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Der Marsch der Zapatistas in die Hauptstadt war ein Erfolg für Soziale Bewegung

Die Karawane der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN in die mexikanische Hauptstadt erinnert an die großen Friedensmärsche von Martin Luther King und Mahatma Gandhi. Diese historische Parallele zog zumindest Ivon le Bot, französische Intellektuelle und Direktorin des Centre Nacional de Investigacion Cientifique de France, Ende Februar in einem Interview mit dem mexikanischen Nachrichtenmagazin Proceso.
Am 11.März trafen die 24 Comandantes der Guerilla in Mexiko-Stadt ein. Nach zweiwöchiger Reise durch 12 Bundesstaaten mit einer bis drei Veranstaltungen pro Tag war weniger das Parlament das Ziel, wo die Zapatistas für ihre Sache werben wollten, als vielmehr der Weg dorthin. Nach einer Umfrage der Tageszeitung Reforma glauben 66% aller Mexikaner, daß die Tour den Zapatistas gesellschaftliches Ansehen eingebracht hat. Die Anzahl derer, die starke Sympathien für den Zapatistensprecher Subcomandante Marcos hegen, sind nach derselben Umfrage von 30% der mexikanischen Bevölkerung im Dezember auf 45% Anfang März gestiegen. Hunderttausende von Menschen säumten den Weg der Karawane, winkten und jubelten den unbewaffneten Guerilleros zu. Diese breite Anteilnahme an einem politischen Prozeß ist der erste Erfolg der Zapatistas. Dazu gehört auch, dass der top-act bei den Politveranstaltungen immer die Rede des "Subcomandante Superstar" (taz) war. Dem hype um seine Person einerseits erlegen, verwies Marcos auf der anderen Seite immer wieder effektvoll auf die Maske: Dahinter verberge sich nicht ein Gesicht, sondern die bis zum Aufstand unsichtbare soziale Realität der Indígenas. Die verbalen Attacken gegen den Präsidenten ("Subcomandante spuckt große Töne" Die Welt) als Wortgefechte von zwei männlichen Medieninszenierungen zu interpretieren, greift zu kurz. Entscheidender als der mediale Showdown zwischen einem präsidialen Manager-Cowboy Vicente Fox und dem Pop-Guerillero Marcos ist der Mobilisierungsschub für die soziale Frage. Ob er sich auch als langatmiger erweisen wird, bleibt zu hoffen.

Wie die Märsche seiner imaginären Vorgänger gewinnt auch die von Marcos angeführte Reise ihre Bedeutung nicht allein durch den nationalen Rahmen. Wie Ivon le Bot waren auch andere europäische Intellektuelle und Soziale Bewegungen von der Generalkommandantur eingeladen worden, sich an der Zapatour zu beteiligen. Neben der Französin sind u.a. der spanische Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán, Frankreichs Ex-First Lady Danielle Mitterand und der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago dieser Einladung nachgekommen. Und wie die rund 2000 MenschenrechtsbeobachterInnen und SympathisantInnen aus Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Nordamerika, die die Karawane erst zu einer solchen gemacht haben, waren sie beim Eintreffen der Buskolonne in Mexiko-Stadt zugegen.
Die Zapatistas haben seit ihrem ersten Erscheinen 1994 immer auf internationale Einbindung gesetzt. Auch für die eventuellen Friedensverhandlungen ist die transnationale Anteilnahme nicht nur angesichts einer geschwächten mexikanischen Linken wichtig. Denn die Diskussion um "Gerechtigkeit und Würde", ohne die es laut EZLN keinen Frieden in Chiapas geben soll, ist zu einem gegenseitigen Prozess geworden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die differenzpolitischen Forderungen der mexikanischen Indígenas nach Rechten und Kultur, um die es bei der Tour ging, ein solches internationales Echo erfahren haben. In einer globalisierten Welt ist diese Reaktion eine ermutigende Antwort auf die Ausschlußmechanismen einer politischen Ökonomie des Neoliberalismus.

Jens Petz Kastner, gruppe B.A.S.T.A.

erschienen in: graswurzelrevolution Nr.258, April 2001; S.2.