AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT
Eine deutsche "Reisegruppe" geht auf Mexikaner los
Die brandenburgische Polizei spielte nach einer Prügelei zwischen
mexikanischen Musikern und sehr deutschen jungen Männern eine merkwürdige
Rolle.
VON K. CEBALLOS BETANCUR
Panteón rococó
Die Ska-Band, die den Zapatisten nahe steht und seit fünf Jahren regelmäßig
in Europa auftritt, ist in der mexikanischen Alternativszene eine feste
Größe. Ihr zweites Album wurde in ihrer Heimat vergoldet. Bei den
mexikanischen MTV-Awards 2003 bekam die Gruppe den Preis für die besten
Newcomer. kcb
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg meldete am Montag einen eher harmlos
erscheinenden Vorfall. Bei einer Auseinandersetzung "zwischen einer
ausländischen und einer deutschen Reisegruppe" auf einer Autobahn-Raststätte
nahe Neuruppin seien Samstagfrüh vier Menschen verletzt und anschließend in
einer Klinik ambulant behandelt worden. "Einen ausländerfeindlichen
Hintergrund als Tatmotiv schließt die Polizei aus."
Nun handelte es sich bei der "ausländischen Reisegruppe" um Mitglieder der
mexikanischen Ska-Band "Panteón Rococó", bei der "deutschen Reisegruppe" um
sechs betrunkene junge Männer. Bandmitgliedern zufolge fielen von Seiten der
Deutschen Sätze wie "Verpisst Euch" und "Haut ab aus Deutschland, geht
zurück dahin, wo ihr hergekommen seid", die das Attribut rassistisch
durchaus nahe legen.
Die Deutschen hätten von Anfang an Streit gesucht, als zwei Musiker die
Toilette der Raststätte aufsuchten, sagt Luis Ibara, der Sänger der Combo.
Er sei daraufhin zum Bus gerannt, um Hilfe zu holen, aber auch die Übermacht
von etwa 15 Mexikanern habe auf die Betrunkenen keinen Eindruck gemacht.
"Wir wollten uns zurückziehen, keinen Ärger. Wir sind hier auf Tour, wir
arbeiten", sagt Ibara.
Die Angreifer jedoch seien ihnen nachgesetzt und hätten sie mit Drohgebärden
bis zum Bus verfolgt, bis schließlich einer von ihnen aus nächster Nähe eine
Flasche auf einen der Musiker geworfen habe, die auf Höhe der Rippen
zerbrach. Flaschen seien auch gegen den Bus geflogen. Gleichzeitig hätten
die Deutschen auf Bandmitglieder eingeprügelt. "Da haben wir angefangen, uns
zu verteidigen", sagt Ibara. Im Laufe der Auseinandersetzung wurden drei der
Deutschen verletzt.
Als die vom Tourmanager verständigte Polizei eintraf, sei es jedoch ihr
Tourbus, nicht der Pkw der Deutschen gewesen, den die Beamten durch
Einparken festsetzten. "Man hat uns von Anfang an zu verstehen gegeben, dass
wir nicht die Opfer sind, sondern die Täter", sagt Tourmanager Humberto
Pereira. "Einer der Polizisten sagte zu uns: Für mich ist die Sache klar:
Sie sind junge Linke, aber deswegen muss man nicht andere schlagen, die eine
andere Ideologie haben." Anschließend habe man ihnen auf der Polizeiwache
nahe gelegt, auf eine Strafanzeige zu verzichten. "Es hieß: Die drei Jungs
sehen auch von einer Anzeige ab, dabei können wir's doch belassen." Ein
Anwalt prüft nun, Anzeige wegen Nötigung und Strafvereitelung im Amt zu
erstatten.
Bei der Polizei in Neuruppin beteuert der stellvertretende
Schutzbereichsleiter Lutz Jaenicke, er könne sich "nicht vorstellen", dass
Kollegen ähnliches empfohlen hätten. Immerhin habe die Polizei selbst von
Amts wegen Anzeige wegen schwerer Körperverletzung erstattet - gegen beide
Seiten. Und von ausländerfeindlichen Bemerkungen habe er "so in keiner Weise
etwas vernommen".
Frankfurter Rundschau 20.10.2005
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