Der Weg ist frei

Der Konflikt um López Obrador in Mexiko

Wolf-Dieter Vogel
9. Mai 2005

Steht der nächste Präsident Mexikos bereits fest? Nachdem Staatschef Vicente Fox in der vergangenen Woche im Kampf gegen Andrés Manuel López Obrador einen Rückzieher gemacht hat, wird der gemäßigt linke Bürgermeister von Mexiko-Stadt bereits als Sieger bei den Wahlen im Juli 2006 gehandelt. Und dafür sind nicht zuletzt seine Gegner verantwortlich.

Seit fast einem Jahr versuchen Präsident Fox, dessen konservative Partei der Nationalen Aktion (Pan) und die ehemalige Staatspartei der Institutionellen Revolution (Pri) López Obrador mit Hilfe eines Verwaltungsverfahrens den Weg ins oberste Staatsamt zu versperren. Der Bürgermeister hatte im Widerspruch zu einem Gerichtsbeschluss einen Zufahrtsweg weiterbauen lassen. Sollte er dafür verurteilt werden oder auch nur der Prozess noch laufen, darf er nicht als Präsidentschaftskandidat antreten.

Um den Prozess zu ermöglichen, hob das von einer Pri- und Pan-Mehrheit dominerte Bundesparlament Anfang April die Immunität des Politikers der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) auf. Daraufhin wuchs die ohnehin große Unterstützung für ihn noch weiter. Über eine Million Menschen kam zu einem Schweigemarsch ins Zentrum der Metropole. Drei Tage später musste Fox seinen Generalstaatsanwalt entlassen und erklären: »Meine Partei will niemanden an der Teilnahme an den kommenden Wahlen hindern.«

Dieses Nachgeben ist vor allem ein Erfolg im Kampf für die Abhaltung demokratischer Wahlen. Denn die Befürchtung, dass die Pri- und Pan-Eliten einen Kandidaten mit allen Mitteln zur Strecke bringen, ist nahe liegend. Der Sieg eines linken Präsidentschaftsanwärters wurde 1988 durch Wahlbetrug verhindert, und noch heute werden missliebige Politiker ermordet. Dass die Regierung ausgerechnet mit der konsequenten Verfolgung eines Verwaltungsvergehens die Rechtsstaatlichkeit des Landes beweisen will, ist lächerlich. Würde man die illegale Finanzierung der Pri und der Pan oder deren Verbindungen zu Drogengeschäften strafrechtlich verfolgen, dürften die wenigsten Parteigrößen ihr Leben außerhalb des Gefängnisses verbringen.

Vor allem die Angst, nach mehr als vier Jahren wirtschaftsliberaler Fox-Regierung auch noch in die alten korporatistisch-autoritären Strukturen der 71jährigen Herrschaft der Pri zurückzufallen, hat die Menschen auf die Straße getrieben. Zudem hat López Obrador viele Sympathien erworben, weil er eine zumindest zaghafte Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums befürwortet.

Doch auch der PRD-Politiker hat seine Wurzeln in der Pri, daran erinnern seine Fähigkeit, gesellschaftliche Verbände gezielt gegen den Gegner in Anschlag zu bringen, und sein autoritäres Auftreten in den eigenen Reihen. Auch mit dem oft in populistischer Weise attackierten Kapital kooperiert López Obrador in der Praxis. Mit Hilfe des Multimillionärs Carlos Slim ließ er das historische Zentrum der Metropole auf Vordermann bringen, und der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani soll mit seinem »Null-Toleranz«-Programm dafür sorgen, dass die herausgeputzten Gassen von räuberischem Gesindel freigehalten werden.

Grund genug also zur Skepsis. In der Hoffnung, dass López Obrador zum Präsidenten gekürt wird, erarbeiten gewerkschaftliche, bäuerliche und andere soziale Organisationen Konzepte, um ihn zu einer radikaleren Politik zu zwingen. Schließlich waren sie es, die das Regime in die Knie gezwungen haben. Sie wollen López Obrador nun wissen lassen, dass die Parole seiner Unterstützer von zwei Seiten betrachtet werden kann: »Du bist nicht allein.«


Quelle: Jungle World no.18 vom 4. Mai 2005


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