Indigene Autonomie wächst außerhalb von Chiapas

Michoacán/Mexiko: Sechs Gemeinden deklarieren "autonomen zapatistischen Landkreis" - 1000 Kilometer entfernt von Chiapas

In Mexiko setzt die indigene Bevölkerung ihre Autonomieprojekte fort. Nach übereinstimmenden Meldungen verschiedener mexikanischer Medien haben sechs Gemeinden im Bundesstaat Michoacán am 4. März die offizielle Anerkennung ihres "autonomen zapatistischen Landkreises" gefordert, den sie am 1. Januar 2005 zeitgleich mit dem 11. Jahrestag des Aufstands der EZLN in Chiapas ausgerufen hatten.

Der Tageszeitung "El Universal" zufolge wandten sich die Sprecher der Gemeinde Nurío, Juan Torres Lázaro und Isidro Zacarías, mit ihren Forderungen an Enrique Bautista, den Regierungsminister des am Pazifik gelegenen zentralmexikanischen Bundesstaates. "Nurío strebt danach, dass die föderalen und bundesstaatlichen Ressourcen direkt an die Gemeinde fließen und dort von einem Rat verwaltet werden, den die Versammlung zu diesem Zweck bestimmt hat. Er wird mit kollektiver Entscheidungsfindung arbeiten, als Symbol für Demokratie und Gerechtigkeit".
Nurío war bereits im März 2001 in die Schlagzeilen geraten, als die Kommandantur der zapatistischen Befreiungsarmee EZLN dort während ihrer Karawane für die Rechte der Indígenas am dritten "Nationalen Indigenen Kongress" (CNI), dem einzig unabhängigen mexikoweiten Gremium der 56 indigenen Bevölkerungsgruppen, teilnahm.
Gemeindebewohner Octavio Castillo begründete die Entscheidung für die Autonomie damit, dass "sich keine Regierung so um die Gemeinde gekümmert hat, wie es geplant war. Sie haben die Bevölkerung nur benutzt, um im Namen der Gemeinschaft Ressourcen zu plündern". Die politischen Institutionen seien zur Gemeinde gekommen, um sich als Parteien zu bereichern und nicht, um die BewohnerInnen zu unterstützen.

Nach Angaben der linken Tageszeitung La Jornada vom 5. März ist noch unklar, wie sich der Autonomieprozess entwickelt, in dem sich sowohl enttäuschte AnhängerInnen der sozialdemokratischen PRD als auch radikalere Kräfte aus dem CNI-Umfeld als Protagonisten engagieren. Letztere fürchten, dass eine "Hau-ruck"-Autonomie in den Nachwirren der umstrittenen Wahl vom vergangenen November nicht weit genug gehen könnte und stehen für die zapatistischen Prinzipien.

Mindestens sechs Gemeinden aus dem offiziellen Bezirk Paracho wollen eine Parallelstruktur zur neuen Landkreisregierung von Medardo Alejo aufbauen. Alejo gehört der Institutionellen Revolutionären Partei PRI an, die Mexiko 71 Jahre lang regierte, für Repression und Korruption bekannt ist und weiterhin über erheblichen Einfluss verfügt. Die rebellischen Purépecha-Indígenas wollen die bundesstaatliche PRD-Regierung bis auf weiteres tolerieren.

Nach Angaben der Organisation "Nación Purépecha" fordern mindestens 25 indigene Gemeinden in Michoacán ihr Recht auf Selbstverwaltung. Aktivist Abundio Marcos erinnerte am 4. März in der Zeitung "El Cambio" an das Versprechen des Gouverneurs Lázaro Cárdenas (PRD), dass die Indígena-Gesetzgebung in Michocán die fortschrittlichste das Landes werden solle. Cárdenas hatte im Wahlkampf zugesagt, die Abkommen von San Andrés über indigene Rechte, die 1996 von EZLN und Regierung unterzeichnet worden waren, respektieren zu wollen. Die Abkommen, die seitdem von keiner Regierung umgesetzt wurden, garantieren den Indígenas die Selbstverwaltung ihrer Ländereien, Medien, Ressourcen und Bodenschätze und orientieren sich an der Konvention 169 der ILO, die Mexiko bereits 1990 unterzeichnet hatte.

Die Hochburg der Indígena-Bewegung liegt weiterhin in Chiapas, dort sind mehrere Hunderttausend Menschen in 30 autonomen Landkreisen organisiert, wobei der Soziologe Onesimo Hidalgo vom Forschungszentrum CIEPAC aus San Cristóbal im Gespräch davon ausging, dass rund 10 weitere existieren und aus Sicherheitsgründen verdeckt operieren. Die zapatistischen Landkreise akzeptierten allerdings keinerlei Zuwendungen vom Staat.

Dass das indigene Konzept von Basisdemokratie und kollektiver Ressourcennutzung dem parteiübergreifenden politischen Mainstream diametral gegenübersteht, zeigte sich am vergangenen Wochenende: Dort traf die PRI die Entscheidung, die bisher noch mehrheitlich staatlichen Sektoren Öl und Elektrizität für privates Kapital zu öffnen. Dieser historischen Kehrtwende in Richtung vorrevolutionärer Zeiten applaudierte die Partei der Nationalen Aktion (PAN) des amtierenden Präsidenten Vicente Fox stante pede.

Gruppe B.A.S.T.A., 7.3.2005



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