Der Pfad des Panthers - eine Heerstraße für Biopiraten
(dieser Text erschien in redigierter, leicht gekürzter Form unter dem
Titel "Der Pfad des Panthers - Biopiraterie in Zentralamerika und
Mexiko" in Lateinamerikanachrichten, Heft 361/362 von Juli/August
2004)
Im Jahr 1989 - es gab weder den Begriff "Biopiraterie" noch den Plan
Puebla Panama - fand ein Treffen statt, auf dem man sich mit dem
Schutz und der Erschließung der biologischen Vielfalt
Mitteltelamerikas befasste. Parallel dazu wurde von den Präsidenten
Mittelamerikas eine Umweltschutz-Charta verabschiedet, auf deren
Grundlage die Zentralamerikanische Kommission für Umwelt und
Entwicklung (CCAD) geschaffen wurde.
Wie in dem dazu erschienenen Buch (1) nachzulesen, wurde auf dem
genannten Treffen die Schaffung des Paseo Pantera (Pfad des Panthers)
vorgeschlagen, eine Idee, die durch den Umweltgipfel 1992 in Rio und
eine Finanzspritze von der US-"Entwicklungshilfe"-Behörde (USAID)
weiteren Auftrieb erhielt. Auf einem von der CCAD und der deutschen
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) geförderten Seminar,
das 1995 in San José, Costa Rica, unter dem Motto "Die biologische
Vielfalt Mittelamerikas: Diagnose der ihren Schutz beeinflussenden
Faktoren und ein Entwurf zur regionalen Strategie für ihren Schutz
und ihre Wiederherstellung", wurde der Paseo Pantera in Corredór
Biológico Mesoamericano (CBM) umgetauft. Der CBM ist als Kette von
Biosphärenreservaten geplant, deren Kernzonen durch Pufferzonen
geschützt und die durch grüne Korridore miteinander verbunden werden
sollen (vgl. Karte).
Auch wenn o.g. Buch mit erheblicher Verspätung erschien, ist dem
Beitrag von J. Illueca (2) zu entnehmen, dass der CBM auf dem o.g.
Treffen aus der Taufe gehoben wurde. Drei Dinge sind an diesem Text
bemerkenswert: Erstens wird in ihm Bezug darauf genommen, dass die
dicht bewaldeten Regionen Mittelamerikas in ihrer Kombination mit der
dort herrschenden Armut eine Brutstätte für bewaffnete Aufstände sei.
Der Gedanke drängt sich auf, dass eine Art vorbeugende
Aufstandsbekämpfung zu den ursprünglichen Motiven des CBM zählte.
Zweitens sticht die einseitige Propagierung des Öko-Tourismus als
vermeintliches Mittel zur Armutsbekämpfung hervor. Abgesehen von der
Scheinheiligkeit des Konzepts, auf die hier nicht eingegangen werden
kann, stelle man sich die astronomische Zahl an Öko-Touristen vor,
die erforderlich wäre, um den 20 Mio. marginalisierten Campesinos
dieser Region ein halbwegs erträgliches Auskommen zu schaffen.
Drittens ist bemerkenswert, dass der BRD von vornherein eine
Schlüsselrolle für den europäischen Beitrag bei der Umsetzung dieses
Projekts zugedacht wurde.
Der offizielle Startschuss für den CBM wurde auf dem 19.
Gipfeltreffen der Präsidenten der 7 mittelamerikanischen Länder sowie
Mexikos am 11./12. Juni 1997 in Panama-Stadt gegeben. Für die ersten
3 Jahre, die Vorbereitungsphase, waren 39 Mio. $, vorgesehen,
darunter 15 Mio. $ von der EU (2). Inzwischen beläuft sich das
direkte Finanzvolumen, dass für den CBM geplant ist oder bereits
ausgegeben wurde, auf 840 Mio. $, davon über 10% für den Zeitraum
2001-2008 im mexikanischen Teil des CBM. Somit ist dieses zu einem
wesentlichen Anteil von der Weltbank finanzierte Projekt
umfangreicher als der Plan Puebla Panama (PPP). Nach Einschätzung von
A. López Ramírez (3) sind CBM und PPP komplementär und dienen den
geostrategischen Interessen des Nordens, insbesondere der USA.
Einem Dokument der Geberkonferenz vom Oktober 1998 in Paris ist zu
entnehmen, dass es sich beim CBM um ein "territorial organisiertes
System (handelt), das aus Naturschutzgebieten unter spezieller
administrativer Kontrolle, Kernzonen, Pufferzonen und vielfältig
genutzten, miteinander verbunden Gebieten besteht. In den
Beschreibungen der zahlreichen Einzelprojekte des CBM ist stets in
erster Linie die Rede vom Schutz der biologischen Vielfalt bzw. der
Flora und Fauna der Regenwälder. Erst in zweiter Linie - und um
diesen Schutz zu erreichen - wird von der Verbesserung der
Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung gesprochen. Dabei soll hier
nicht in Abrede gestellt werden, dass eine an den sozialen
Bedürfnissen orientierte, umweltverträgliche Bewirtschaftung von
Regionen mit hoher Biodiversität wünschenswert und möglich wäre. Die
Abkopplung "entwicklungspolitischer" Maßnahmen vom konkreten sozialen
und politischen Kontext (ungeklärte nationale Landfragen, Krieg
niedriger Intensität gegen bäuerlich-indigene Rebellionen wie in
Chiapas) führt jedoch zu der Schlussfolgerung, dass es in
Wirklichkeit "darum geht, unter dem Deckmantel der Sozialpolitik die
Bevölkerung besser kontrollieren zu können und Land frei zu bekommen
für großflächige Projekte" (3)
Exemplarisch ist das auf 2.56 Mio. EUR ausgelegte Projekt Nr. 2496
der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vom 03.09.2002 zum Schutz
des Biosphärenreservats Bosawas in Nicaragua. Die Mittel stehen "etwa
zu gleichen Teilen für intensive Schutzmaßnahmen (Demarkierungen, Bau
und Ausrüstung von Kontrollpunkten, Beschaffung von Fahrzeugen,
Booten, Kommunikationsmitteln etc.) und für kleiner Projekte der
sozialen und ggf. wirtschaftlichen Infrastruktur" zur Verfügung. Das
Projekt richtet "sich v.a. an die indianische Ethnie der Mayangna
(etwa 10.000 Einwohner) sowie die bäuerliche Mestizenbevölkerung
(etwa 45.000 Einwohner) als Zielgruppe." Was die Zielgruppen
erwartet, wenn sich die Demarkierungen, Kontrollpunkte, Fahrzeuge,
Boote und Kommunikationsmittel "an sie richten", ist in der
Projektkurzbeschreibung nicht ausgeführt. Wie aus Versammlungen mit
den lokalen Kazikes (und vermutlichen Nutznießern der "kleineren
sozialen Projekte") heraussickerte, wurde dort ziemlich unverblümt
ausgesprochen worum es geht - unterstützt durch die GTZ - um die
Vertreibung der dort ansässigen Bevölkerung aus dem
Biosphärenreservat, eine Situation analog zu der in den Montes Azules
in Chiapas (vgl. LN Nr. 345). Und ähnlich wie in den Montes Azules
werden bestimmte Bevölkerungsgruppen instrumentalisiert, um diese
Vertreibungspolitik gegen andere Teile der Bevölkerung durchzusetzen.
In einer anderen KfW-Projektbeschreibung (Biosphärenreservat Río
Plátano, Honduras), steht unter dem Punkt "Gestaltung" explizit
"Durchführung einer sozialverträglichen Umsiedlung der Familien, die
im Kerngebiet des Nationalparks leben". Dass das euphemistische
Adjektiv "sozialverträglich" keinen Pfifferling wert ist, wissen wir
u.a. von den Montes Azules, wo die "freiwillig" vertriebene Gemeinde
Lucio Cabaņas 5 Monate an der Nase herumgeführt und danach fallen
gelassen wurde (4). In diesem Sinne kritisieren auch Mitarbeiter der
NGO WEED die GTZ-Projekte im CBM dahingehend, "dass die Planung
beider Schutzgebiete (Bosawas und Río Plátano, K.P.) ohne
ausreichende Beteiligung der indigenen Bevölkerung erfolgte.
Verstöße gegen das Verbot der Bewirtschaftung traditionell genutzter
Agrarflächen werden vom Staat mit Härte verfolgt, illegaler Einschlag
großer Holzfirmen dagegen wird selten verfolgt" (5). Die GTZ ist
darin geübt, die Interessen der lokalen Bevölkerung zu ignorieren und
diese, bei gleichzeitiger Favorisierung großer Holzfirmen unter Druck
zu setzen. Dies ist spätestens seit 1999 bekannt, als es zum Skandal
um das FOMISS-Forstprojekt der GTZ in Sarawak, Malaysia, kam
(ProRegenwald e.V., Pressemitteilung v. 23.08.99). Neben der
Vertreibung von Menschen geht es aber auch um Geburtenkontrolle.
Entsprechende Äußerungen wurden von dem CBM-Projekt "verbundenen"
NGOs sind belegt, und im Klartext bedeutet das - wie es Indígena-
Vertreterinnen auf dem BUKO26 zum Ausdruck brachten -
Zwangssterilisation.
Interessant ist, dass die GTZ auf einer Veranstaltung im Mai 2003
öffentlich beteuerte, dass sie sich nicht in Chiapas engagieren
würde, weil es Konfliktgebiet sei. Neun Monate später jedoch
erschienen 5 Stellenausschreibungen für ein GTZ-Projekt in eben
dieser Region, bei dem es u.a. um die "Kommerzialisierung ... von
Heilpflanzen" geht.
Warum interessieren sich die Regierungen der Industrieländer dafür,
in Mittelamerika (und anderen Regionen) Naturschutz zu betreiben ?
Dies hat eine Vorgeschichte , die sich bis in die 70er Jahre
zurückverfolgen lässt, als z.B. der mexikanische Präsident Echeverría
in den Montes Azules in Chiapas ein Naturschutzgebiet dekretierte, um
damit Interessengruppen aus den Ländern des Nordens zu gefallen. Das
verstärkte Interesse an der biologischen Vielfalt des Südens hat eine
reihe von Gründen. Zum Teil erwuchs es aus dem in den
Industriestaaten entstandenen Bewusstsein um sich abzeichnende
globale Umweltprobleme in den 60er/70er Jahren, gepaart
Endzeitstimmung, die von Teilen der Eliten geschürt wurde ("Die
Grenzen des Wachstums", Club of Rome). Später kamen handfeste
wirtschaftliche Interessen am "grünen Gold der Gene" und an anderen
Aspekten der Inwertsetzung biologischer Ressourcen hinzu.
In einer Publikation des World Resources Institute (6) werden die
"Waren und Dienstleistungen" aufgelistet, die man von den
zentralamerikanischen Ökosystemen erwartet - u.a. genetische
Ressourcen, die Beseitigung von Luftverschmutzung sowie die Bewahrung
von Trinkwasserreserven und Biodiversität. Als "wünschenswerte
Ergebnisse" des CBM wird auf die "Entstehung nationaler und
internationaler Märkte für Umweltprodukte und
-dienstleistungen" verwiesen.
Biodiversität und genetische Ressourcen sollen als Innovationsquelle
für die "Life Science" Industrie dienen, insbesondere von
pharmazeutischen Konzernen (Biopiraterie pur). Bei der Beseitigung
von Luftverschmutzung geht es um die Nutzung tropischer Wälder als
CO2-Senken im Rahmen des aus dem Kyoto-Protokoll resultierenden
Emissionshandels.
Während über Biopiraterie seit ein paar Jahren viel gesprochen und
geschrieben wird, ist die Problematik der CO2-Senken erst in jüngster
Zeit stärker in das Blickfeld einer kritischen Betrachtung gerückt.
In beiden Fällen befinden sich die eigentlichen Nutznießer außerhalb
jener Länder, wo die konkreten Maßnahmen zum Schutz der Natur ggf.
mit Gewalt gegen die lokale Bevölkerung durchgesetzt werden.
Biopiraterie hilft in erster Linie den Gewinnspannen der
Pharmakonzerne und in zweiter Linie der Behandlung zahlungskräftiger
Patienten. Das Konzept der CO2-Senken in Ländern der "Dritten Welt"
stellt ein eklatantes Beispiel für die neokoloniale Handhabung von
Umweltproblemen des Nordens dar. Durch die Möglichkeit des
Emissionshandel schuf man Billiglösungen auf Kosten des Trikonts für
transnationale Konzerne anstelle diesen Emmissionsvermeidung
aufzuerlegen. Davon abgesehen stellt es aus geoökologischer Sicht ein
unsinniges Konzept dar - CO2, das durch die Verbrennung fossiler
Energie erzeugt und anschließend "versenkt" wird, ist nicht
tatsächlich verschwunden, sondern wird nach etwa hundert Jahren
wieder freigesetzt, wenn die "Senken" abgeholzt und verbrannt oder
verrottet sind.
Die GTZ als wichtigste deutsche "Entwicklungshilfe"-Institution hat
eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Konzepte in
Mittelamerika und muss sich dem Vorwurf der Beihilfe zu
systematischen Menschenrechtsverletzungen stellen, wenn sie
Naturschutz in Regionen zu verantworten hat, wo ungelöste Landfragen
so gravierend sind wie in Südmexiko, Guatemala, Honduras und -
inzwischen wieder - in Nikaragua.
(1) Coates, A.G. (Hrsg.): Central America. A natural and cultural
history. Yale University Press 1997
(2) Illueca, J.: The Paseo Pantera Agenda for Regional Conservation,
in: Coates, a.a.O., S.241-257
(3) Lopez Ramirez, zitiert in Brand, U. u.a.: Postfordistische
Naturverhältnisse, Westfälisches Dampfboot, Münster 2003, S. 169 und
170.
(4) Montes Azules: Vertreibung und Biopiraterie. Tiera y Libertad Nr.
54 (2004), S. 18-19.
(5) Schürkes, J. und Schilder, K. : Der Plan Puebla Panamá.
Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung 05/2004.
(6) Miller, K. u.a.: Defining Common Ground for the Mesoamerican
Biological Corridor. World Resources Institute 2001.
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Klaus Pedersen
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