Junge Welt 28.11.2005
Ende der Zapata-Front
Chiapas: Die EZLN hat ihre politische Schwesterorganisation FZLN
aufgelöst - um sie gleich wieder neu zu gründen. Politisch klarere
Strukturen sollen geschaffen werden
Per Kommuniqué hat Subcomandante Marcos, der Sprecher der
Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN), die
Neuausrichtung der politischen Arbeit der Guerillaorganisation
bekanntgegeben: »Am 25. November hat die FZLN aufgehört zu
existieren«, heißt es darin. Die politische Schwesterorganisation der
Guerilla, die Zapatistische Front zur Nationalen Befreiung (FZLN),
soll zwar wiedergegründet werden, allerdings unter anderem Namen und
mit einer klareren politischen Struktur und Ausrichtung.
»Niemand wird ihren Namen fortan mehr verwenden können, für kein
Ziel, so hehr es auch zu sein scheint oder ist«, heißt es in der
Erklärung, die in zehn Punkten die Geschichte der FZLN zusammenfaßt
und einen Ausblick auf die bevorstehenden Kämpfe gibt. Gegründet
wurde die FZLN vor neun Jahren. Es war der dritte Versuch, die
Bewegung der Zapatisten über die Grenzen des Bundesstaates Chiapas
hinaus auszuweiten. Der FZLN waren der »Nationale Demokratische
Konvent« und die »Bewegung zur Nationalen Befreiung« vorausgegangen.
Die Auflösung der FZLN geschah nun im Einverständnis mit den
Mitgliedern der Organisation, deren 127 Komitees in den vergangenen
Wochen über einen entsprechenden Antrag der EZLN-Führung beraten
hatten. Nur ein Komitee sprach sich gegen den Antrag aus.
Das Ende der Zapatistischen Front markiert eine Zäsur in der
Geschichte der Rebellenbewegung. Zugleich fand die Auflösung im
Rahmen der aktuellen politischen Offensive der Zapatisten statt. Im
August hatten die EZLN-Führung die »andere Kampagne« mit dem Ziel
gestartet, landesweit linke Kräfte in einer gemeinsamen Bewegung zu
vereinen. In diesem Rahmen richten die Zapatisten ihre politische
Arbeit neu aus. In dem Kommuniqué wird eine »neue Etappe des zivilen
Zapatismus« angekündigt.
»Mit allen, die mit ihrem Einsatz und ihrer Arbeit beweisen, daß sie
dieses Ziel teilen, schaffen wir eine neue politische zapatistische
Organisation«, heißt es in der Erklärung. Diese Gruppe werde »zivil
und friedlich, antikapitalistisch und links« sein und »nicht um die
Macht kämpfen, sondern eine neue Form der Politik anstreben«. Neben
dem Lob für die Mitglieder der FZLN äußert die EZLN-Führung aber auch
Kritik. Es habe in den vergangenen neun Jahren Aktivisten gegeben,
die ihre Nähe zur EZLN für eigene Ziele genutzt hätten, »um anderen
zu schaden und sich und uns zu isolieren«. Die neue Organisation
werde daher unter direkter Teilnahme einer EZLN-Kommission gegründet,
die Mitgliedschaft werde »nur auf ausdrückliche Einladung« möglich.
Bei politischen Beobachtern in Mexiko stieß die Maßnahme auf
Verständnis. In der linken Tageszeitung La Jornada wies der Buchautor
und Kolumnist Octavio Rodríguez Araujo darauf hin, daß die
Erwartungen in die FZLN schon bald nach ihrer Gründung enttäuscht
worden seien. »Es gab zuviel Raum für Interpretationen über die
Ziele, zuviel Konkurrenz zwischen Personen und Streit über die
Bedeutung der Grundprinzipien und der taktischen Ausrichtung.« All
dies habe der Organisation über die Jahre Schlagkraft geraubt, so
Araujo, der zugleich die passive Haltung der EZLN in den vergangenen
Jahren kritisierte.
http://www.jungewelt.de/2005/11-28/007.php
Harald Neuber
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