junge Welt vom 13.08.2003

Interview - A. Vogel

Reform der zapatistischen Gemeinden: Erfolg für die Autonomie der Ureinwohner?

Die Politikwissenschaftlerin A. Vogel ist zur Zeit als Menschenrechtsbeobachterin in Chiapas aktiv


F: Am vergangenen Wochenende lud die zapatistische EZLN zu einem Fest ein, und über 10000 Menschen kamen. Was gab es denn zu feiern?

Die letzten Jahre waren vom Schweigen der EZLN geprägt, während sie ohne Medienrummel ihr eigenes politisches System reorganisierte. Trotz des Krieges niederer Intensität und der Spaltungsversuche der Regierung hat die Bewegung in den letzten neun Jahren einen stetigen Reifeprozeß durchlebt, neue Perspektiven entwickelt, um ihre Autonomie basisdemokratisch und solidarisch weiterzuentwickeln. Nachdem die Regierung unter Fox keinen Zweifel daran gelassen hat, daß sie sich nicht an getroffene Abmachungen halten wird, reagierten die Zapatistas mit einer offensiven Reorganisation ihrer Strukturen. So wurde zwischen den verschiedenen Landkreisen zum Beispiel eine Räteverwaltung geschaffen, die auch als Kontaktstelle nach außen fungieren soll. Der Termin der Fiesta selbst war symbolisch gewählt, denn der 8. August ist der Geburtstag von Emiliano Zapata und der Jahrestag des ersten Aguascalientes-Treffpunkt im Jahre 1994.

F: Wie sind die Feierlichkeiten verlaufen, welche Gruppen und Organisationen haben teilgenommen?

Die Feierlichkeiten waren gut organisiert. Es war beeindruckend, wie die Kommunikation der EZLN funktioniert und wie sie es mit minimalen Mitteln geschafft hat, eine so große Feier zu organisieren. Teilnehmer, die schon früher vor Ort waren, berichteten, wie ganze Hütten in wenigen Tagen gebaut, Latrinen angelegt und Schlafplätze organisiert wurden. Am Tag der Anreise stauten sich Kilometer vor dem Aguascalientes Oventik die ankommen Fahrzeuge. An der Straße standen maskierte Zapatistas und regelten den Verkehr. Ein Schild der Regierung, das Reisende vor Guerillas warnt, wurde durch ein eigenes Schild ersetzt. Darauf stand: "Sie befinden sich auf zapatistischen Gebiet. Hier regiert das Volk, und die Regierung gehorcht." Unterzeichnet war es mit "Junta der guten Regierung. Zone Altos". Während der drei Tage herrschte eine ausgelassene Feststimmung. Neben vielen Indígenas aus den zapatistischen Gemeinden waren auch Angehörige verschiedener sozialer Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen aus ganz Mexiko und dem Ausland anwesend. Freitag nacht dann wurde der Tod der "Aguascalientes" und danach die Geburt der "Caracoles" (Schnecken) bekanntgegeben und die Ratsmitglieder der fünf Autonomiebezirke vorgestellt. Die "Caracoles" bezeichnen wie vorher die "Aguascalientes" Treffpunkte, an denen der Dialog von EZLN und Zivilgesellschaft geführt werden soll.
Die Umbenennung weist auf die neuen Funktionsweisen hin. Daß der Tod der einen und die Geburt der anderen Institution gefeiert wurden, knüpft an das Weltverständnis der Maya an. Damit wird die typische Rhetorik der Zapatistas fortgeführt.

F: Wie ist Ihr Eindruck zu den aktuellen politischen Aktivitäten der Zapatistas?

Ich glaube, daß die Reorganisation der widerständischen Gemeinden darauf hinweist, daß die Zapatistas stärker als zuvor sind und weiter für die Forderung von "Land und Freiheit" kämpfen. Mit ihrer Einrichtung der "Junta der guten Regierung" leisten die Zapatistas nicht nur aktiv Widerstand, sie zeigen auch Perspektiven auf, wie eine gerechtere Organisation von Gesellschaft möglich ist.



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