Getarnte Ausbeutung in Mexiko
Entwicklungszusammenarbeit im Interesse privater Investoren
In der Entwicklungszusammenarbeit treffen zwangsläufig Interessen der Geberländer auf Interessen der Empfängerländer. Eine neue Studie der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie untersuchte die europäische und deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko und Zentralamerika. Über die Ergebnisse der Studie sprach für ND Luz Kerkeling mit Klaus Pedersen, Agrarbiologe, Journalist und Mitarbeiter der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie.
* In einer neuen Studie werden deutliche Vorwürfe gegen die europäische Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko und Zentralamerika erhoben. Worum handelt es sich?
Die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) Westeuropas stellt meist eine verkappte Investitionsvorbereitung für Unternehmen dar. Allein eine kritische Analyse des Internet- Außenwirtschaftsportals "iXPOS" legt dies offen. Mit der EZ werden Rahmenbedingungen für Investoren geschaffen, in Zeiten knapper öffentlicher Budgets am liebsten mit ihnen zusammen, das nennt sich dann "Private Public Partnership" (Öffentlich-Private-Partnerschaft). Falls erforderlich, arbeitet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) selbst mit dem Verteidigungsministerium direkt zusammen. Diese "Zivil-Militärische- Zusammenarbeit" kam erst unter der Schröder-Regierung richtig in Gang.
* Auch in Zentralamerika?
Nein. Mexiko und Mittelamerika sind zu weit weg vom Hindukusch, dort läuft das Ganze subtiler ab. Zum Teil geht es auch um andere Dinge. In einer Zeit, wo Gene zu "geistigem Eigentum" werden, ist Biodiversität dessen materielle Grundlage. In Mittelamerika geht die Biodiversität oder Artenvielfalt bereits in rasantem Ausmaß verloren. Insofern dienen Projekte zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in erster Linie der langfristigen Sicherung der materiellen Grundlagen der Biotech- und Pharmaindustrie, schließlich drängen sich im "Mittelamerikanischen Biologischen Korridor" auf 0,5 Prozent der globalen Landfläche 17 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten zusammen.
* Welche Probleme ergeben sich durch den Verlust der Artenvielfalt?
Wenn sich die Abholzung im jetzigen Tempo fortsetzt, wird der Wald in Südmexiko, Guatemala und Honduras in zehn Jahren verschwunden sein. Das wird dramatische ökologische und soziale Folgen haben. Mit Geldern von EU, BMZ und Weltbank versucht man dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, allerdings unter bewusster Ignorierung der tatsächlichen Ursache: einer extrem ungerechten Landverteilung in der Region. Hinter "Nachhaltigkeit" verbirgt sich in Wirklichkeit "Naturschutz ohne Menschen".
* Welches Interesse steckt hinter "Naturschutz ohne Menschen"?
Es drängt sich der Gedanke auf, dass mit den EZ-Mitteln versucht wird, einander widersprechende Kapitalinteressen - teils naturzerstörende, teils auf Biodiversität angewiesene - zu bedienen, verbunden mit dem übergeordneten Ziel, subsistenzwirtschaftlich lebende Bevölkerungsteile in die Marktökonomie zu zwingen. Dies führt zu weiteren Konflikten, denn große Teile der oppositionellen Bewegungen dieser Region haben ihre soziale Basis in Subsistenzgemeinden.
* Das trifft auch auf die Zapatistische Bewegung im mexikanischen Chiapas zu. Wie läuft es dort mit der Entwicklungszusammenarbeit?
Im Fall von Chiapas versucht man neuerdings mit Hilfe eines 31 Millionen-Euro ? "Entwicklungs"- Projekts den Widerstand aufzuweichen. 15 Millionen k?ommen von der EU. Die deutsche "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) hatte sich um den Zuschlag bemüht, den dann allerdings die spanische Firma EPTISA erhielt. Nach einhelliger Einschätzung der befragten chiapanekischen Nichtregierungsorganisationen (NRO), einschließlich kirchlicher Menschenrechtsorganisationen, ist es ein Programm zur Aufstandsbekämpfung, das die herrschenden sozialen Klüfte weiter vertiefen wird.
* Wie reagieren die Zapatisten darauf?
Die Zapatistas sind seit elf Jahren ein Hindernis bei der Durchsetzung neoliberaler Konzepte auf diesem Teil der Erde, zum einen durch ihre physische Präsenz und zum anderen dadurch, dass sie den sozialen Widerstand dort (und weltweit) inspiriert haben. Die Zapatistas lehnen Regierungsgelder ab und sind dadurch auch für die EZ unzugänglich. und ökonomischen Konzepts beschäftigt - eines ihrer Ziele könnte als "Subsistenzwirtschaft ohne Marginalisierung" bezeichnet werden. Das steht der Privatisierung der zahlreichen biologischen Ressourcen dieser Region im Weg.
* Was kritisieren und fordern die sozialen Bewegungen im Kontext der Biopiraterie, das heißt der unrechtmäßigen Aneignung von natürlichen Rohstoffen und traditionellem Wissen der lokalen Bevölkerungsgruppen?
"Bioprospektion", das heißt die systematische Erfassung "interessanter " biologischer Arten und des darüber vorhandenen traditionellen Wissens (zum Beispiel ihre Verwendbarkeit als Heilmittel) ist der erste Schritt zur Biopiraterie, zu ihrer privaten Aneignung, die durch das im Januar 2005 auch für viele arme Länder gültige Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über handelsbezogene geistige Eigentumsrechte (TRIPS) noch umfassender möglich sein wird. Die sozialen und indigenen Organisationen, die sich in Chiapas schon drei Mal zu einer "Woche der kulturellen und biologischen Vielfalt" getroffen haben, vertreten die Ansicht, dass die Schätze der Natur erhalten werden sollen, aber nicht um sie zu privatisieren, sondern damit sie allen zur Verfügung stehen. Bereits in der Deklaration der ersten "Woche" im Juni 2001 erklärten die 171 teilnehmenden Organisationen aus 16 Ländern, dass sie Patente auf Leben, gentechnisch veränderte Sorten sowie Projekte zur Ausbeutung des (mittelamerikanischen) Biologischen Korridors ablehnen. Doch bis jetzt fehlen die gesellschaftlichen Voraussetzungen, die eine Privatisierung der Biodiversität verhindern.
Die Studie "Qué pasa? Entwicklungszusammenarbeit, Biopiraterie und Aufstandsbekämpfung." ist erhältlich bei:
Infoladen Bankrott, Dahlweg 64, 48153 Münster (2,- Euro plus 1,44 Porto / WiederverkäuferInnen erhalten Rabatt) oder unter bankrott@free.de.
Quelle: Neues Deutschland / Nord-Süd-Forum 18.1.2005
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