Inter Mailand und die internationale Solidarität
Weltklasse-Club unterstützt EZLN-Gemeinden
Von Dario Azzellini * 23.6.2004
Eigentlich heißt der als Inter Mailand bekannte italienische Fußballklub FC
Internazionale Milano, doch daran konnte sich kaum noch jemand erinnern. Bei
Gründung im Jahr 1908 sollte der Name die Bereitschaft deutlich machen auch
Nicht-Italienische Spieler aufzunehmen. Nachdem heute die Anwesenheit
ausländischer Spieler im Fußball zur kapitalistischen Normalität gehört, ist
es die Mannschaft und nicht der Verein, die dem Namen auch außerhalb des
Spielfeldes wieder einen Sinn gibt.
Das legendäre Team schickte der EZLN im Mai 2.500 Euro. In einem auf
offiziellem Vereinsbriefpapier verfasstem Schreiben an den „Rat der guten
Regierung von Oventic“, einer zapatistische Selbstverwaltungsinstanz,
erklärt der argentinische Interkapitän Javier Zanetti er und seine
Mannschaftskollegen seinen „davon überzeugt mit euch die gleichen Prinzipien
und Ideale zu teilen, die sich im zapatistischen Geist wiederspiegeln. Wir
glauben an eine bessere Welt, an eine nicht globalisierte Welt, sondern an
eine, die durch verschiedene Kulturen bereichert wird. Daher haben wir
beschlossen euch in diesem Kampf um die eigenen Wurzeln und Ideale zu
unterstützen.“
Die Initiative die EZLN zu unterstützen ging vom Mannschaftskapitän Javier
Zanetti und seiner Ehefrau Paula, die sich mittlerweile den Spitznamen
„Comandante Paula” einhandelte, aus. Das Geld kam direkt von der Mannschaft.
Ein selbst auferlegtes „Ordnungsstrafenregister“ sorgt für die Einnahmen für
diverse Solidaritätsprojekte. Wer zu spät kommt oder auf andere Weise die
Zuverlässigkeit und Kollektivität unterminiert, die gebraucht wird, um eine
der besten Fußballmannschaften der Welt zu sein, zahlt einen Beitrag in die
Soli-Kasse.
Laut Organisationsdirektor des Vereins Bruno Bartolozzi sei die Initiative
entstanden, als sie im April im Internet von einem Angriff auf die
zapatistischen Basisgemeinden lasen, die ihren bedrohten Genossen und
Genossinnen in Zinacantán Wasser brachten. Es kam die Idee auf, den
Gemeinden direkt zu helfen und zu versuchen das zu ersetzen, was ihnen in
einem Nachmittag Repression und Verfolgung geraubt und zerstört wurde und so
„wirklich etwas für Menschenrechte zu tun“. „Es wird viel über
Menschenrechte geredet, aber da gibt es eine Schräglage, denn
Menschenrechte, Demokratie, Information und Gerechtigkeit gehören zusammen,“
so Bartolozzi weiter.
Ende Mai antworteten Moisés, Jonás und Benito, im Namen des Regierungsrates,
auf offiziellem Briefpapier der rebellischen Gemeinden den
„Fußballer-Brüdern“: „Wir wollen euch sagen, dass wir glücklich sind über
eure Botschaft, denn wir wissen, dass wir auf dem Weg dieses Kampfes nicht
alleine sind. Wir sind glücklich, weil es auf der ganzen Welt Brüder und
Schwestern wie euch gibt, die ein Bewusstsein haben und auch eine Welt mit
Gerechtigkeit und Würde aufbauen wollen.“ Und es erging gleich eine
Einladung an die Inter-Mannschaft Chiapas zu besuchen „um direkt unsere
Vorstellungen und Erfahrungen kennen zu lernen und zu teilen“. „Ein Tor
gegen das Vergessen“ titelte die mexikanische Tageszeitung „La Jornada“,
doch in weiten Teilen der italienischen und internationalen Presse wurde die
Nachricht nicht aufgegriffen, nicht einmal auf den Sportseiten.
Das argentinische Paar Zanetti ist seit langem in der Solidaritätsarbeit
aktiv. Sie unterstützen die Arbeit der linken Nothilfeorganisation
„Emergency” von Gino Strada und haben vor drei Jahren gar eine eigene
Stiftung gegründet. Die „Stiftung Pupi”, so der argentinische Spitznamen
Javiers, führt zahlreiche Projekte mit marginalisierten Kindern in den
Elendsvierteln von Buenos Aires durch.
2003 bekamen die beiden den Preis „l’Altropallone“ – „der andere Fußball“,
der in Italien jährlich Personen der Sportwelt verliehen wird, die sich mit
ihrem Einsatz für Solidarität, Gleichheit und Basissport verdient gemacht
haben.
Javier Zanetti, selbst in einem Armenstadtteil im Hafengebiet Buenos Aires’
aufgewachsen, kehrt immer wieder dorthin zurück, wo er eine schwere Kindheit
gehabt hat. Auch deswegen ist er dort beliebt. „Jeder trägt eine soziale
Verantwortung innerhalb der Gemeinschaft. Aber der Fußball hat Javier eine
große Sichtbarkeit verliehen und das überträgt uns eine große zivile und
soziale Verantwortung.“, erklärt Paula Zanetti im Gespräch mit der
italienischen linken Zeitschrift „Carta“. Paula Zanetti ist letztlich die
treibende Kraft für verschiedenste Initiativen, die direkt aus der
Mannschaft entstehen.
Es geht aber nicht um einer Wohltätigkeitsarbeit, die Almosen an die Armen
und Ausgeschlossenen verteilt. „Wir wollten etwas konkretes für Argentinien
tun, aber die Projekte, die uns vorgeschlagen wurden, gefielen uns nicht.
Sie waren zu assistenzialistisch. Der Ansatz der „Stiftung Pupi“ liest wie
fast das Regierungsprogramm der Regierung Chávez in Venezuela: „Unsere
Arbeit besteht darin Kindern nicht nur das zu geben, was sie unmittelbar zum
Leben brauchen, also Essen, Schule, Spiel und Sport, sondern vor allem eine
Hoffnung auf ein gerechtes und würdiges Leben. Daher geht es nicht nur um
die Kinder. Wir haben nach und nach die gesamten Familien in Projekte
einbezogen“, so Paula Zanetti zu Carta. „Wir kümmern uns momentan um 130
Kinder und ihre Familien, diese arbeiten in Kleinbetrieben und es gibt auch
einen kleinen urbanen Gemüsegarten, der Teil einer „produktiven Ausbildung“
ist. In Kürze sollen zahlreiche kleine Gemüsegärten und ein großen
gemeinschaftlicher der Gemeinde eröffnet werden.“
Paula und Javier Zanetti und nun auch die Inter-Mannschaft wollen in die
Aktualität eingreifen, Ungerechtigkeiten aufzeigen und gleich lösen, sowie
auf politische und soziale Probleme hinweisen, daher auch die Spende an die
EZLN: „Wir fühlen uns dem Kampf zur Verteidigung der indigenen Kultur nahe,
sei es in Chiapas oder Patagonien, dort wo für eine gerechte Sache gekämpft
und versucht wird sich nicht von den Mechanismen der ökonomischen
Globalisierung zerdrücken zu lassen. In Chiapas ist es ein Kampf für eine
gerechte Sache,” Paula Zanetti.
Vielleicht kommt es ja demnächst zu einem Freundschaftsspiel zwischen Inter
Mailand und einer EZLN-Auswahl. In den zapatistischen Gemeinden wird viel
Fußball gespielt und 1999 spielte in Mexiko-Stadt, beim damaligen Marsch der
zapatistischen Gemeinden in die Hauptstadt, eine EZLN-Auswahl gegen eine
mexikanische Fußballstarauswahl. Die Zapatisten unterlagen 5:3, kein
schlechtes Ergebnis. Für die Zapatisten wäre in einem Spiel gegen Inter
Mailand aber auch eine Niederlage ein Sieg.
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