Poonal Nr. 644 vom 27. Oktober 2004
MEXIKO
Indígenas erkämpfen mit Frauenheer Zugeständnisse von der Regierung
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 18. Oktober 2004, npl).- Mitte September waren es die
Mazahua-Indios im nahe der Hauptstadt Mexiko-City liegenden Landkreis
Villa de Allende endgültig leid. Ein Jahr lang hatten
Umweltministerium und die Nationale Wasserbehörde CONAGUA
Entschädigungsforderungen wegen der zeitweisen Überflutung von 300
Hektar landwirtschaftlich genutzter Flächen geflissentlich überhört.
Der Schaden war durch das Überlaufen des Stauwerks Villa Victoria
entstanden. Die Mazahuas blockierten kurzerhand einen mit 12.000
Liter Chlor beladenen Tankwagen. Er war für die ebenfalls in der
Mazahua-Region angesiedelte Trinkwasseraufbereitungsanlage Los Berros
bestimmt - die größte in ganz Mexiko und unabkömmlich für die
Wasserversorgung der Hauptstadtbewohner.
Von der Anfang der Achtzigerjahre gebauten Anlage Los Berros werden
pro Sekunde etwa 16.000 Liter Trinkwasser Richtung Mexiko City
gepumpt. Dagegen warten mehrere Gemeinden aus Villa de Allende seit
Jahrzehnten auf einen Anschluss ans Trinkwassernetz. Die Mazahuas
beschränken sich darum nicht darauf, eine Entschädigung einzuklagen.
Schneller Bau der Wasserleitungen in ihre Gemeinden, Unterstützung
für ökologisch nachhaltige Projekte in ihrer Region, ein breit
angelegtes Wiederaufforstungsprogramm eingeschlossen, gehören ebenso
in den Forderungskatalog.
Als die Verhandlungen mit Regierungsvertretern nur schleppend in Gang
kamen, schoben die Mazahuas nach. Vor Los Berros schlugen sie ein
Lager auf. Medienwirksam gründeten etwa 60 Mazahua-Frauen das
Zapatistische Frauenheer zur Verteidigung des Wassers. Mit Stöcken,
Macheten und einigen Holzgewehren demonstrierten sie
Entschlossenheit. Revolutionsheld "Emiliano Zapata kämpfte für Land
und Freiheit, wir kämpfen für Wasser und Fortschritt mit Würde", so
eine ihrer "Comandantas". Andere Frauen erinnerten an "unsere
Geschwister", die aufständischen Zapatisten im Bundesstaat Chiapas.
Mehrere Mazahua-Bauern warfen sich an Händen und Füßen gefesselt in
einen der von Los Berros wegführenden Wasserkanäle. Nur ein
symbolischer Akt, doch die Indigenas drohten, dies mit hundert
Personen zu wiederholen und sich in den Kanälen verbluten zu lassen,
"damit das in den Bundesdistrikt geschickte Wasser mit unserem Blut
ankommt. Wir geben das Leben für das, was uns gehört: das Land und
das Wasser dieser Region". Protestdemonstrationen vor der Residenz
des Präsidenten und dem Sitz des Kongresses in der Hauptstadt
rundeten die Aktionen ab. Die Medienresonanz war groß.
Auf einmal konnten die staatlichen Autoritäten schnell reagieren. Wie
von den Mazahuas verlangt, bewegte sich Umweltminister Alberto
Cárdenas persönlich zu ihrem Protestcamp. Gegenüber der Presse sprach
er zwar nur von einem "Brennpünktchen", doch erkannte er die
Legitimität der Mazahua-Forderungen weitgehend an. Die ihm
unterstellte CONAGUA sieht sich jetzt in der Lage, die
Trinkwasserversorgung in allen Gemeinden von Villa de Allende
innerhalb weniger Monate sicher zu stellen und auch die
Entschädigungssumme von umgerechnet etwa 140.000 Euro zu zahlen. In
den kommenden Tagen soll das Verhandlungsergebnis offizialisiert
werden. Einbezogen sind auch Landwirtschafts- und Innenministerium.
Das Einlenken der staatlichen Stellen kommt nicht von ungefähr. Zwar
sind die Wasservorkommen in Mexiko theoretisch ausreichend für die
gesamte Bevölkerung. Doch der offizielle Slogan "Wasser für immer,
Wasser für alle" zeichnet ein falsches Bild. Schlechte Wasserqualität
oder ein völlig fehlender Anschluss an das Wassernetz sind vor allem
auf dem Land nicht ungewöhnlich. CONAGUA-Direktor Cristóbal Jaime
Jáquez gibt selber "irrationale Nutzung und schlechte Verteilung" zu.
Und er ist informiert über die "teils sogar gewalttätigen
Auseinandersetzungen um das Wasser". Nichts könnte der Regierung
ungelegener kommen, als dem Kampf der Mazahuas um ihr Wasser
angesichts landesweit schwelender Wasserkonflikte dauerhaft
überregionale Bedeutung zu verleihen. Der Protest könnte
überschwappen. Und Mexiko will sich im März 2006 als guter Gastgeber
des nächsten Weltwasserforums profilieren. Nicht als eines der
Problemländer.
Die Mazahuas haben unterdessen ihr bestehendes Misstrauen gegenüber
den Regierungsversprechungen unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht. Ein endgültiges Ende ihrer Proteste haben sie erst in
Aussicht gestellt, wenn sie wirkliche Fortschritte bei der Umsetzung
der Zusagen sehen. Genauso deutlich erklären sie, den Großstädtern
nicht das kostbare Nass vorenthalten zu wollen. Sie beschreiben nur
eine Situation, in der sich viele Landgemeinden befinden: "Wir tragen
zur Wasserversorgung und Entwicklung der Städte, der Industrien und
der Touristenzentren bei, aber vielen von uns fehlt es an
elementarsten Versorgungsleistungen."
Kritik an Präsident der Staatlichen Menschenrechtskommission
(Buenos Aires, 20. Oktober 2004, púlsar).-
Menschenrechtsorganisationen aus ganz Mexiko haben sich gegen eine
Bestätigung von José Luis Soberanes als Präsident der Staatlichen
Menschenrechtskommission (CNDH) ausgesprochen. Es fehle ihm an
Kompetenz für diese Aufgabe. Sie übten Kritik an Soberanes auf Grund
versäumter Bereitstellung von Mechanismen, mit denen Mexiko die
Empfehlungen der internationalen Menschenrechtsorganisationen
erfüllen kann. Hervorgehoben wurde die Tatsache, dass Soberanes
keinen einzigen Staatsbediensteten für die Frauenmorde in Ciudad
Juárez zur Verantwortung zog. Und dass er Fragen hinsichtlich der
indígenen Bevölkerung, Frauenrechte der Frauen, Straßenkinder, der
sexuellen Vielfalt und Gesundheit nur sehr unzureichend behandelte.
Mehr als 50 Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen
erklärten in einer überregionalen Tageszeitung, dass es nötig sei,
eine gerechte und transparente Wahl abzuhalten. Sie sehen darin auch
die Möglichkeit einer Erneuerung der Staatlichen
Menschenrechtskommission. Aber vor allem halten sie es für den
richtigen Moment, um eine umfassende und rigorose Auswertung der
Arbeit des derzeitigen Präsidenten vorzunehmen. Die Personen und
Organisationen, die sich kritisch äußerten und die schlechte Arbeit
des aktuellen Kommissionspräsidenten aufzeigten, gründen ihre Haltung
auf verschiedene Analysen und Umfragen. Auf Menschenrechtsfragen
spezialisierte Organisationen untersuchten die von in Soberanes
während seiner Amtszeit entwickelten Aktionen.
Am 22. Oktober lief die Registrierungsfrist für
Präsidentschaftskandidaten für die Staatliche
Menschenrechtskommission ab. Spätestens am 31. Oktober wird der Senat
der Republik entscheiden, ob Soberanes im Amt bleibt oder mit der
Vorstellung der Kandidaten, die dem gewünschten Profil entsprechen,
fortgefahren wird. Die Kommission wird im Anschluss und noch vor dem
15. November eine Kandidatenliste präsentieren, die der
Senatsversammlung vorgestellt wird. Die gewählte Person kann dann bis
zum 15. November Einspruch vorbringen.
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