JUNGE WELT 05.04.2005
Ausland
Adrian Reyes (IPS)
PEMEX in Turbulenzen
Mexiko: Staatliche Ölfirma trotz Rekordpreisen am Weltmarkt in
wirtschaftlicher Existenz bedroht. Ein gewaltiger Schuldenberg und hohe
Steuern drücken den Konzern
Die staatliche mexikanische Ölfirma PEMEX steckt trotz internationaler
Ölpreise von über 50 US-Dollar pro Barrel in einer schweren Krise, die sie
binnen zehn Jahren ins Aus manövrieren könnte. Zurückgeführt wird das Drama
des 1938 unter der Regierung von Lazaro Cardenas nationalisierten
Unternehmens auf einen Schuldenberg von 86 Milliarden US-Dollar und eine
Steuerbelastung, die 60 Prozent der Einnahmen verschlingt. Eduardo Andrade,
Präsident der mexikanischen Sektion der International Association for Energy
Economics (AMEE), sieht schwarz für PEMEX, wenn die Steuerlast nicht gesenkt
wird und das Unternehmen so die Möglichkeit zur Reinvestition seiner Gewinne
erhält. »Sollte sich das nicht ändern, wird Mexiko bis 2015 kein Öl mehr
fördern und in die Abhängigkeit von Importen geraten.« PEMEX brauche schon
für die steigenden Operationskosten größere Finanzmittel.
Nach dem vierten Jahresbericht der mexikanischen Regierung unter
Staatspräsident Vicente Fox ist die Ölindustrie nach wie vor der wichtigste
Devisenbringer des lateinamerikanischen Landes. Ölexporte haben einen Anteil
von 23,6 Prozent an der gesamten Ausfuhr. Es folgen Ölprodukte mit 13,8
Prozent, Erzeugnisse der Fertigungsindustrie mit 13,6 Prozent und Agrargüter
mit 12,5 Prozent.
PEMEX hat aus Exporten von Öl- und Ölprodukten im letzten Jahr 21,23
Milliarden US-Dollar eingenommen, 19 Milliarden Dollar davon durch Verkäufe
an andere amerikanische Staaten, von denen die USA der größte Abnehmer sind.
1,86 Milliarden Dollar kamen aus Europa, der Rest aus Ostasien. Insgesamt
hat der Staatskonzern seine Verkäufe zwischen 2003 und 2004 um 18 Prozent
erhöhen können. Doch das Öl wird knapp. 2003 hatten die nachgewiesenen
Förderreserven eine Größenordnung von 18,9 Milliarden Barrel, Ende 2004
waren es 17,65 Milliarden Barrel. Dies reicht, um die heimische Nachfrage
für etwa zehn Jahre zu decken. Die geschätzten und nachgewiesenen Reserven
zusammen wurden 2003 mit 48 Milliarden Barrel angegeben, im letzten Jahr mit
46,9 Milliarden Barrel. Allerdings werden im Golf von Mexiko weitere Öllager
vermutet, die sich auf 54 Milliarden Barrel belaufen sollen und damit einen
Wert von über 300 MilliardenDollar haben.
Keine Privatisierung
Auch PEMEX-Direktor Luis Martínez Corzo ist alles andere als erfreut über
die Lage des Unternehmens. Er hat das Finanzministerium und den Kongreß
aufgefordert, den Konzern zu stabilisieren, ohne es aus der staatlichen
Kontrolle zu entlassen. Sorgen macht ihm neben der Tatsache, daß keine
andere Ölfirma der Welt so hoch besteuert wird wie PEMEX, vor allem, daß ihm
die Mittel, die Technologie und die Partner fehlen, die Reserven im Golf von
Mexiko auszubeuten.
Diesbezügliche Warnungen kommen auch aus dem Energieministerium. Nach
Angaben eines Sprechers müssen die Investitionen in die Ölindustrie von den
gegenwärtigen neun auf 20 Milliarden Dollar aufgestockt werden, wenn Mexiko
seine Produktion aufrechterhalten und nicht in Abhängigkeit von anderen
Staaten geraten will.
Staatspräsident Fox hat bei Amtsübernahme im Jahre 2000 zugesagt, PEMEX als
Staatsbetrieb zu erhalten, schon im ersten Jahr seiner Präsidentschaft aber
eine Serie von Reformen vorgeschlagen, die auf eine Öffnung der Ölfirma für
die Privatwirtschaft zielten. Gescheitert ist das Vorhaben an den
Oppositionsparteien, die im Kongreß die Mehrheit halten. Sie sind der
Auffassung, daß weniger eine Liberalisierung Not tut als vielmehr eine
andere Form der Besteuerung. »Der Kongreß ist nicht gegen eine bessere
finanzielle Ausstattung von PEMEX, und es gibt sehr wohl Mittel, die dies
ermöglichen, ohne daß der Staat seine Kontrolle aufgeben muß«, sagte in
einem Gespräch mit IPS Francisco Javier Carillo, Mitglied der
Energiekommission des Abgeordnetenhauses und der oppositionellen Partei der
Demokratischen Revolution (PRD). Er verlange von der Fox-Administration
zuallererst, daß sie aufhöre, PEMEX als Finanzier von Regierungsprogrammen
zu mißbrauchen. Derzeit werden diese Programme zu etwa 75 Prozent aus
Geldern des Erdölkonzerns bestritten. Nach Auffassung von Carillo sollte die
Regierung die Rohölexporte herunterfahren und mehr Gewicht auf die
Raffinierung und die Petrochemie legen. Vorbildhaft erscheint
demAbgeordneten die brasilianische Politik für das dortige Staatsunternehmen
PETROBRAS.
Marodes Pipelinenetz
Carillo zufolge zeitigt die PEMEX-Krise bereits erste Folgen. Wie er
betonte, wird die Produktion im größten mexikanischen Ölfeld »Cantarell«
bald einbrechen, ohne daß genügend Mittel zur Finanzierung weiterer
Explorationen zur Verfügung stünden. Hinzu kommen Strafgelder für Unfälle im
maroden Pipelinenetz, die sich allein während der Regierungzeit von Fox auf
fast fünf Millionen Dollar belaufen.
Die hohe steuerliche Belastung, die PEMEX in die Knie zu zwingen droht, ist
jedoch ein Relikt aus Zeiten der Regierung durch die Partei der
Institutionalisierten Revolution (PRI), die in Mexiko über sieben Jahrzehnte
bis zur Wahl von Fox und seiner Partei der Nationalen Aktion (PAN) das Sagen
hatte.
* www.iaee.org/de/affiliates/mexico. aspx?ID=20
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