mexikanischen Volk zum Ausdruck.
"Die Menschen aus Chiapas, Venezuela, Bolivien und aus anderen
lateinamerikanischen Ländern haben mich inspiriert." Er fragt auch nach
Ideen, "wie die Arbeiterbewegung der USA (und andere linke Bewegungen) sich
effektiv in die interkontinentale zapatistische Bewegung einbringen können".
Er teilt auch mit, dass sich im kommenden Jahr "ein riesiger Kampf
[entwickeln wird], damit sich die Arbeiter der US-amerikanischen
Hotelindustrie gewerkschaftlich organisieren können. Die Arbeiter dieses
Industriezweigs (Zimmermädchen, Köche, Tellerwäscher, Kellner, Telefonisten,
Rezeptionisten, Ingenieure) bekommen einen Mindestlohn oder wenig mehr; sie
haben zwei oder drei Arbeitsstellen, um ihre Familien versorgen zu können,
und auf der Arbeit haben sie weder eine Stimme noch Rechte. Die Gesetze in
diesem Land schützen das Recht auf gewerkschaftliche Organisation nahezu
nicht, aber wir werden es trotzdem tun, und wir werden dazu die
Unterstützung der Mexikaner brauchen." Die EZLN hat die Möglichkeit offen
gelassen, dass Vorbereitungstreffen an verschiedenen Orten weltweit
stattfinden können. Der erste Schritt ist die "cybernautische Befragung" auf
einer Internetseite, wo Beitritte und Vorschläge, Positionen und
Informationen der Rebellengruppe in Bezug auf "das Internationale" gesammelt
werden, ebenso wie Aktionen und Nachrichten an ihre Führung "in
Unterstützung der Kämpfe und Widerstände gegen den Neoliberalismus und für
die Menschheit/Menschlichkeit."
Menschheit / Menschlichkeit (das spanische "humanidad" lässt beide
Übersetzungen zu) Anm. d. Üs.
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Übersetzung: Katja
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