18.10.2004 junge Welt
Interview
»Ohne befehlende Autorität«
Zapatistische Bewegung hat weltweiten Einfluß. Kampf für eine Welt, in der
viele Welten Platz haben. Ein Gespräch mit Gloria Muñoz Ramírez
* Gloria Muñoz Ramírez aus Mexiko-Stadt ist Journalistin und Autorin des
Buches »EZLN: 20 und 10« (Unrast Verlag) über die Geschichte und Entwicklung
der zapatistischen Bewegung. Zur Zeit stellt sie ihr Buch auf einer
Rundreise in europäischen Ländern vor.
F: Seit ihren Anfängen hat die zapatistische Bewegung eine enorme
Ausstrahlungskraft auf viele Bewegungen der Welt. Wie läßt sich das
erklären, und was sind die wichtigsten Aspekte dieser Einflüsse?
Der Aspekt, der am meisten Einfluß auf andere Bewegungen hat, ist die
Organisation von unten. Die Zapatistas praktizieren das Prinzip des
»gehorchenden Befehlens« und schlagen es für die gesamte Gesellschaft vor.
Konkret bedeutet das, daß die Macht von der Basis ausgeht, ohne eine
vertikale Autorität, wobei sie ihre Funktionsträger immer überwacht und
jederzeit ersetzen kann, wenn sie ihre Aufgaben nicht zufriedenstellend
lösen.
Die Zapatistas haben außerdem immer klargestellt, daß man niemals absolute
Gewißheit hat. Sie spielen sich eben nicht als Avantgarde welcher Strömung
auch immer auf, sondern kämpfen für eine horizontale Organisierung, die
Toleranz für alle Denkweisen und Formen des Kampfes einschließt. Ich denke,
dieser Kampf »für eine Welt, in der viele Welten Platz haben«, ist ein
weiterer relevanter Aspekt.
F: Zur Präsentation Ihres Buches sind Sie in verschiedenen europäischen
Ländern gewesen. Sie wollten dabei auch einen Dialog zwischen der
zapatistischen Bewegung und den sozialen Bewegungen in Europa führen. Welche
Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich kann mich noch nicht auf Deutschland beziehen, denn ich beginne gerade
mit einer Rundreise durch 15 Städte des Landes. Aber ich kann über Italien,
Spanien oder Frankreich reden. Die zapatistische Erfahrung lebt dort nicht
nur durch die solidarische Unterstützung der Sache und in den zahlreichen
Projekten, die den Widerstand vor Ort in Mexiko begleiten. Es geht vielmehr
darum, daß die sozialen Bewegungen versuchen, Verbindungen zwischen den
Kämpfen zu knüpfen und einige Vorschläge der Zapatistas zur Diskussion
stellen. Konkrete Beispiele für den Einfluß des zapatistischen Denkens sind
die Bewegung der »disobedienti« (dt.: die Ungehorsamen) in Italien, die
sozialen Zentren sowie die Organisation von Initiativen, die Häuser für
Flüchtlinge oder prekär Beschäftigte besetzen.
F: Angesichts der enormen globalen Probleme: Wofür sollten wir gemeinsam mit
der zapatistischen Bewegung kämpfen?
Die Zapatistas haben vielen von uns beigebracht zu sagen: »Ich weiß nicht«.
Und in vielen Fällen ist es die angemessene Antwort. Wir müssen immer weiter
fragen.
Aber natürlich gibt es grundlegende Linien in ihrem Denken, wie die
generelle Besorgnis wegen des Krieges, den die Mächtigen auf dem gesamten
Planeten führen. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf den Krieg mit Waffen
und Armeen, sondern auf den alltäglichen Krieg, den der Neoliberalismus
gegen die Menschheit führt. Es ist ein Krieg, in dem die Indigenen von ihren
angestammten Ländereien vertrieben werden, um den multinationalen Konzernen
Zutritt zu verschaffen. In diesem Krieg werden den Arbeitern ihre Rechte
entzogen und Stück für Stück alle sozialen Errungenschaften vernichtet.
Damit werden die Renten, die Arbeitslosenhilfe und die Unterstützung für die
Kultur verschwinden, in einem Krieg aller gegen alle. Und ich glaube, das
ist Motiv genug, um gemeinsam mit den Zapatistas zu sagen: »Ya basta!« – Es
reicht!
Interview: Luz Kerkeling
ND vom 12.10.04
Ausbau der Autonomie in Chiapas
Selbstverwaltung in Bildung und Gesundheit schreitet voran
Mit Muñoz Ramírez sprach für ND Luz Kerkeling.
ND: Wie schätzen Sie die aktuelle Bedeutung der zapatistischen Bewegung im
Bundesstaat Chiapas ein?
Die zapatistische Bewegung organisiert und stärkt im Moment ihre Autonomie
in
den fünf indigenen Regionen, in denen sie präsent ist. Es handelt sich um
hunderttausende Männer, Frauen und Kinder, die sich auf eine neue Art und
Weise
selbst regieren. Entscheidend ist der Grundsatz des »gehorchenden
Befehlens«.
Dies bedeutet, die Macht von der Basis ausgehend zu organisieren, zu
überwachen
und umzusetzen. Die Zapatistas sind eine reale Kraft im gesamten Bundesstaat
und
repräsentieren einen wichtigen politischen Bezugspunkt für die Indigenen und
Marginalisierten des ganzen Landes - Frauen, Studierende, Campesinos,
Arbeitslose etc. -, weil sie mit einer konkreten Praxis in mehr als 1000
indigenen Gemeinden zeigen, dass man gegen die Macht kämpfen kann und
sollte.
Wie sieht es mit der Organisation auf nationaler Ebene aus?
Parallel zu ihrer lokalen Praxis haben sie die Initiative gestartet, ein
Widerstandsnetz auf nationalem Niveau zu schaffen. Ein Netz, indem sich die
Kämpfer zusammenschließen können und indem die Kämpfe des gesamten Landes
kommuniziert werden. Diese Initiative trägt den Namen »Plan La
Realidad-Tijuana«.
Verschiedene Bewegungen, die außerhalb von politischen Parteien und
Institutionen arbeiten, haben sich bereits vernetzt.
Sie haben über sieben Jahre in verschiedenen zapatistischen Gemeinden gelebt, ohne sie zu verlassen.
Wie ist das alltägliche Leben dieser Gemeinden im Widerstand?
Hier erlebt man den ganzen Tag, 24 Stunden, die Erfahrungen des Kampfes. Es
sind
Männer, Frauen und Kinder, die täglich arbeiten und den Widerstand
organisieren.
Die Frauen stehen um vier Uhr auf, erledigen ihre Arbeit und treffen sich
danach
in Kooperativen, sie nehmen an Versammlungen teil, in denen über Aktionen
und
die weitere Arbeit entschieden wird. Die Männer gehen auf die Felder, kehren
nach Hause zurück und machen mit ihrer Arbeit innerhalb der Organisation
weiter,
zum Beispiel mit der Überwachung der Sicherheit der Gemeinde oder der
Gesundheitsvorsorge. Am wichtigsten sind die Kinder. Sie gehen fast jeden
Tag
zur autonomen rebellischen Schule ihres Dorfes. Dort lernen sie nicht nur
Mathematik, Lesen, Schreiben und Sozialwissenschaften, sondern - und das ist
das
Wichtigste - sie lernen zu kämpfen, sich zu verteidigen und niemals mehr das
Gesicht wegen ihrer indigenen Identität zu verstecken.
Das hört sich nach paramilitärischer Ausbildung an?
Nein. Sie lernen nicht mit den Waffen zu kämpfen, sondern ihre Rechte zu
kennen,
ihre Vergangenheit und ihre Gegenwart. Auf diese Weise werden sie ihre
Zukunft
aufbauen. Das Beeindruckendste in den Gemeinde waren die organisatorischen
Fähigkeiten und die Entscheidungsfindung durch Versammlungen und Konsens.
Die
Plena sind täglich und dort wird alles beschlossen, was die Gemeinde
betrifft.
Es gibt bis zu drei oder vier Versammlungen pro Tag, um über Probleme oder
die
Teilnahme an Mobilisierungen ihrer Organisation zu diskutieren, das heißt
der
Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN.
Gibt es Fortschritte der Bewegung in Bezug auf ihre Autonomie in Chiapas?
Über dieses Thema könnten wir lange reden und es würde nicht reichen! Das
Wichtigste ist, dass alles im Widerstand aufgebaut wird -Bildung,
Gesundheit,
Handel, Kommunikation, Frauenkooperativen etc. - alles ohne jegliche Hilfe
der
Regierung. Sie realisieren alles durch ihre Arbeit und dank der Begleitung
von
hunderten Kollektiven aus Mexiko und vielen anderen Teilen der Welt. Ein
Beispiel ist der Handel. In einigen Zonen kaufen die »Juntas der Guten
Regierung«, die zapatistischen Instanzen der Selbstverwaltung, direkt die
Maisproduktion der Indigenen auf. Sie zahlen ihnen faire Preise und
kommerzialisieren die Produkte später außerhalb des Rebellenterritoriums.
Mit
dieser Praxis bekämpfen sie die Zwischenhändler und ihre Spottpreise. Die
Gewinne werden dann in andere kollektive Projekte investiert, wodurch das
Geld
nicht Einzelnen, sondern der Allgemeinheit zu Gute kommt.
Wie sieht es im Bildungs- und Gesundheitsbereich aus?
Dort gibt es die größten Fortschritte. Die Zapatisten bilden selbst ihre
Fachleute aus, die danach in ihre Dörfer zurückkehren und ihre Arbeit in
kleinen
autonomen Schulen und Gesundheitsstationen aufnehmen. Die so genannten
Promotoren erhalten keinerlei Lohn, aber im Gegenzug werden sie von den
Gemeinden bei der Feldarbeit unterstützt. Es gibt auch Arbeiten im Bereich
Kommunikation wie zum Beispiel eigene Radiosender. Selbstverständlich gibt
es
auch viele Projekte von Frauenkooperativen. Sie produzieren und verkaufen
ihre
Güter auf kollektive Weise, was ihnen ein eigenes Einkommen ermöglicht und
auch
eine andere Rolle innerhalb der Familie und der Gemeinschaft zuweist.
Ihr neues Buch ist bereits auf Englisch, Französisch, Italienisch, Deutsch
und
Persisch übersetzt worden. Wovon handelt es?
Es ist ein Versuch, sich den Menschen zu nähern, vor allem den Jugendlichen,
um
ihnen diese rebellische Geschichte zu vermitteln. Das Buch ist in drei Teile
unterteilt. Im ersten sprechen Beteiligte über den Aufbau der EZLN im
Untergrund
zwischen 1983 und 1994. Der zweite Teil liefert eine Chronologie des
zapatistischen Aufstands von 1994 bis heute. Im dritten Abschnitt berichtet
Subcomandante Marcos, der Sprecher der EZLN, über die 20 Jahre seit der
Gründung
der EZLN und die zehn Jahre ihres öffentlichen Wirkens. Marcos spricht über
ihre
Fehler, ihre Erfolge, die Überraschungen, auf die sie gestoßen sind, über
Treffen und Trennungen und über den globalen Kampf gegen den
Neoliberalismus.
(Neues Deutschland 12.10.04)
"Was ich hoffe, gelernt zu haben, ist zuzuhören …"
Gloria Muñoz Ramírez, Journalistin und Aktivistin aus Mexiko Stadt, war im Herbst 2004 in Europa, um ihr Buch "EZLN. 20 & 10. Das Feuer und das Wort" vorzustellen. Sie beschreibt darin den Aufstand der rebellischen Indígenas im südmexikanischen Chiapas und deren Organisation zu einer autonomen Regierung ihrer Gemeinden, in denen sie die sieben Jahre lang mitgelebt hat.
Das Interview wurde am 26. Oktober von AktivistInnen der Gruppe NosOtr@s, Der Gesellschaft für bedrohte Völker, der Frauensolidarität, Radio Orange und Libertad Weiz geführt.
F: Was hast Du in diesen Jahren in Chiapas gelernt?
Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Organisation des Alltags der zapatistischen Männer, Frauen und Kinder. Das sagt sich sehr leicht, aber es wirklich zu erleben, ist etwas ganz anderes.
Was ich persönlich gelernt habe, oder was ich hoffe, gelernt zu haben, ist zuzuhören.
Mir ist aufgefallen, daß ich in meiner Arbeit als Journalistin nie wirklich zugehört hab. Ich habe einfach das Mikrophon auf den Tisch gestellt, und dem, was die Leute sagten, keine Beachtung geschenkt.
In den indigenen Dörfern habe ich gelernt, zuzuhören. Die meiste Zeit hab ich das Aufnahmegerät dann weggestellt und einfach zugehört.
Das hat auch mit einem anderem Umgang mit der Zeit zu tun. Das ist ein anderer Rhythmus und man braucht sehr viel Zeit, um sich daran zu gewöhnen, ihn zu leben und zu genießen.
Kannst du uns etwas zum Verhältnis zwischen Männern und Frauen in den Dörfern erzählen?
Ganz allgemein herrschen in den indigenen Dörfern, nicht nur in den zapatistischen, sehr patriarchale Strukturen. Die zapatistischen Gemeinschaften versuchen nun, das Zusammenleben zwischen Männern und Frauen auszugleichen.
Zum Beispiel haben die Frauen in den meisten Dörfern kein Recht, Land zu erben. In den zapatistischen schon, in manchen zumindest. Es gibt keine einheitliche Regelung in den zapatistischen Gebieten, sondern sehr unterschiedliche Bedingungen und Prozesse in jeder Region.
Trotzdem ändert sich die Situation der Frauen in den Dörfern, sie haben nun das Recht, Land zu erben und an den Dorfversammlungen teilzunehmen.
Eine sehr einschneidende Veränderung entstand durch das Gesetz, das den Gebrauch von Alkohol verbietet. Dieses Gesetz wurde von den Frauen noch vor dem Krieg, also vor 1994 durchgesetzt, und das aus einem sehr einfachen Grund: Waren die Männer betrunken, kam es häufig zu gewalttätigen Übergriffen - also wurde der Alkohol verboten.
Es gab aber auch einen politischen Grund: Sie organisierten sich ja im Verborgenen, und unter dem Einfluß von Alkohol wäre dieses Geheimnis wahrscheinlich verraten worden. Es gab also noch weitere Gründe, aber es waren die Frauen, die dieses Gesetz durchgesetzt haben.
Dies geschah durch einen Diskussionsprozess in den Gemeinden, durch Versammlungen in jedem einzelnen Dorf mit zapatistischer Präsenz. Zuerst wurde über das Thema gesprochen, und dann wurde die Entscheidung im Konsens gefällt.
So ein Prozeß kann sehr lange dauern, und hier kommen wir zu diesem besonderen Umgang mit der Zeit zurück, den ich bereits angesprochen hab: Es gibt keine Eile - eine Entscheidung wird nicht unbedingt in zwei, drei Stunden gefällt, oft nicht einmal in zwei oder drei Tagen. Bei einer wichtigen Diskussion spricht man so lange, wie es eben notwendig ist, um zu einem Konsens zu kommen.
Was bedeutet Konsens? Einstimmigkeit?
Konsens bedeutet, daß es Übereinstimmung gibt. In der Regel wird nicht einfach abgestimmt, sondern es gibt zwei Möglichkeiten: Die eine ist, daß sich die Diskussion erschöpft hat und es besteht allgemeine Übereinstimmung. Aber es wird auf jeden Fall so lange geredet, bis auch der letzte sein Wort gesprochen hat, und wenn es verschiedene Meinungen gibt, diskutiert man weiter.
Manchmal gibt es auch Abstimmungen, aber nicht auf die Art, wie wir sie gewöhnt sind, sondern wenn eine Diskussion schon tagelang dauert, dann hebt man die Hand oder unterzeichnet ein Papier und gibt so seine Meinung kund.
Diese Entscheidungen der Dorfversammlungen werden von den lokalen Verantwortlichen in den Dörfern an die regionalen Vertreter weitergegeben, die Teil des Geheime Indigene Revolutionäre Komitees (CCRI), also der Comandancia der EZLN, sind.
Auf diese Weise werden zapatistische Gesetze verabschiedet, auch der Krieg wurde so beschlossen: In den einzelnen Dörfern wurde die Entscheidung getroffen und an die nächsthöhere Ebene weitergeleitet. So war es vor dem Krieg, und auch heute noch werden Entscheidungen auf diese Weise getroffen, was Veränderungen in der Organisation betrifft ebenso wie die neue Dynamik durch die Bildung der Caracoles und der Stärkung der Autonomie. Es ist immer die gleiche Vorgehensweise.
Wie sieht die Rechtssprechung in den zapatistischen Dörfern aus?
Das zapatistische Gebiet ist in fünf Regionen unterteilt, und es gibt zwei Ebenen der Autorität: Auf der einen Seite gibt es die politisch-militärische Struktur der EZLN mit dem CCRI, und dann gibt es jetzt auch die neuen Strukturen der autonomen Regierung, also zivile Strukturen, die unabhängig von den politisch-militärischen arbeiten.
Diese Räte der Guten Regierung kümmern sich um die autonome Verwaltung ihrer Region, der jeweils vier bis sieben autonome Bezirke angehören. Ihre Entscheidungen gelten für alle Dorfgemeinschaften, in denen die EZLN präsent ist.
Es gilt auch für zapatistische Familien in Dörfern, wo sie mit Nicht-Zapatistas zusammenleben, für die es nicht gilt.
Es gibt jedoch Entscheidungen, an die Nicht-Zapatistas auch halten müssen, beispielsweise was das Verbot des illegalen Holzfällens im Urwald betrifft: Die Zapatistas verbieten die Durchfahrt der Lastwägen, die diese Hölzer transportieren sollen, die in der Regel nicht-zapatistischen Organisationen von auswärts gehören.
Wie kamen die Frauen auf die Idee, gleiche Rechte und Mitbestimmung bei Entscheidungen zu fordern?
Dieser Kampf, ist nicht neu, sondern dauert bereits Jahrzehnte, in denen die Frauen versuchten, sich gesellschaftliche Räume zu erobern.
Was mir beim alltäglichen Leben klar wurde, ist, daß es die Frauen selbst sind, die um diese Räume kämpfen, und daß diese Prozesse tief im Inneren stattfinden. Ein wichtiger Punkt ist auch, nicht dem Rhythmus und der Dynamik der westlichen oder städtischen feministischen Bewegungen zu folgen, die versucht haben, die Diskussion der indigenen Frauen zu beeinflussen.
In jedem Dorf haben die Frauen das Recht erobert, an Versammlungen teilzunehmen und bei Entscheidungen mitzubestimmen, und das in einer Situation des Kriegs, also in einer sehr außergewöhnlichen Situation.
Die Frauen selbst sind es, die die Kooperativen bilden, sie sind es, die sich den Soldaten entgegenstellen. Dabei nehmen sie bestimmte Räume ein, und die wollen sie dann natürlich nicht einfach wieder aufgeben und zum Alten zurückkehren, sie wollen mehr.
Es gibt einen Bewußtseinsprozeß unter den Frauen in den Dörfern, Radiosendungen, in denen über die Rechte der Frauen gesprochen wird, und auch in den Schulen wird das Thema behandelt. Es gibt also viele Elemente, die diesen Kampf unterstützen, der oft auch im alltäglichen Leben stattfindet.
Ein ganz konkretes Beispiel: Früher wurden die Frauenkooperativen von Männern geleitet. Die Frauen produzierten zwar das Kunsthandwerk, aber es waren Männer, die sich um den Verkauf kümmerten, denn sie waren es, die lesen, schreiben und rechnen konnten.
Nun gibt es bereits die ersten Generationen von Frauen, die in vielen Fällen zwar nur über eine sehr grundlegende Ausbildung verfügen, sich aber um ihre eigene Verwaltung kümmern und nicht mehr erlauben, daß dies von Männern gemacht wird.
In einer Gemeinde habe ich erlebt, daß die Männer sagten: "Na gut, aber ihr könnt nicht rechnen, die meisten von euch sprechen nicht einmal spanisch, ihr habt ja keine Ahnung, wie das gemacht wird."
Aber die Frauen sagten: "Doch! Es gibt schon einige Frauen, die die Schule abgeschlossen haben und wissen, wie das geht, und das Geld, das wir einnehmen, werden wir dazu verwenden, die Ernährung zu verbessern."
Und sie setzten sich durch.
Der Umstand, einen wichtigen Teil zum Einkommen beizutragen, schafft neue Freiräume in der Familie ebenso wie in der Dorfgemeinschaft.
Bedeutet das, daß auch die Männer im Haushalt mithelfen? Du hast in einem Vorgespräche ja erwähnt, daß viele Frauen ihre Töchter nicht in die Schule schicken wollten, weil sie ihnen dann nicht im Haus helfen konnten.
Das ist ein komplexes Thema, und es geht nicht so schnell, wie wir Frauen von außen es gerne sehen würden. Man muß bedenken, daß hier jahrhundertealte Traditionen vorherrschen und viele Frauen gar keine Vorstellung davon haben, wie eine andere Form der Beziehung in ihrer Partnerschaft oder in ihrer Gemeinde aussehen könnte.
Es wäre eine Lüge zu sagen, daß sich die Männer an den Arbeiten im Haushalt beteiligen, das habe ich in den Dörfern nicht gesehen, sehr wohl aber die Beteiligung der Frauen an den Versammlungen - und langsam, Schritt für Schritt, werden auch die Männer Arbeiten im Haushalt übernehmen.
Zum Beispiel bei der Versorgung der Tiere, einer Arbeit, die traditionellen Frauenarbeit, sieht man jetzt auch Männer, die sich um die Hühner kümmern und die Tiere füttern, während ihre Frauen zu den Versammlungen gehen, die am Nachmittag stattfinden und drei, vier Stunden brauchen.
Aber Männer, die zum Fluß gehen, um die Wäsche zu waschen, habe ich nie gesehen.
In der Guerilla ist das anders, dort gibt es andere Verhaltensmuster, die sich völlig von den alten Umgangsformen unterscheiden, und das wirkt sich auch auf die Dörfer aus. Die Frauen in der Guerilla sind ja Indígenas aus den Dörfern, sind Schwestern, Cousinen, Töchter, die aus den Dörfern kommen und der EZLN beigetreten sind.
Die Frauen dort entwickeln eine andere Mentalität, und wenn sie in ihre Dörfer zurückkehren, erzählen sie davon, und das führt zu neuen Prozessen.
Zum Beispiel verwenden die Frauen in der Guerilla Verhütungsmittel, und wenn sie in ihre Gemeinden zurückkommen, werden sie gefragt: "Du bist doch schon fünf Jahre lang verheiratet, wie kommt das, daß du noch keine Kinder hast?"
Und dann erzählen sie, daß es da kleine Pillen gibt, die man nehmen kann, um nicht schwanger zu werden. Oder sie sagen: "Schau, mein Partner benutzt ein Kondom, das ist auch eine Möglichkeit, um keine Kinder zu bekommen."
"Es ist möglich, nicht schwanger zu werden?"
"Ja, das geht!"
Und das erzählen sie ihren Schwestern, ihren Cousinen, ihren Müttern - als eine von ihnen. Das ist etwas völlig anderes, als wenn Leute von auswärts kommen und ihnen irgendwelche Dinge erzählen.
Wie war das für dich als Frau aus der Stadt, in eine dermaßen patriarchale Gesellschaft zu kommen?
Obwohl ich so lange Zeit in den indigenen Gemeinschaften gelebt habe, bin ich in diesen sieben Jahren doch jemand von außerhalb geblieben, eine Besucherin, ich war nicht Teil der Gemeinde und unterstand daher auch nicht deren Regeln.
Sehr auffallend für mich war, wie die dreifache Unterdrückung funktioniert, unter der die indigenen Frauen zu leiden haben: als Frauen, als Indígenas und als Arme.
Dieser Bereich des Alltags hat mich sehr beeindruckt. Ich als Frau, die von außen kam, hab versucht, mich nicht in die internen Angelegenheiten einzumischen, und oft war es schmerzvoll, mitzuerleben, wie viele Frauen von ihren Männern mißhandelt wurden.
Gleichzeitig war es auch sehr schön zu sehen, wie Schritt für Schritt Lösungen gefunden wurden, wie die Frauen ihre Männer anzeigten und diese vor die Dorfversammlung zitiert wurden und erklären mußten, warum sie ihre Frau mißhandelt hätten.
Ich habe diese patriarchalen Strukturen sehr heftig erlebt, aber auch mit großem Respekt vor ihren eigenen Prozessen, ihrem eigenen Rhythmus, ihrer eigenen Vorgehensweise.
Vor allem aber versuchte ich, zumindest ansatzweise zu verstehen, was ich da erlebte. Zum Beispiel verwenden die Frauen das Wort "molestar", also "belästigen", wenn sie mit ihren Partnern schlafen. Sie sagen das natürlich in ihrer Sprache, aber wenn ich sie bat, mir das zu übersetzen, dann sagten sie "belästigen": "Gestern hat er mich nicht belästigt", "es ist schon lang her, daß er mich belästigt hat", "ich möchte nicht, daß er mich belästigt", oder "irgendwann werd ich ihn einmal belästigen" ...
Zuerst hab ich nicht verstanden, wovon sie sprachen, und ich fragte: "Wie meinst du das: Er hat dich gestern belästigt? Und wie kannst du mir das so ruhig erzählen?"
Und dann merkte ich, daß sie zwar dieses Wort verwenden, damit aber nicht unbedingt meinen, daß er sie bedrängt oder gezwungen hätte. Sie verwenden dieses Wort, aber das bedeutet nicht, daß es mit Gewalt oder auch nur gegen ihren Willen geschehen wäre. Das zu verstehen, hab ich lang gebraucht.
Bei uns geschieht es oft, daß Männer ihre Frauen zwar im Alltag durchaus mitreden lassen, aber sobald eine Situation härter wird oder in Kampfsituationen sie sich nach vorne drängen und jede Gleichberechtigung ablehnen. Ist das bei den Zapatistas auch so?
Ganz im Gegenteil: Genau die kritischen Momente des Kriegs haben es der indigenen zapatistischen Frau erlaubt, in Bereiche vorzudringen, aus denen sie sich danach nicht mehr verdrängen ließen.
Vor allem bei militärischen Übergriffen gegen die verschiedenen Dörfer wurde der indigene Widerstand von Frauen angeführt, es waren die Frauen, die sich den Soldaten entgegenstellten, dadurch natürlich auch viel Respekt in ihren Gemeinden erworben und neue Räume geöffnet haben.
Und sie sagen: "Wenn wir uns gegen die Soldaten wehren können, dann können wir auch studieren."
Etwas sehr Bezeichnendes geschieht in den Ausbildungskursen zum Thema Gesundheit. Auf regionaler Ebene kommen die verantwortlichen Promotoren für ein bis zwei Monate zusammen, und Frauen werden da oft schief angesehen, wenn sie ihr Dorf so lange verlassen. Da wird viel gearbeitet, also mit den Männern gesprochen, wenn etwa ein Vater seiner Tochter verbietet, in einen Kurs zu gehen. Nicht, weil er selbst etwas dagegen hat, sondern weil seine Freunde sonst Witze über ihn machen.
Wenn Frauen alleine unterwegs sind, dann sagt man, sie würden nach Männern Ausschau halten - in den Kursen gibt es ja auch viele Männer - und die Frauen bekommen oft den Ruf als Flittchen.
In manchen Gegenden gibt es deshalb zum Beispiel 60 Gesundheitspromotoren und nur 10 davon sind Frauen, in Extremfällen ist bei 100 Promotoren nicht einmal eine einzige Frau dabei. Genau daran wird in den Dörfern auf kollektiver Ebene gearbeitet, indem etwa Gesprächsrunden zu den Fragen veranstaltet werden, was die Teilnahme von Frauen bedeutet, warum Männer ihre alten Vorstellungen hinter sich lassen sollten oder daß die Frauen ja neue Fähigkeiten für den Dienst an der Gemeinschaft erwerben. Auch die Sendungen im Radio helfen sehr auf diesem Weg.
Wie sehen die Kontakte der Zapatistas zu den mexikanischen und internationalen sozialen Bewegungen aus?
Wenn wir von den Außenbeziehungen der Zapatistas sprechen - und es handelt sich dabei nicht nur um indigene Bewegungen im In- und Ausland - dann muß man immer bedenken, daß wir es hier mit einer geheimen, einer verbotenen und staatlich verfolgten Bewegung zu tun haben.
Daher sieht man sie nicht frei im Land herumfahren und schon gar nicht in andere Länder. Das heißt nicht, daß sie keine Kontakte zu anderen Bewegungen hätten, aber sie haben keine offiziellen Vertretungen - weder in Mexiko noch in der Welt.
Dafür kommt es zu vielen Begegnungen mit Menschen, die in ihre Dörfer kommen, das sind nicht wenige, und sie solidarisieren sich immer wieder mit den indigenen Kämpfen in Mexiko und anderen Teilen der Welt.
In vielen Gegenden in Mexiko, auch außerhalb von Chiapas, bilden sich autonome Gemeinden nach dem Vorbild der Zapatistas, zum Beispiel in Zul'chá in Guerrero, in Tlalnepantla in Morelos, in San Atenco im Bundesstaat Mexiko, in Michoacán bei den Purepechas, in Oaxaca bei den Huicholes, ... aber nirgends wird das zapatistische Beispiel einfach kopiert, überall handelt es sich um ihre eigenen Erfahrungen, ihre eigenen Prozesse, ihre eigenen Dynamiken.
Aber sie treffen sich mit den zapatistischen Gemeinden, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Die Purepechas etwa leben ca. 1.200 km von Chiapas entfernt und haben sich dort autonom organisiert und ihre eigene Form der Räte der Guten Regierung geschaffen, um sich gegen ein Ökotourismusprojekt durch multinationale Konzerne rund um den See in Ciraguán zu wehren. Die Verantwortlichen dieser Region besuchen die zapatistischen Gemeinden und sagen: "Wir machen das so, wie macht ihr das?"
Und sie tauschen Solidaritätsbotschaften mit vielen anderen indigenen Kämpfen in Lateinamerika aus, z.B. in Bolivien, mit den Mapuches in Chile, den Indígenas in Ecuador oder mit anderen, nicht-indigenen Bewegungen.
Was sind die größten Probleme der zapatistischen Gemeinden?
Als erstes natürlich die Militarisierung der Region und deren Auswirkung auf das tägliche Leben. In manchen Dörfern wohnen 500 Menschen direkt neben einem Militärlager mit 5.000 Soldaten, und das hat schlimme Auswirkungen auf das soziale Leben einer Gemeinde: Die Frauen können nicht allein zum Fluß gehen, um die Wäsche zu waschen, weil sie Angst haben, von den Soldaten vergewaltigt zu werden, die Kinder zeichnen Militärhubschrauber über ihren Hütten, und die Männer können nur in Gruppen auf die Felder gehen, um die Ernte einzubringen.
Das ist in den einzelnen Gemeinden und Regionen natürlich unterschiedlich, aber diese ungeheure Militärpräsenz erzeugt überall ein Klima der Angst und der Feindseligkeit. Und dazu kommen noch die paramilitärischen Gruppen, insgesamt 12 verschiedene, vor allem im Hochland und im Norden des Landes.
Im Flüchtlingslager Polhó, einer zapatistischen Gemeinde, leben - oder überleben - 7.000 Menschen, die aus ihren Dörfern geflüchtet sind. Die sind dort seit 1997, noch vor dem Massaker in Acteal, also seit 7 Jahren, ohne Felder, die sie bestellen könnten.
Nur mit der Hilfe der Räte der Guten Regierung und internationaler Solidarität kümmern sie sich um die tägliche Versorgung mit Nahrungsmitteln. Diese 7.000 Menschen arbeiten in verschiedenen selbstorganisierten Projekten, um ihr Überleben zu sichern, haben dabei aber natürlich mit großen Problemen zu kämpfen.
Dazu kommen die Aufstandsbekämpfungsprogramme der Regierung, die mit unglaublichem Aufwand versuchen, in die Dörfer und Familien einzudringen und ihre Projekte, Programme und Geld anbieten, um den Widerstand zu schwächen, die Leute aus der Organisation zu kaufen und die Verbindungen untereinander zu zerstören.
Und auch die Umsetzung der autonomen internen Projekte bringt eine Vielzahl an Problemen mit sich, die Zusammenarbeit mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft, die diese Projekte unterstützen, verläuft auch nicht immer reibungslos. Es kommt zu Begegnungen, aber auch zu Mißverständnissen in der Zusammenarbeit.
Von den internen Kämpfen der Frauen um die Übernahme von Ämtern in der Organisation und in ihrer Gemeinde habe ich bereits erzählt. Und dann arbeiten die neuen autonomen Strukturen der Räte der Guten Regierung ja parallel zu den politisch-militärischen Strukturen, und es ist eine tägliche Herausforderung, diese zivilen Strukturen vom Einfluß der politisch-militärischen Organisation frei zu halten. Das wären also einige der Probleme…
Wie finanzieren sich die Zapatistas und die autonomen Gemeinden?
Die einzige Unterstützung, die sie erhalten, kommt von der Solidarität der Zivilgesellschaft, von Organisationen und Einzelpersonen in Mexiko und anderen Teilen der Welt, die den Aufbau ihrer Projekte begleiten.
Aber sie verlassen sich nicht nur auf die Hilfe von außen: Es gibt viele interne Projekte, um ihr Zusammenleben zu organisieren. Zum Beispiel bringen die Kinder eine Henne mit, wenn sie sich in die Schule einschreiben, da wird dann ein Hühnerstall angelegt und die Kinder, die in der Schule wohnen, haben etwas zu essen.
Neben der Unterstützung von außen helfen sie sich also durch die Zusammenarbeit untereinander.
Das erfolgreichste Projekt ist sicherlich die autonome Vermarktung ihres Kaffees über alternative Netzwerke. Im Hochland von Chiapas gibt es zwei große Kooperativen, eine davon wird von den Flüchtlingen in Polhó betrieben, und diese Kooperativen exportieren ihren Kaffee in viele Länder, in die USA, die Schweiz, nach Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, ...
Sie verfügen über eine zivile und damit legale Struktur und sogar über Bio-Zertifikate für ihren Kaffee, verarbeiten ihn weiter, und einiges wird über Fair-Trade-Netzwerke verkauft, ein großer Teil aber direkt von Hand zu Hand.
Es ist beeindruckend, was sich da neben dem Fairen Handel und den Weltläden für Netzwerke aufgebaut haben, in denen nicht nur der Kaffee weitergegeben wird, sondern auch Informationen, woher der Kaffee stammt, über den Kampf und den Widerstand.
Du hast dich auf deiner Reise durch Europa mit vielen Solidaritätsbewegungen getroffen, die den zapatistischen Aufstand unterstützen. Was macht deiner Meinung nach die Faszination des Zapatismus außerhalb von Mexiko aus?
Dieses riesige Ausmaß der Unterstützung hat mich sehr überrascht. Ich bemühe mich nun, ein bißchen davon kennenzulernen und kann nur von meinen ersten Eindrücken sprechen. Wenn ich mich daran erinnere, daß ich 10 Jahre gebraucht hab, um den Aufstand zumindest ansatzweise zu verstehen, dann ist auch dieses Kennenlernen natürlich ein langsamer Prozeß. Ich würde mich also nicht als Expertin für den weltweiten Zapatismus bezeichnen.
Was mir auffällt, ist daß die Menschen an jedem Ort etwas anderes im Zapatismus sehen, manchmal unterschiedlich, manchmal sogar gegensätzlich.
Meiner Meinung nach besteht die Herausforderung des Zapatismus darin, Prozesse auszulösen, von denen sich sehr viele Menschen angesprochen fühlen. Er gibt nicht vor, was die Menschen damit tun sollen oder wie sie es genau tun müssen. Die Zapatistas leben ihre Praxis, und jeder kann sich aus dieser Praxis und aus dieser Ideologie das, was ihm für seinen eigenen Kampf nützt, heraussuchen und entsprechend abwandeln.
Ein sehr großer Einfluß geht auf die Jugendlichen aus, die von den politischen Parteien und den staatlichen Strukturen frustriert sind und sich von diesen Institutionen überhaupt nicht vertreten fühlen. Sie fühlen sich von der horizontalen Struktur der Zapatistas angesprochen, dem Fehlen einer Avantgarde, dem Slogan von "einer Welt, in der viele Welten Platz haben".
In Italien zum Beispiel gibt es eine neue Bewegung von Leuten, die sich die "Unsichtbaren" nennen, die machen verschiedene Aktionen und Demos mit vermummtem Gesicht und berufen sich dabei auf die Zapatistas. Sie erklären, daß sie das nicht nur tun, um sich vor Verfolgung zu schützen, sondern auch, um gesehen zu werden. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit also, aber nicht nur, um sich zu verstecken, sondern eben, um gesehen zu werden, wie es auch die Zapatistas tun.
Der Zapatismus ist so vielfältig, daß sich auch bestimmte Teile der Kirche angesprochen fühlen, oder die Schwulen- und Lesebenbewegungen, die sich mit den zapatistischen Positionen bezüglich Minderheiten, gesellschaftlicher Einbeziehung und Toleranz identifizieren.
Für viele Menschen älterer Generationen, die erlebt haben, wie um sie herum alles zusammengebrochen ist, bedeutet der Zapatismus nach all ihren Erfahrungen eine neue Hoffnung.
Was mich am meisten beeindruckt, ist also diese ungeheure Vielfalt, die enorme Pluralität der Bewegungen, die sich im Zapatismus zusammenfinden, und daß es dabei nicht nur um die Solidarität mit dem Aufstand in Chiapas geht, sondern sich auch auf die täglichen politischen Kämpfe in Europa selbst, in ihrer eigenen Umgebung, auswirkt.
Wie schätzt du die Bedeutung der freien Medien für Befreiungskämpfe ein?
Sehr hoch! Vor allem in den Momenten, wo die großen Medien auf Distanz gehen, spielen die unabhängigen Medien eine entscheidende Rolle, weil sie sich nicht darauf beschränken, nur über die großen Demonstrationen oder die schlimmsten Massaker zu berichten, sondern in einer gespannten Situation wie in Chiapas auch die ständigen Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und damit die großen Medien sogar in gewissem Sinn zwingen, sich ebenfalls am Laufenden zu halten und etwas mehr mit der wirklichen Lage auseinanderzusetzen.
Während dieser letzten 10 Jahre waren es oft die freien Medien, die über die aktuelle Situation berichtet haben, und die großen Medien haben diese Berichte übernommen.
Viele politische Menschen werden gerade durch die freien Medien angesprochen, sie sehen ihre eigenen Erfahrungen im Zapatismus wiedergespiegelt, das Interesse wächst und auch der gegenseitige Austausch von dem, was hier und dort geschieht, etwa über das freie Radio, wo Sendungen anderer Radios übernommen werden, in Europa Sendungen aus Chiapas und umgekehrt, auch drüben hört man Sendungen von hier.
Nach allem, was ich in den letzten Monaten gehört habe, glaube ich, daß die freien Medien sehr wesentlich dazu beigetragen haben, daß dieses große Netzwerk zur Unterstützung der zapatistischen Bewegung entstanden ist.
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