Die Drogen-Verleumdung gegen die Zapatistas
Von Al Giordano, NarcoNews 22. Juni 2005
Die schnellfeuerartige Abfolge von Kommuniques in den letzten Tage, die von irgendwo "in den Bergen des mexikanischen Südostens", von Subcomandante Marcos im Namen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) verfasst wurden, ganz besonders das Kommunique vom letzten Montag, das erklärte, dass die indigenen Rebellen von Chiapas einen Roten Alarm ausgerufen haben, hat verschiedene Akteure auf allen Seiten des Konflikts in höchster Anspannung versetzt.
Der Zapatistische "Rote Alarm" erfolgt nach einer massiven Umverteilung Mexikanischer Militärtruppen, die die 38 Autonome Bezirke und die ca. 1.111 Dörfer umzingeln, die sich selbst offen zur Rebellion und Selbst-Regierung mit den Zapatisten bekennen.
Die Truppenbewegungen in Chiapas stehen mit Präsident Vicente Fox' neue "Mexico Seguro" - "Sicheres Mexiko" (http://narcosphere.narconews.com/story/2005/6/14/104713/876) Simulation einer Anti-Drogen Kampagne in Verbindung. . .
Vielleicht befürchten die Militärkommandanten von Chiapas an einem Ort versetzt zu werden, der tatsächlich gefährlich für sie werden könnte, so wie Nuevo Laredo (wo Anfang des Monats eine militärische Fahrzeugkolonne von der örtlichen Polizei aufgelauert und unter Beschuss genommen wurde), und versuchen nun lediglich "beschäftigt auszusehen" um ihren Dauerurlaub dort unten im Süden des landschaftlich reizvollen Chiapas zu rechtfertigen. Und deshalb machte die Armee eine (nachweislich falsche) Behauptung, sie hätten letzte Woche auf Zapatistischem Gebiet einige Marijuanafelder entdeckt. Aus welchen Gründen auch immer, ist das Verhalten der Bewaffneten Streitkräfte in Chiapas in den letzten Tagen jedenfalls nach hinten losgegangen, und hat in Mexikos südlichster Grenzstaat zu eine Krise geführt.
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Wie Hermann Bellinghausen, möglicherweise der scharfsinnigste Reporter wenn es um die Zapatisten geht, in der Jornada vom 22. Juni berichtet, erfolgt der zapatistische Rote Alarm in einem Kontext von kürzlich erfolgten, schweren Truppenbewegungen um sie herum, und nachweislich falschen Behauptungen des Verteidigungsministeriums, laut denen angebliche Marijuanafelder auf zapatistischem Gebiet entdeckt worden wären.
Wie Bellinghausen zeigt, scheint der Verteidigungsminister sehr verwirrt zu sein, wenn es um die Geographie von Chiapas geht:
>>> "Die neuesten zapatistischen Verlautbarungen erfolgten im Kontext der außerordentlichen und der Öffentlichkeit gegenüber nicht erklärten Bewegungen der Bundesarmee, so wie die Repositionierung von Truppen in Chenalhó und der militärische Einmarsch in die Selva Lacandona, der von der Rancho Nuevo Basis erfolgte, mit "Spezial"-Convoys (ein Wort, das vorne und hinten an den Trucks dieser Convoys angebracht war), die Waffen und Hunderte Soldaten in großen Lastwagen und Allzweck-Fahrzeugen transportierten.
In den neulich erfolgten Presseerklärungen bezüglich ihren Anti-Drogen Operationen, führte das SEDENA (Ministerium für Nationale Verteidigung) die Namen dreier offizieller Bezirke auf, die innerhalb des rebellischen indigenen Gebietes liegen, aber den eigenen Angaben der Armee zufolge, nicht Teil der "Konfliktzone" sind oder unter "zapatistischen Einfluss" stehen.
Tatsächlich liegen die Dörfer von Tapilula, Pueblo Noevo Solistahuacán und Rayón (die drei Orte an denen Marijuanapflanzungen gefunden wurden) außerhalb der großen Schranke, die von der Bundesarmee seit 1995 rund um das indigene Gebiet von Chiapas aufrechterhalten wird. Es gibt dort nicht einmal Militärbasen, nur die Quartiere und Basen der Gerichts- und der örtlichen Polizei.
Darüber hinaus, liegen diese Bezirke nicht einmal im Hochlandgebiet (Los Altos) wie die Presseerklärung des SEDENA gestern Abend, nur Stunden nachdem die EZLN den Roten Alarm ausgerufen hatte, behauptete. Die Presseerklärung war die erste Reaktion der Bewaffneten Streitkräfte auf die Verlautbarung der Rebellen, obwohl die Militärbewegungen nach offizieller Version am 15. und 16. Juni ausgeführt wurden.
Die geographische Ungenauigkeit war so offensichtlich, dass die Staatsregierung von Chiapas gestern den Irrtum des Militärs berichtigen musste. Nein, sagte sie, diese Orte befinden sich nicht in Los Altos." <<<
Das Beunruhigende ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass das Verteidigungsministerium einen ehrlichen Fehler gemacht hat. Diese Dörfer liegen so weit außerhalb der zapatistschen Einflusszonen, dass es keinen Raum für Irrtümer offen lässt. Die Marijuanafelder wurden vielmehr nahe der Grenze zum Bundesstaat von Tabasco aufgefunden, am Fuß des berühmten El Chichonal Vulkans, der in den frühen 80er Jahren zum Ausbruch kam und einen Großteil der Region mit grünem Staub bedeckte (und wie Hanfpflanzer wissen, bietet vulkanische Asche einen äußerst fruchtbaren Boden für diese Art von Ernte dar).
Bellinghausen berichtete in den letzten 12 Jahren der zapatistischen Geschichte wiederholt, wie ehemalige Regierungen auf frischer Tat ertappt wurden, als sie Drogen nahe zapatistischen Gemeinden pflanzten, oder Video Spezialeffekte einsetzten um das Verbrennen einiger Drogenernten in die Nähe zapatistischer Orte rücken zu lassen. (zahlreiche andere Beispiele derartiger Narco-Simulationen sind NarcoNews' 10-teiligen Reihe "The Drug War in Chiapas" zu entnehmen http://www.narconews.com/chiapaspart1.html - siehe unten *) bei: )
Die nationale Friedenskommission COCOPA kauft diese Narco-Verleumdung auch nicht ab, so die La Jornada vom 22. Juni:
>>> "Senatoren und Abgeordnete stimmen darin überein, dass es unerlässlich ist, den angeblichen Marijuanafund in der Konfliktzone zu klären, da die vom Verteidigungsministerium gelieferten Details äußert unklar sind.
Für die COCOPA steht es eindeutig fest, dass es unmöglich irgendeine Verbindung zwischen der EZLN und dem Drogenhandel gibt. Wir wissen ebenfalls, dass die Aufgreifung von Marijuana, auf die sich das SEDENA bezog, nicht innerhalb der zapatistischen Einflusszone erfolgte." <<<
Die Fox-Regierung scheint in der Sache mit gespaltener Zunge zu sprechen, mit verschiedenen hohen Staatsbeamten, die sich gegenseitig widersprechen, so in dem El Financiero vom 22. Juni:
>>> Der Pressesekretär des Präsidentenbüros, Ruben Aguilar, sagte aus, es gäbe keinen Beweis für irgendeine Verbindung zwischen der EZLN und dem Drogenhandel. Aber Staatssekretär Luis Ernesto Derbez rief Subcomandante Marcos auf seine "Beziehungen zum Drogenhandel zu erklären". <<<
Die Tageszeitung El Universal zitiert Derbez - den neulich blamierten und besiegten Kandidaten für den Vorstand der Organisation Amerikanischer Staaten OAS - folgendermassen:
>>> "Ich denke es ist wichtig, dass dieser Mann uns eine Erklärung dafür liefert, weshalb in den Gebieten die er an sich gerissen hat, Drogen angebaut werden."<<<
Derbez gehört zu den hohen mexikanischen Staatsbeamten, die am stärksten von Washington kontrolliert werden. Genaugenommen ist das der Grund, weshalb er von der Organisation Amerikanischer Staaten abgewiesen wurde (siehe "Democracy Triple Play: Mexico to Ecuador to the OAS," Narco News, 1. May, 2005 - http://narconews.com/Issue37/article1277.html)
Das lange Zusammenspiel zwischen der Repression der Indigenas in Chiapas und einem falschen "Krieg gegen die Drogen", ist eins dieser ärgerlichen Sachen, über die nur wenige Mitspieler öffen reden möchten. . . . Der Krieg gegen die Drogen ist in den Hallen der mexikanischen Macht gegenwärtig der bevorzugte Vorwand des Monats. Die Fox-Regierung, die sich mittlerweile in ihrem letzten Regierungsjahr befindet, und unfähig gewesen ist auch nur eins der Probleme zu erledigen, die sie in "15 Minuten" zu lösen versprochen hatte - drückt immer stärker auf die Narco-Tube wenn es darum geht von anderen Klagen einer Öffentlichkeit abzulenken, die von allem genug hat. Und was tut eine Versagerregierung wenn die Illusion der Kontrolle um sie herum zerbröckelt? Im 21. Jahrhundert spielt sie die Narco-Karte aus.
Gestern erst, brachte Fox' Pressesekräter Ruben Aguilar eine bizarre und völlig unnötige Verleumdung gegen Mitglieder der Zivilgesellschaft in der nördlichen Grenzstadt von Nuevo Laredo vor, die gegen die Militarisierung ihrer Stadt durch die "Mexico Seguro" Operation protestiert hatten. Aguilar behauptete:
>>>"Es gibt Anzeichen dafür, dass einige der Bürger, die gegen die Operation demonstriert haben, besonders in Tamaulipas, in Nuevo Laredo, von organisierten Verbrecherbanden unterstützt, bezahlt und finanziert wurden."<<< (http://www.elsiglodedurango.com.mx/secca/nID/13045/)
Es sind potentiell gefährliche Zeiten, wenn Regierungsbeamte so verzweifelt darauf aus sind, Meinungsäußerungen zum Schweigen zu bringen, dass sie sie als kriminell bezeichnen. Deshalb rennen die mexikanischen Verteidigungs- und Innenminister herum wie Clowns und versuchen die Zapatisten zu narkotisieren, die, wie bereits oft berichtet, eine der wenigen politischen Kräfte in Mexiko sind, denen zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass sie keinerlei Beziehungen zum Narco unterhalten- Die Zapatistas untersagen in ihren Gemeinden strikt jeglichen Gebrauch, Anbau oder Handel mit jeder Art von Drogen, einschließlich Alkohol.
Die drogenfreien Zapatisten stehen jedoch im starken Kontrast zur Regierung, die sich gerade in einem weiteren blühenden Narco-Skandal an der Karibischen Küste verwickelt sieht, wo mexikanische Drogenschmuggler in diesem Frühling Hand in Hand mit den Fox- und Bush-Regierungen gearbeitet haben, um den internationalen Terroristen Luis Posada Carriles unbehelligt Zugang in die Vereinigten Staaten zu verschaffen (http://narconews.com/Issue38/article1354.html).
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(übs. von Dana)
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