Poonal Nr. 683 vom 23. August 2005

GEWERKSCHAFTSFÜHRERIN ERMORDET

(Montevideo, 12. August 2005, comcosur-poonal).- Edith Sosa Solar,
die ehemalige Anführerin der mexikanischen Arbeiter- und
Bauerngewerkschaft UGOCM (Unión General de Obreros y Campesinos de
México), wurde am 8. August zusammen mit ihrer Tochter Claudia Edith
Ortiz Sosa durch mehrere Schüsse in ihrem Haus in Playa Vicente im
Bundesstaat Veracruz ermordet. Edith Sosa war die Sprecherin von 26
indigenen Gemeinden, die die Unabhängigkeit vom Bezirk Santiago
Sochiapan fordern. Der Bezirk war erst vor zwei Jahren gegründet
worden. Der Gouverneur von Veracruz, Fidel Herrera Betrán, sagte,
dass das Attentat nicht die Folge von Landstreitigkeiten war, sondern
als Angriff auf eine soziale Aktivistin zu werten sei.


ZAPATISTISCHE KRITIK LÖST DEBATTEN IN DER MEXIKANISCHEN LINKEN AUS
Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 18. August 2005, npl).- "Schurken", "Dreistlinge" und "Verräter", nennt er sie, mit denen eine "Rechnung zu begleichen" sei. Subcomandante Marcos, Sprecher und Galionsfigur der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN), hat in den vergangenen zwei Wochen schweres Geschütz aufgefahren. Doch diesmal schießt er selbst nach Meinung vieler zapatistischer Sympathisanten zumindest teilweise daneben. Denn seine beißende Kritik richtet sich im Wesentlichen nicht gegen die konservative Regierung von Präsident Vicente Fox oder die das Land zuvor jahrzehntelang skrupellos beherrschende Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI). Ziel sind vielmehr die sich selbst als links bezeichnende Partei der Demokratischen Revolution (PRD), deren gesamtes Führungspersonal und vor allem ihr aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador.

Nicht unbedingt die inhaltliche Kritik stößt auf Widerspruch. Es sind die Tonwahl und der Eindruck, die PRD sei zum Hauptgegner der EZLN geworden. Im Rahmen der im Juli angekündigten "anderen Kampagne" der Zapatisten, die fernab jeder Parteipolitik beabsichtigen, mit der "wirklichen Linken" in Mexiko ein breites antikapitalistisches Bündnis einzugehen, war Marcos nach über vier Jahren Abwesenheit am 6. August wieder persönlich in der Öffentlichkeit präsent.

Auf dem ersten von sechs geplanten Treffen mit verschiedenen Sektoren der Zivilgesellschaft wurden die Figur des Exbürgermeisters der Hauptstadt López Obrador und die kritische Position der Zapatisten gegenüber ihm und der PRD unweigerlich zum Thema. Während des Treffens und in den Folgetagen verschärfte der Subcomandante die zuvor schon geäußerten Anklagen gegen die Oppositionspartei. Zusammengefasst sieht er in dem populärsten Politiker des Landes letztlich nur eine "Mogelpackung" der Rechten. Obradors Stellungnahmen gegen Privatisierungen sind demnach nicht glaubwürdig und sein Eintreten für die indigenen Rechte ein Lippenbekenntnis. Der Kandidat werde sich im Fall eines Wahlsieges 2006 mit den Mächtigen arrangieren, ist Marcos überzeugt. Er verweist darauf, dass sich López Obradors Kampagnenteam aus vielen früheren Mitarbeitern des nach wie vor einflussreichen Expräsidenten Carlos Salinas de Gortari zusammensetzt. Im Diskurs des Präsidentschaftskandidaten ist Salinas einer der Lieblingsfeinde López Obradors.

Dieser und andere PRD-Politiker, wie der dreimalige Präsidentschaftskandidat Cuauhtémoc Cárdenas oder der PRD- Generalsekretär Guadalupe Acosta, lehnen die offene argumentative Auseinandersetzung mit den Zapatisten ab. Sie beschränken sich darauf, die Vorwürfe als überzogen zurückzuweisen. Dies kann nicht nur mit Feigheit erklärt werden. Die PRD-Spitze hat kein Interesse daran, sich in der Konfrontation mit der EZLN abzunutzen. Ihr geht es darum, an den Wahlurnen die klerikal-konservative PAN und die PRI zu besiegen.

Aus dieser Perspektive handelt es sich um eine "Nichtdebatte". Dagegen ist die Diskussion innerhalb der nicht fest in Parteistrukturen eingebundenen mexikanischen Linken und der PRD-Basis umso intensiver und längst nicht abgeschlossen. Vielfach wird es abgelehnt, in der - kritischen - Unterstützung von López Obrador und der Sympathie für die Zapatisten einen unauflösbaren Widerspruch zu sehen. Kurzfristig erscheint der PRD-Kandidat im Vergleich zu PRI und PAN zumindest als kleineres Übel, manchen ist er sogar nach wie vor ein Hoffnungsträger. Andererseits sind tief greifende gesellschaftliche Veränderungen nicht vom politischen Parteiensystem Mexikos zu erwarten. Das, so der unterschwellige Ton vieler Kommentare, muss aber nicht mehr belehrend von Marcos erklärt werden.

BASISRADIOS FORDERN GESETZESREFORM

(Montevideo, 15. August 2005, recosur).- Die mexikanische Gruppe des
Weltverbandes der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios
Comunitarias) hat von der Regierung eine Gesetzesänderung gefordert,
um dem wachsenden Bedürfnis der Bevölkerung nach eigenen
Radiostationen nachzukommen. Obwohl das Ministerium für Transport und
Kommunikation (SCT) bereits elf Genehmigungen für Basisradios erteilt
habe, sei es unerlässlich, dass der Staat eine Politik verfolge, die
die Medien in die Hände der Zivilgesellschaft gebe, meint AMARC-
Mexiko.

Am 10. August hat das Kommunikationsministerium dem Basisradio Omega
Experimental aus Texcoco im Bundesstaat Mexiko die Senderlaubnis
erteilt. Omega Experimental richtet sich vor allem an Jugendliche und
die ländliche Bevölkerung. Aleida Calleja, die Vertreterin von AMARC-
Mexiko sagte, dass die Erteilung von Genehmigungen an Basissender nur
eine Zwischenlösung sei. "Es gibt große Gesetzeslücken, die anderen
Gemeinden und Bevölkerungsgruppen den Zugriff auf diese Frequenzen
zum gemeinnützigen Gebrauch erschweren." Calleja kritisierte, dass
damit keine "objektiven und transparenten Kriterien" geschaffen
würden. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörden würde sich
einschränken, "die Behörden sind dem Willen der Politiker ausgesetzt
und verletzen somit den Rechtsstaat".






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