Spiegel-Online, 15. November 2005 Mexiko

Kleine Ladenbesitzerin zwingt Coca-Cola in die Knie

Wenn es darum geht, das eigene Revier gegen unerwünschte Eindringlinge zu verteidigen, zeigen sich die Vertriebsleute von Coca Cola seit jeher robust. Als sie jedoch versuchten, einer kleinen Ladenbesitzerin die Bedingungen zu diktieren, holten sie sich eine Abfuhr.

Mexiko-Stadt - David, Wilhelm Tell, Robin Hood, Asterix - die Geschichte ist Reich an Sagen und Erzählungen über Helden, die einen vermeintlich übermächtigen Gegner erfolgreich trotzten. Die 49- jährige Raquel Chavez aus dem Armenviertel Itzapalapa in der Nähe von Mexiko-Stadt dürfte - zumindest in den Augen ihrer Landsleute - in die Ahnengalerie dieser mutigen Kämpfer aufgenommen werden.

Chavez' Kampf schien zunächst ebenso aussichtslos, wie der der meisten Einzelkämpfer. Ihr Gegner ist zwar nicht blutrünstig, aber mindestens so mächtig wie die Bösewichter der Heldensagen: Coca Cola. Eines Tages stattete ein Vertreter des Getränkekonzerns der 49- Jährigen in ihren winzigen Laden einen Besuch ab. Sie dürfe keine Getränke von Big Cola mehr verkaufen, wenn sie weiter beliefert werden wolle, erklärte er ihr. Big Cola ist eine peruanische Firma, die seit einigen Jahren mit niedrigen Preisen auf den mexikanischen Markt vorstößt.

Doch Chavez wollte nicht hinnehmen, dass ihr vorgeschrieben wurde, welche Getränke sie zu verkaufen habe. In ihrer Not wandte sich die resolute Ladenbesitzerin an ein Büro der staatlichen Wettbewerbsaufsicht.

Die Beamten l ießen ihre Beschwerde allerdings erst einmal links liegen. Und wiederum ließ Chavez nicht locker. "Ich sagte ihnen: 'Was macht ihr hier eigentlich? Seid ihr da, um Coke zu beschützen oder um uns zu verteidigen?'", erzählte sie später stolz. Die Kartellwächter beugten sich dem Druck und gingen der Sache nach. Schon bald fanden sie Hinweise auf ähnliche Fälle.

Zwei Jahren später hatten die Wettbewerbshüter schließlich genügend Beweise für ein groß angelegtes Verfahren zusammen. 15 Abfüllbetriebe, so befand die Behörde im Juli, hatten gegen die Kartellgesetze verstoßen. Sie verhängte eine Strafe von umgerechnet 58 Millionen Euro, wie ein Coca-Cola-Sprecher und ein Beamter der Behörde der Nachrichtenagentur AP bestätigten - die höchste Strafe, die je in einem Kartellverfahren in Mexiko verhängt wurde.

Einige Wochen danach wurde ein weiteres Urteil gegen 54 Vertriebsstellen von Coca Cola verhängt. Das Geld geht an den Staat, Chavez sieht davon keinen Peso. Aber sie wird jetzt wieder direkt von Coca Cola beliefert, nachdem sie drei Monate lang in ein Großhandelszentrum fahren musste. "Ich bin stolz", freut sie sich über den Ausgang des Verfahrens. "Vielleicht fangen die Leute jetzt an, für ihre eigene Sache aufzustehen."

Coca-Cola-Sprecher Charley Sutlive sagte: "Wir respektieren die Entscheidungen." In einem Berufungsverfahren solle aber geklärt werden, dass die Geschäftspraxis des Konzerns mit dem mexikanischen Wettbewerbsrecht in Einklang steht. Coca Cola hat in Mexiko einen Marktanteil von etwa 70 Prozent aller verkauften Erfrischungsgetränke.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,385114,00.html



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