Demo in México Stadt zum 2. Oktober 1968

von Charlie Bauer - 04.10.2005

Am 2. Oktober fand in DF (México Stadt) die jaehrliche Demo zur Erinnerung an das Massaker an der mexikanischen StudentInnenbewegung vom 2. Oktober 1968 in Tlatelolco (Platz der drei Kulturen) statt. An dem Demozug von Tlatelolco bis zum Zócalo, dem zentralen Platz in DF, beteiligten sich ca. 10.000 Menschen. Am Ende gab es die uebliche Repression durch die Polizei.
Wie jedes Jahr fand auch gestern eine Demo zur Erinnerung an das Massaker von Tlatelolco statt. Es wurde von paramilitaerischen Gruppierungen sowie Teilen der mexikanischen Armee an der aufkommenden StudentInnenbewegung veruebt.

"Auch Platz der drei Kulturen genannt, steht Tlatelolco für das Massaker an Studierenden in Mexiko-Stadt. Am Nachmittag des 2. Oktober 1968 versammelten sich auf dem Platz Zehntausende DemonstrantInnen - überwiegend Studenten. In den Monaten davor hatte sich die Situation im Land zugespitzt. Seit Mitte September hielt das Militär damals die Universitäten der Hauptstadt Mexiko-Stadt besetzt. Die SprecherInnen der Studentenbewegung erfuhren allerdings, daß das Militär in der Umgebung des Platzes aufmarschierte, und entschieden, die Versammlung vorzeitig zu beenden. Wenig später fielen die ersten Schüsse aus Maschinengewehren. Zwei Soldaten starben, ebenso wie eine bis heute unbekannte Anzahl von Demonstranten. Von bis zu 800 Toten ist die Rede.

Vor einigen Jahren ging das Militär erstmals offiziell auf das Ereignis ein: General Antonio Riviello erklärte 1993 im Campo Militar Nœmero Uno, einer für Folterungen berüchtigten Kaserne in Mexiko- Stadt, die Armee von heute sei "eine andere", weil die heutigen Soldaten 1968 noch nicht einmal ge-boren gewesen seien. Ihn, so Riviello, könne man ja auch schlecht für die Taten Zapatas verantwortlich machen. Neben der Armee habe es auch noch andere Beteiligte gegeben - wen, das verrate er aber nicht. Auch die wenig später eingesetzte Wahrheitskommission erfuhr es nie, sie hatte kaum Kompetenzen.

Das mexikanische Militär genießt immer noch den Ruf als aus der Revolution heraus entstandene "Volksarmee". Auch Ceauhtémoc Cardenas, Oppositionsführer und seit knapp einem Jahr Bürgermeister der Hauptstadt Mexiko-Stadt, bezeichnete es als "ungerecht", daß dem Militär die Verantwortung für das Massaker vom 2. Oktober 1968 angelastet werde. Der damalige Präsident Gustavo D'az Ordaz habe in seinem Regierungsbericht des Jahres 1969 schließlich die Verantwortung für "alle Regierungsentscheidungen im Zusammenhang mit den Ereignissen des vergangenen Jahres" übernommen.

Ähnlich argumentiert auch die Armee selbst, die an einer von Oppositionszeitungen in den vergangenen Wochen geforderten Öffnung der Archive zur Klärung der damaligen Vorfälle offenbar wenig Interesse hat. Vielmehr, meinte der ehemalige General Alvaro Vallarta, sei auf eine Öffnung der einst sowjetischen Archive zu hoffen, "um zu erfahren, wer hier in Mexiko von dort Geld erhalten hat, um die Bewegung aufzubauen". Zwar seien an der Protestbewegung von 1968 auch Studierende mit "gesunder Ideologie" dabei gewesen, die das Land nur transformieren wollten, doch habe es auch eine Bedrohung der Institutionen gegeben. Von daher hätten die Streitkräfte ihre Pflicht erfüllt - "wie sie es heute immer noch tun"."
(Quelle: Jungle World vom 14. Oktober 1998)

Der Demozug startete vom Platz der drei Kulturen, wo sich zunaechst nur ein para hundert AktivistInnen versammelt hatten. Jedoch kommen im Laufe des Demozuges immer weitere Gruppierungen dazu, so dass am Ende auf dem Zócalo ca. 10.000 DemonstrantInnen "einliefen". Kurz bevor die Demo den Zócalo erreicht stoppen die verschiedenen Gruppierungen, zaehlen von zehn runter und rennen Parolen rufend auf den Platz. Dieser Demosport scheint Tradition zu sein und wird "La Entrada" genannt.
Im Verlauf der Demo hielten vor allem Ueberlebende des Massakers von 1968 und Angehoerige der verschiedenen Unterstuetzungsgruppen Ansprachen und forderten eine endliche Aufklaerung der Geschehnisse von Tlatelolco. Immer wieder wurde "¡2 de octubre - No se olvida! ¡10 de junio - No se olvida! (2. Oktober - wird nicht vergessen! 10. Juni - wird nicht vergessen!) gerufen.

Mit dem 10. Juni ist besagter Tag des Jahres 1971 gemeint, an dem die erste grosse Demo nach Tlatelolco stattfand und ebenfalls in einem Massaker endete. Denn hinter den überall aufgestellten PolizistInnen tauchten auf einmal andere mit Stöcken bewaffnete Jugendliche auf. Wenig später griffen diese Jugendlichen die DemonstrantInnen mit den Holzknüppeln und mit Pistolen an. Etwa 40 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Wenig später erschien die Armee und sperrte das gesamte Gebiet ab. Lange bestritt sie, etwas mit dem Vorfall zu tun zu haben. Rivalisierende StudentInnen hätten sich eine Straßenschlacht geliefert, so die offizielle Version. Doch die Wahrheit kam nach und nach ans Licht: Die Gruppe bewaffneter Jugendlicher war eine paramilitärische Organisation genannt "Los Halcones" ("Die Falken"), die über die Polizei in Mexiko-Stadt vom Militär gesteuert wurde. Dessen oberster Befehlshaber war der Präsident persönlich: Luis Echeverría.

Noch heute ist der 2. Oktober ein Tag, an dem die DemonstrantInnen regelmaessig Repression erfahren. Sei es durch die Polizei oder durch von der Regierung bezahlte Gruppen von Jugendlichen, "los porros" genannt, die sich vor allem an Schulen und Universitaeten formieren, um die Kontrolle der Bildungseinruichtungen aufrecht zu erhalten und vor allem um die Studierendenbewegung nach dem Streik an der UNAM von 1999 in Schach zu halten. Die porros greifen immer wieder kleine Gruppen von Demonstrierenden auf dem Weg zur oder am Rande der Demonstration an und rauben sie aus. Dies war doch gestern nicht zu beobachten.

Dafuer griff bei der Abschlusskundgebung auf dem Zócalo die Polizei die Demo an und verhafteten einen Aktivisten. Victor Hugo Martinez Ramirez wurde beschuldigt eine Ueberwachungskamera zerstoert zu haben. Die Stadt wurde zwar von ihr "befreit", jedoch weisen AugenzeugInnenberichte und Fotos (Indymedia México) darauf hin, dass die Kamera dort zurueckgelassen worden ist. Ein Zivilpolizist hat sie genommen, in einen Rucksack gesteckt, der dann anschliessend Victor gehoert haben soll. ZeugInnen koenne jedoch bestaetigen, dass Victor zu der Zeit, als die Kamera runtergeholt worden ist, ganz wo anders gewesen ist. Also eine klare Provokation durch die "Sicherheitskraefte". Victor ist zurzeit wieder auf freiem Fuss, jedoch muss er mit einem Gerichtsverfahren rechnen.

Eine Reihe eindrucksvoller Fotos und dieser Bericht selbst auch unter
http://www.de.indymedia.org/2005/10/129471.shtml

Noch zwei kurze Anmerkungen zu den Fotos: die Verherrlichung von Lenin und Stalin repraesentiert nicht die ganze Demo sondern nur einzelne Gruppen, Vermummung ist in México offensichtlich nicht strafbar, und im Verlauf der Demo war die Polizei bis auf einen Hubi sehr zurueckhaltend. Alle Geschaefte auf der Demoroute waren verrammelt, aus Angst vor Ausschreitungen, die es den letzten Jahren an diesem Tag immer wieder geben hat.



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