LA JORNADA Montag 23. Mai 2005
* Tourismusbeauftragte Rosa Vacelis arbeitet mit Bestechungsmethoden
Noch vor dem Ökotourismusprojekt in Roberto Barrios Spaltung unter Tzeltales
* Vacelis zufolge soll der Plan den Campesinos zugute kommen, "so dass keiner mehr gezwungen ist, anderswo Arbeit zu suchen"
HERMANN BELLINGHAUSEN KORRESPONDENT
Roberto Barrios, Chiapas. 22 Mai. Das von der Regierung in diesem Dorf geplante "Ökotourismus"projekt zur kommerziellen Nutzung der bemerkenswerten Wasserfälle des Bascán-Flusses hat sich schon vor seinem eigentlichen Beginn zu einem gravierenden Problem für all seine Bewohner entwickelt. Das Projekt, das vor allem den PRI-Anhängern der Gruppe Paz y Justicia zugute kommen wird, stellt einen neuen Faktor der Teilung und der Ungleichheiten zwischen den Tzeltal-Familien unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeiten dar.
Die Junta der Guten Regierung (JGB) "Neuer Samen, der produzieren wird" und der autonome Verwaltungsbezirk "Die Arbeit" verweisen auf Rosa Vacelis, die Tourismusbeauftragte der Region Palenque, als Initiatorin einer Kampagne, die sich durch Druckausübung und "Überzeugungsarbeit" kennzeichnet und darauf abzielt, dass die Anwohner ihre Zustimmung geben, ihr Dorf in ein touristisches Badeziel zu verwandeln.
In der ersten Maihälfte besuchte die Tourismusbeauftragte Roberto Barrios mindestens drei Mal und verteilte Spielzeuge und Küchenwerkzeuge, spielte mit den Kindern und berief Versammlungen mit den Bewohnern des Dorfes, sowohl mit den PRI- als auch mit den PRD-Anhängern, ein, um ihnen die Idee "schmackhaft zu machen". Nach ihrer Abreise kam es unter den Bewohnern, die mit ihr Kontakt gehabt hatten, zu "Zusammenstößen und heftigen Diskussionen". Das berichten Zapatistas, die ebenfalls im Dorf wohnen und Zeugen des Geschehens wurden.
Die JGB aus dem Caracol "Das für alle spricht" meint: "Jetzt will die Regierung ein "dörfliches Zentrum" des Ökotourismus schaffen. Dabei folgt sie dem gleichen konterrevolutionären Prinzip wie zuvor, nur in neuer Verkleidung. Rosa Vacelis ist diejenige, die hier das Projekt vertritt."
Der autonome Rat des Bezirks "Die Arbeit" informierte die JGB darüber, dass die Tourismusbeauftragte Urkunden ausstellt, um das Projekt voranzutreiben, während sie gleichzeitig "Freundschafts"besuche abstattet und mit Geschenken und Versprechungen um sich wirft, "was Teil ihrer Manipulationsstrategie ist", so die zapatistischen Verantwortlichen.
"Der Ökotourismusplan ist ein Vorwand, um das Programm für die Zertifizierung Ejidaler Rechte (Procede) in das Dorf zu bringen, fügen sie hinzu. Die Beamte hat den Bau eines Hotels mit Cabaņas [Hütten], von Parkplätzen, Picknicktischen und Palapas, Restaurants und Geschäften angekündigt, "'so dass keiner mehr gezwungen ist, anderswo Arbeit zu suchen'. Jetzt können die Campesinos auf die Touristen warten."
Am 1. Mai besuchte Vacelis die offizielle Schule, um mit den Schülern den Kindertag zu feiern. Diese Schule allerdings stellte am selben Tag den Betrieb ein, da ihre Lehrer einen Streik begannen, der bis heute andauert," berichtet ein Mitglied der JGB, die das Problem erklärt. "Sie erschien mit Geschenken beladen, nahm die Kinder mit zu den begehrten Wasserfällen, "um Abfall einzusammeln" und ihnen etwas über ihre eigenen Wasserfälle zu erzählen. Danach bekamen die Kleineren Bälle geschenkt und konnten damit im Wasser spielen. Vacelis' Begleiter schenkten den Kindern Stifte und Schreibhefte und hängten bunte Luftballons und und Piņatas für sie auf.
Am 10. Mai fielen der Beauftragten die Mütter des Dorfes ein und sie kam, um mit Waschschüsseln und Geschirr zu feiern, das nicht einmal für alle ausreichte, was zu Problemen unter den PRI-Frauen führte. Die Tourismusbeauftragte kam dann noch einmal am 16. Mai zum Lehrertag, obwohl es gar keine Lehrer gab, und brachte noch mehr Geschirr und Eimer mit, um diejenigen zu besänftigen, die beim letzten Mal leer ausgegangen waren.
Neben diesen Bestechungsaktionen beruft Vacelis Versammlungen ein, auf denen sie die Vorzüge des Projektes erklärt. Dabei wird sie begleitet vom PRI-Anhänger und amtlichen Vertreter des Dorfes, Pedro Pérez Cruz, und dem Präsidenten des Projektes, Carlos Oleta López, in dessen Haus die Beauftragte und ihre Mitstreiter ein und aus gehen.
Selbst unter den PRI-Anhängern ist die Spaltung bemerkenswert. "Die Gegner des Projektes fordern, dass es eingestellt wird", so der Autonome Rat von "Die Arbeit", der sich offen und entschlossen gegen das Projekt ausspricht. "Wir wissen, dass sich die PRD-und PRI-Anhänger von den Mitgliedern von Paz y Justicia manipuliert fühlen, die das Projekt organisieren. Die Besuche der Tourismusbeauftragten bringen Anzeichen von Tod für die Dorfbewohner und die Fauna des Ortes."
Der Campesino Oleta López spricht in den Versammlungen der Tourismusbeauftragten treu nach dem Mund: "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", so seine Worte. "In Zukunft wird es hier vor Ort Arbeit für alle geben." Und laut Aussagen des Ejido-Vertreters Pérez Cruz bietet die Regierung zwei Alternativen, "staatlich kontrollierten Tourismus, und Tourismus, der in den Händen der Campesinos selbst liegt" (in diesem Fall in den Händen von Paz y Justicia, einer privilegierten Minderheit).
In anderen Gemeinden der Selva, wo die regionale und die Staatsregierung expansive Ökotourismus-Projekte zu Dutzenden entwickeln, stehen Spaltungen an der Tagesordnung, die ökonomischen Resultate jedoch sind spärlich. Von Agua Azul bis Web'iljá gehen die Konflikte innerhalb von Gemeinden mit der "touristischen Entwicklung" Hand in Hand.
Die zapatistische Junta von Roberto Barrios weist darauf hin, dass "die Fox-Regierung und die Regierung von Chiapas dabei sind, ein echtes Problem zu verursachen. Wir wissen, dass diejenigen, die tatsächlich von dem Projekt Nutzen ziehen werden, bereits Geld empfangen, aber wir wissen nicht wieviel."
Rosa Vacelis scheint Spezialistin auf diesem Gebiet zu sein; vor den Ejido [Gemeindeland]-Mitgliedern, die sie versammelt, brüstet sie sich mit ihrer mehr als zehnjährigen Erfahrung bei der Organisation von Tourismusprojekten in der Region. Mit ihrer entschlossenen Politik der "Überzeugungsarbeit" durch das Tourismusministerium versucht die Regierung, die Frauen und Kinder auf offensive und demütigende Art und Weise zu manipulieren.
"Selbst die PRI-Anhänger wissen, dass mit diesem Plan Drogen, schlechte Ideen und Prostitution einhergehen. Es ist ein Risiko für die Gemeinde, so sehen sie das. Wir Zapatistas werden nicht zulassen, dass der Gemeinde dieser Schaden zugefügt wird. Wir wissen, dass auch andere Ejido-Mitglieder dazu entschlossen sind, das zu verhindern. Sie wissen, dass sie keinen Nutzen daraus ziehen werden können, und das wird zu unserer Einigkeit beitragen", so die JGB.
Einigkeit würde dieser Gemeinde tatsächlich gut tun, die nach den Besuchen und Schritten des Friedensbeauftragten für Chiapas Luis H. Alvarez, des offiziellen Bezirkspräsidenten von Palenque, den Gesandten des Sekretariats für Soziale Entwicklung, Bildung und Tourismus und den Anführern der paramilitärischen Organisation Paz y Justicia systematisch gespalten ist.
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Übersetzung: Katja
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