MEXIKO
Parlamentswahlen: Herbe Verluste für die Regierungspartei
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 7. Juli 2003, npl).- Bei den mexikanischen Parlamentswahlen am vergangenen
Sonntag (6.7.) musste die Partei des noch bis 2006 amtierenden Präsidenten Vicente Fox
herbe
Verluste einstecken. Nach einem überraschend starken Absacken von 39 auf etwa 31 Prozent
der
Stimmen stellt die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) künftig nur noch ein
knappes
Drittel der 500 Abgeordneten. Schon bisher ohne sichere Mehrheit im Parlament, ist Vicente
Fox
in der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit nun noch viel mehr auf Verhandlungen und
Kompromisse angewiesen, um Gesetzesvorhaben durchbringen zu können.
Obwohl die im Sommer 2000 nach 71-jähriger Herrschaft abgewählte Revolutionäre
Institutionelle
Partei (PRI) nur wenige Prozentpunkte mehr als die PAN gewann, ist sie aufgrund ihrer
Allianz
mit den mexikanischen Grünen in vielen Direktwahlkreisen die große Wahlgewinnerin. Mit
deutlich
über 200 Abgeordnetenmandaten wird sie im Parlament überrepräsentiert und die mit Abstand
stärkste Fraktion sein. Zudem gelang es ihr, sich bei gleichzeitig in einigen Bundesstaaten
abgehaltenen Gouverneurs- und Kommunalwahlen zu behaupten und der PAN unter anderem den
wichtigen nördlichen Bundesstaat Nuevo Leon mit seiner Wirtschaftsmetropole Monterrey
abzunehmen.
Als Siegerin durfte sich in der Nacht auf Montag auch die linksgemäßigte Partei der
Demokratischen Revolution (PRD) darstellen. Ein überragendes Ergebnis in der Hauptstadt
verhalf
ihr zu einem leichten Anstieg auf landesweit 20 Prozent, der sich jedoch mit einer
Verdoppelung
der Abgeordnetensitze auf knapp 100 auszahlen wird. In Mexiko-Stadt, wo die PRD seit 1997
regiert, gewann die Partei ihre im Jahr 2000 verlorene absolute Mehrheit in der
Ratsversammlung
zurück. Ohne selbst zur Disposition zu stehen, entschied hier der populäre Bürgermeister
Andres
Manuel Lopez Obrador den Urnengang und gilt mehr denn je als nächster
Präsidentschaftskandidat
der PRD.
Eine Wahlenthaltung von fast 60 Prozent und die hohe Zahl aus Protest ungültig abgegebener
Stimmen brachten nach Einschätzung vieler Kommentatoren deutlich die Enttäuschung über die
drei
großen Parteien zum Ausdruck, wobei die PAN durch diese Abstinenz besonders abgestraft
wurde.
Die kleinen und zum Teil neuen Parteien konnten wenig vom Überdruss gegenüber dem
traditionellen mexikanischen Politikgeschäft profitieren. Die diesmal mit der PRI statt der
PAN
verbündeten Grünen konsolidierten sich zwar, blieben aber weit hinter ihren optimistischen
Prognosen zurück. Das mit Spannung erwartete Abschneiden der von einem Großteil der
Intellektuellen unterstützten Partei México Posible war eher kläglich, die Partei verfehlte
die
für eine Parlamentspräsenz zu überspringende Zwei-Prozenthürde klar. Außer den Grünen
schafften
noch zwei weitere kleine Parteien dank regionaler Hochburgen hauchdünn den Sprung ins
Abgeordnetenhaus.
Der politisch geschwächte Präsident Fox und Persönlichkeiten aller Parteien sprachen am
Wahlabend aufgrund der fehlenden Mehrheiten im Parlament von der Notwendigkeit, den Dialog
und
Kompromisse zu suchen. Welchen Weg die mexikanische Bundespolitik in den kommenden drei
Jahren
nehmen wird, ist aber völlig ungewiss. In der PRI gibt es eine Parteiströmung, die sich
eine
Art Ko-Regierung vorstellen könnte und beispielsweise eine weitere
Wirtschaftsliberalisierung
mit entsprechender Öffnung des mexikanischen Energiesektors mittragen würde.
Eine andere Gruppe setzt auf stärkere Abgrenzung, unter anderem, um die Chancen für eine
Rückkehr an die Macht im Jahr 2006 zu erhöhen. Ohne die PRI kann Fox kontroverse Reformen
aber
nicht durchsetzen. Sollten sich PRI und PRD annähern, hätte andererseits der Präsident bei
vielen Vorhaben eine Vetomöglichkeit. Fest steht, dass der PRI in nur drei Jahren ein
Comeback
gelungen ist, das ihr erneut enorme politische Bedeutung verleiht.
MEXIKO
Ein Fünftel der mexikanischen VW-Arbeiter muss um Job bangen
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 6. Juli 2003, npl).- Für die Arbeiter des mexikanischen Volkswagenwerkes in
Puebla beginnt heute (7. 7.) eine entscheidende Woche. Ihre Gewerkschaftsvertreter treffen
sich
zu einem ersten Verhandlungsgespräch mit der Leitung von VW-Puebla, um zu verhindern, dass
es
zu angedrohten Massenentlassungen kommt.
Vor genau einer Woche hatte Unternehmenssprecher Thomas Karig erklärt, vor allem aufgrund
eines
Absatzeinbruches der Marken Jetta und New Beetle in den USA müsste in den kommenden Wochen
1800
bis 2000 Arbeitern gekündigt werden. Das entspricht einem knappen Fünftel der Belegschaft
von
Puebla. Der Stellenabbau der vergangenen Jahre würde damit drastisch fortgesetzt.
Allerdings
ließ die Unternehmensleitung durchblicken, als Alternative sei sie zu Diskussionen über
eine
verkürzte Arbeitszeit bei entsprechendem Lohnverzicht bereit. Konkret heißt das
Vier-Tage-Woche
und 20 Prozent Lohneinbuße.
Die Betriebsgewerkschaft mit ihrem Generalsekretär José Luis Rodríguez befindet sich in
keiner
beneidenswerten Lage. Einerseits hat sie die nackten Zahlen gegen sich. Statt der bereits
vor
Monaten von ursprünglich 345 000 auf 310 000 Einheiten gesenkten Produktionsprognose geht
zumindest die Werksleitung von nur noch 285 000 in Puebla produzierten Volkswagen-Autos in
diesem Jahr aus. Zur geringeren Nachfrage gesellt sich der endgültige Abschied vom
VW-Käfer,
der seit 1996 weltweit nur noch in Puebla vom Band lief.
Andererseits musste sich die VW-Gewerkschaft, eine der stärksten Mitgliedsorganisationen im
wenige Jahre alten regierungsunabhängigen Dachverband UNT, jüngst in einer vergleichbaren
Situation unsolidarisches Verhalten von anderen Gewerkschaften vorwerfen lassen. Im März
2003
stimmte eine Mehrheit der organisierten Beschäftigten im Werk Puebla gegen die Empfehlung
ihrer
Führung. Sie sprachen sich für die Entlassung von etwa 500 Kollegen mit überwiegend
ungesicherten Arbeitsverträgen aus anstatt Zugeständnisse beim Lohn zu machen. Das kam mit
Blick auf das vergleichsweise hohe Lohnniveau bei VW und in der Autoindustrie allgemein bei
vielen nicht gut an.
Jetzt stehen zu allem Überfluss auch Verhandlungen über den neuen Tarifvertrag an, der alte
läuft Mitte August aus. Die Gewerkschaft hatte kurz vor Eintreffen der Kündigungsnachricht
entschieden, mit einer Forderung von 13,6 Prozent in die betriebliche Lohnrunde zu gehen.
Die
Chancen, am Ende in die Nähe dieser Forderung zu kommen, sind nicht gut.
Die Gewerkschaftsstrategie für das heutige Treffen besteht in einem dritten Vorschlag. Mit
so
genannten technischen Arbeitsniederlegungen von einer Gesamtdauer bis zu fünf Wochen sollen
sowohl Entlassungen wie auch generelle Lohnkürzungen verhindert werden. Rodríguez und seine
Kollegen glauben zudem, eine Produktion von 310.000 Autos könne noch erreicht werden. Es
wird
nicht damit gerechnet, dass die Unternehmensleitung auf diese Kalkulation eingehen wird.
Die
Gewerkschafter selbst haben auf Versammlungen der verschiedenen Produktionsbereiche ihre
Vertreter ermächtigt, auch das Modell mit Vier-Tage-Woche und Lohnverzicht zu verhandeln.
Dieses könnte schon ab dem 1. August in Kraft treten.
In diesem Fall bliebe der Gewerkschaftsführung allerdings wenig mehr übrig, als um Details
zu
feilschen. So möchten die VW-Manager die Kürzungen für 18 Monate festschreiben. Danach geht
mit
dem Jetta A5 ein neues Modell in Puebla in Serie und die Produktion wird voraussichtlich
wieder
ansteigen. Die Gewerkschaft dagegen kann sich das Lohnzugeständnis nur bis zu einer
Überprüfung
am Jahresende vorstellen und will es auf die Führungskräfte des Unternehmens ausdehnen.
Mit dem Gouverneur des Bundesstaates Puebla sowie Bundesarbeitsminister Carlos Abascal wird
in
dieser Woche parallel über staatliche Kompensationszahlungen im Rahmen von
Regierungsprogrammen
verhandelt. Es könnte vom Erfolg dieser Parallelgespräche abhängen, ob ein
Verhandlungsergebnis
von Gewerkschafts- und Unternehmensführung letztlich in den Betriebsversammlungen
mehrheitsfähig sein wird.
MEXIKO
50.000 Minderjährige flüchten jährlich in die Vereinigten Staaten
(Mexiko-Stadt, 25. Juni 2003, adital).- Nach Angaben von Gerardo Sauri, dem Leiter des
"Netzwerk für die Rechte der Kinder", überqueren jährlich 50.000 mexikanische Jugendliche
unter
17 Jahren auf der Suche nach Arbeit die Grenze Richtung USA. Das dort verdiente Geld wird
dann
nach Hause geschickt, um die vor allem in den ländlichen Gebieten herrschende extreme Armut
zu
lindern. Die Kapitalerträge der migrierten Arbeiter, in den meisten Fällen Minderjährige,
nehmen mittlerweile einen wichtigen Anteil des Bruttosozialprodukts in vielen
lateinamerikanischen Ländern ein - auf Kosten der im Ausland Arbeitenden.
Laut Sauri "weiß das Netzwerk von Minderjährigen, die nicht nur von den US-amerikanischen
Arbeitgebern ausgebeutet werden und keine Lohnzahlungen erhalten, sondern zudem auch nur
unzureichend mit Nahrungsmitteln versorgt und körperlich misshandelt werden". Von den 50
000
emigrierenden Minderjährigen sind 18 Prozent Mädchen. Angelockt von Versprechungen für
Arbeit
in Bars und Restaurants finden diese sich am Ende in Prostituiertenringen wieder, da sich
die
scheinbar legalen Bars oder Restaurants als Bordelle entpuppen.
Nach Angaben des mexikanischen Außenministeriums werden von den Tausenden illegal
emigrierenden
Minderjährigen fast 5 000 zurück nach Mexiko abgeschoben. Die mexikanische Regierung
verfügt
aber über keine genauen statistischen Angaben über Minderjährige anderer Nationalitäten, in
der
Mehrzahl Honduraner und Guatemalteken, die die mexikanisch-US-amerikanische Grenze nutzen,
um
die Lebensbedingungen ihrer daheim gebliebenen Angehörigen zu verbessern. Und es werden
immer
mehr Jugendliche dazu angehalten, allein zu emigrieren.
Quelle: Poonal (vielen Dank!!!) - www.npla.de/poonal
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