Poonal Nr. 669 vom 17. Mai 2005

KRITIK AN GEPLANTER ENTSCHÄDIGUNG FÜR OPFER DES "SCHMUTZIGEN KRIEGES"

(Mexiko-Stadt, 10. Mai 2005, poonal).- Die von der Regierung eingesetzte Sonderstaatsanwaltschaft für die Aufklärung der Verbrechen gegen soziale und politische Bewegungen der Vergangenheit (Femossp) bereitet Entschädigungszahlungen für Familien und Opfer des "Schmutzigen Krieges" der Siebzigerjahre vor. Die Staatsanwaltschaft sieht vor, insgesamt 365.000 Pesos (ca. 26.000 Euro) für Opfer gewaltsamer Verschleppungen durch Militärs, 219.000 Pesos (ca. 16.000 Euro) für politische Häftlinge, 365.000 Pesos für Opfer von Verurteilungen und Hinrichtungen ohne ordentliches Gerichtsverfahren sowie weitere 365.000 Pesos für Opfer und Betroffene von Gewaltanwendungen, die unter Völkermord fallen, zu zahlen.

Die Sprecherin der Gruppe EUREKA Rosario Ibarra de Piedra erklärte, dass es völlig widersinnig sei, den Tod eines Kindes mit Geld aufwiegen zu wollen. Ibarra ist Mutter eines in den Siebzigerjahren verschwundenen linken Aktivisten, EUREKA kümmert sich um die Aufklärung der betreffenden Fälle. Raúl Alvarez Garín vom "Comité 68" bekräftigte, dass "der Staat nicht ohne einen zwingenden Richterspruch diese Wiedergutmachung leisten kann".

Die Organisation HIJOS gab ihrerseits in einer Pressemitteilung bekannt, dass sie die Verschwundenen nicht für tot erklären werde, indem sie die Zahlungen annehme. Weiterhin betont die Organisation, dass sie Wiedergutmachungsversuche mit Geld nicht akzeptiere, da ihr Anliegen die Aufdeckung der Wahrheit sei. Demnach müsse für Gerechtigkeit gesorgt und nicht versucht werden, die Opfer mit Geld aufzuwiegen.


ZWEI NEUE SENDELIZENZEN FÜR BASISRADIOS

(Mexiko-Stadt, 11. Mai 2005, recosur-poonal).- Das Ministerium für Kommunikation und Transport erteilte am 22. April bzw. am 3. Mai zwei weitere mexikanischen Basisradios eine Sendeerlaubnis. Das betrifft "Radio Calenda La Voz del Valle" im Bundesstaat Oaxaca und "Voladora Communicación A.C." in Amecameca nahe Mexiko-Stadt im Bundesstaat Mexiko.

Radio Calenda richtet sich vor allem an die zapotekische Bevölkerung in der Valles-Region. Der Sender hat sich zum Ziel gesetzt, die Hörerschaft über die sinnvolle Verwendung des knappen Wassers zu beraten, sie über ihre Rechte bei Themen der Fortpflanzung und Sexualität sowie über ihre Menschenrechte zu informieren und sie nicht zuletzt bei der Stärkung ihre ethnischen und kulturellen Identität zu unterstützen. Das Basisradio La Voladora entstand zunächst aus der Notwendigkeit, die am Fuß des Popocatepétl-Vulkans liegenden Siedlungen und Gemeinden nach einem Ausbruch täglich über die neueste Entwicklungen des Vulkans zu informieren.

Aufgrund der intensiven Bemühungen des Weltverbandes der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias) sowie anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen und dank der Unterstützung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und deren Referat für die Presse- und Meinungsfreiheit hat das Ministerium mittlerweile neun solcher Lizenzen an Basisradios vergeben. Die weiteren Sendegenehmigungen erhielten: Radio Jen Poj in Santa María Tlahuitoltepec (Oaxaca), Radio Nandía in Mazatlán Villa de Flores (Oaxaca), Uandárhi in Uruapan (Michoacán), Radio Erandi in Tangancícuaro (Michoacán), Cultural FM in Tepalcatepec (Michoacán), Radio Huayacocotla (Veracruz) und Ecos de Manantlán in Zapotitlán de Vadillo (Jalisco).

Auf gesetzlicher Ebene gibt es dennoch bis heute in Mexiko keine Grundlage für die alternativen Sender. Deshalb stellt für AMARC- Mexiko, die Mexikanische Kommission zur Wahrung und Stärkung der Menschenrechte CMDPDH und das Menschenrechtszentrum Miguel Augustín Pro "eine Vergabe von Lizenzen auch an die restlichen Basisradios, die mit ihrer Ausstrahlung lediglich ihre Grundrechte im Rahmen des Gesetzes ausüben, nur eine kurzfristige Lösung dar. Denn eine grundsätzliche Lösung kann nur darin bestehen, einen juristischen Rahmen dafür zu finden, dass den Bürgern und Bürgerinnen umfassende Garantien bei der Ausübung ihrer Ausdrucksfreiheit mittels des Radios zugesichert werden."

Dafür sei es außerdem "notwendig, eine tiefgreifende Reform des Mediengesetzes einzuleiten, durch die öffentliche und transparente Kriterien zum Zugang zu Radiofrequenzen geschaffen werden auf der Basis von Gleichheit und Gerechtigkeit. Die Reform soll Schluss machen mit der willkürlichen Praxis der Präsidentenentscheidung und Bedingungen schaffen, die eine langfristige würdevolle und eine soziale und wirtschaftliche Selbständigkeit der Basisradios ermöglichen, ohne Ausschlussmechanismen in Bezug auf die Entwicklung und das Wachsen solcher Projekte."


AUTONOMES JUGENDCAMP IM BUNDESSTAAT OAXACA

Von Nils Brock

(Mexiko-Stadt, 16. Mai 2005, poonal).- Vom 5. bis zum 8. Mai fand in der Gemeinde Soledad in Oaxaca, einem Bundesstaat im Süden Mexikos das "Erste Autonome Jungendcamp" Mexikos statt. Eingeladen hatten die indigene Organisation "Ricardo Flores Magón" aus Oaxaca" (CIPO-RFM) und die Antiautoritäre Revolutionäre Jugend (JAR) aus Mexiko Stadt. Die Idee war, während vier Tagen ein Stück Land in den Bergen zu besetzen und zusammen mit den Bewohnern von sechs anliegenden Dörfern einen "rebellischen Dialog" (Programm der Veranstalter) zu etablieren. Viele Gruppen der undogmatischen Linken Mexikos setzen sich in letzter Zeit verstärkt mit autonomen Ideen auseinander und wollten im Jugendcamp auf praktische Weise erproben "wie sich gesellschaftliche Ausschlüsse auf kreative Weise in selbstverwaltete Lebensalternativen umwandeln lassen."

Die fast 600 Teilnehmenden des Jugendcamps, Gruppen aus über 15 mexikanischen Bundesstaaten aber auch weitere Organisationen aus Lateinamerika, USA und Europa, brachten zu den Workshops und Diskussionsrunden recht unterschiedliche Vorstellungen von Autonomie und Selbstbestimmung mit, was nicht zuletzt die breit gestreuten politischen und sozialen Hintergründe der Angereisten widerspiegelte: Punks, Studies, Hausbesetzer, ökologische Esoteriker, Indígena- Organisationen, Tierschützer, katholische Basiskirchenvertreter, Anarchisten, Radiophile, Grafiteros und in der CIPO-RFM organisierte "Magonisten" - um nur einige zu nennen. Während die einen die Subsistenzwirtschaft des ländlichen Mexikos als wichtige Praxis der Selbstversorgung anpriesen, sehen sich andere urbane Gruppen eher als Nachfolger der deutschen Autonomenszene der 80er Jahre.

In den Workshops widmete man sich neben Strategien für die Besetzung urbaner Räume auch Themen wie "nachhaltige Landwirtschaft", um die Bewohner der anliegenden Gemeinden mit einzubeziehen. Außerdem wurden die technischen Voraussetzungen für ein freies Lokalradio "Radio Guetza" geschaffen. Da viele Bauern aus der Gegend den Übergriffen von Paramilitärs ausgesetzt sind, beschlossen die Teilnehmer des Jugendcamps sich künftig gemeinsam für die politischen Gefangenen der Indígena-Organisationen CIPO und COMPAS aus den Bundesstaaten Oaxaca und Guererro einzusetzen. Das autonome Treffen endete mit einer spontanen Demonstration vor dem Redaktionssitz der Lokalzeitung "Noticias" in Oaxaca-Stadt. Die Redakteure wurden aufgefordert künftig ausführlicher über die Repression gegen die ländliche Bevölkerung zu berichten.

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