Worte der EZLN auf dem 2. Indigenen Encuentro der Halbinsel, gelesen
in Candelaria, Campeche, Mexiko. 26. August, 2006.
http://enlacezapatista.ezln.org.mx/la-otra-campana/429/
Worte der Sechsten Kommission der EZLN für das
II. INDIGENE ENCUENTRO DER HALBINSEL
Candelaria, Campeche, Mexiko.
August 2006.
Compaņeras und Compaņeros:
Wir danken der Indigenen Koordination der Peninsula und dem Indigenen
Nationalen Kongress dafür, uns auf diesem Treffen einen Platz gegeben
zu haben.
Wir danken auch den Compaņeros und Compaņeras von Candelaria,
Campeche, die bereit waren, der Ort zu sein, an dem sich unsere Worte
und Gedanken sich treffen und gehen.
Dies ist unser Wort als zapatistische Indigenas, die wir sind. Wir
grüßen nicht nur die Maya-Wurzel, die uns mit den indigenen Völkern
vereint, die dem Land und dem Himmel in Quintana Roo, Yucatán und
Campeche Würde verleihen.
Sondern auch die große Wurzel, die uns mit allen Indigenas unseres
Landes vereint.
So wie wir früher im Indigenen Nationalen Kongress der indigenen
Würde begegnet sind, die mit verschiedenen Sprachen, Kulturen und
Formen für unsere Rechte kämpft, sind wir jetzt in der Anderen
Kampagne noch weiteren indigenen Völkern und anderen Compaņeros und
Compaņeras begegnet, die jene von unten und links sind.
Unser Anliegen als indigene Völker ist weiterhin lebendig und
gegenwärtig, unter anderem dank der Compaņeros und Compaņeras vom
Indigenen Nationalen Kongress, ganz besonders der indigenen Völker
der Pazifik-Mitte-Region.
Mit ihnen sind wir diesen neuen Schritt eingegangen, der danach sucht
eine neue Form zu errichten Politik zu betreiben, antikapitalistisch
und links, ein landesweites Kampf-Programm und eine neue Verfassung
aufzubauen, und den wir die Otra Campaņa - die Andere Kampagne
nennen.
In dieser Bewegung lernen wir die Arbeiter und Arbeiterinnen, die
Campesinos, die Studenten, die Lehrer, die erwachsenen, jungen und
heranwachsenden Frauen, die Alten, die Kinder, die Angestellten, die
Künstler, die Intellektuellen, die Glaubensmenschen, die
Andersliebenden und die Jugendlichen, als Compaņero und Compaņera zu
bezeichnen; viele Menschen, die durch ein System beraubt,
ausgebeutet, verachtet und unterdrückt werden, die das Geld zum
Gesetz und die Simulation zur Doktrin erhoben hat.
So verschieden wie wir sind, haben wir darin eine Gleichheit
gefunden, den Verantwortlichen für unsere Schmerzen zu suchen und zu
finden: das kapitalistische System.
Unsere individuellen Kämpfe gingen nicht verloren, sie sind
gewachsen. Nicht nur weil sie ihren Mut mit andere verbunden haben,
sondern auch weil sie den Feind bestimmt und beschlossen haben sich
ihm zu stellen.
Unser Kampf für die Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie weiß, dass
diese nicht in dem System existieren können, das sich unserem Land
durch Blut und Feuer aufgezwungen hat.
Die Freiheit, die unseren Compaņeros und Compaņeras Gefangene von
Atenco, und den Hunderten politischen Gefangenen, Verschwundenen und
Verfolgten unseres Landes, entrissen worden ist.
Die Gerechtigkeit, die der Bevölkerung von Oaxaca verweigert wird,
die zusammengeschlossen in der Volksversammlung der Bevölkerung von
Oaxaca, den Rücktritt des schlechten Regierenden Ulises Ruiz fordert.
Die Demokratie, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Betrug
und dreister Hohn verwandelt wurde, und nahe dran ist, zum Grab des
elektoralen Weges zu werden.
Wir in der Anderen Kampagne, versuchen eine andere Freiheit, eine
andere Gerechtigkeit und eine andere Demokratie zu errichten.
Wir wissen, dass wir dafür das kapitalistische System niederreißen,
und gemeinsam ein anderes Land suchen müssen.
Auf dieser Wegstrecke müssen wir auch den Raum unserer
Verschiedenheiten errichten, unsere Identität und Geschichte
verteidigen.
Als indigene Völker, können wir diesen Aufbau nicht beiseite schieben
oder unterordnen.
Er hat seinen eigenen Schritt, seine eigene Logik, sein eigenes
Schicksal.
So haben wir innerhalb dieser großen Bewegung gesehen, wie einige
Menschen unsere Differenzen und die von anderen weiterhin nicht
sehen, und ihre Vision und ihre Entscheidungen aufzwingen wollen.
Weit entfernt von den Medien und den Angelegenheiten, die für da oben
"wichtig" sind, schreiten wir in der Anderen Kampagne als indigene
Völker weiter voran, wir treffen uns, wir finden uns, wir machen
unsere Vereinbarungen und errichten eine Identität, unsere Identität,
innerhalb der Anderen Kampagne und unseres Landes.
Als Zapatisten öffnen wir auch weiterhin das Herz und das Hören für
die Gedanken aller, die mit uns kämpfen.
Ohne zu verhöhnen, sammelt unser Hören die Worte verschiedener
Gebiete und Wirklichkeiten, aber alle von unten und von links.
Mit diesen verbündeten Gedanken, bereiten wir unsere nächsten
Schritte vor.
Dieses Treffen der Indigenen Völker, das heute auf dem Maya-Gebiet
der Halbinsel stattfindet, ist Teil dieses Prozesses, den wir
beschreiten.
Und hier ist unser Wort.
Während da oben der Lärm und die Hast der Mächtigen versuchen ein
weiteres Mal einen schlechten Regierenden aufzuzwingen, den sie durch
Lügen und Verachtung auf den Thron setzen.
Während gesagt und wiederholt wird, dass nur der Blick und die Stimme
zählen, die sich nach oben richten.
Während unter guten und edlen Herzen verbreitet wird, dass nichts
wichtig ist, wenn es nicht der Bewegung folgt, die danach strebt oben
zu sein.
Während auf allen Seiten die Lüge gekauft und konsumiert wird, die
den kritischen Blick und die gründliche Analyse verhindert.
Während die Farbe der Erde, die wir sind, wieder vergessen wird,
einschließlich von jenen, die behaupten, das Wohl aller zu suchen
(*).
Während sie sich dort oben gegenseitig anblicken, und untereinander
keinem zuhören.
In diesen Zeiten von Lärm und Verwirrung, wendet sich das Wort, das
wir sind, dazu über jene zu treffen, die so sind wie wir.
Wir, die zapatistischen Männer und Frauen der EZLN, wissen genauso
wie Sie, dass der Morgen in der Nacht geboren wird, inmitten von
Stille und Schatten.
Wir wissen, dass die große Stütze der Welt, die Ceiba, die Mutter, im
Unten wurzelt, in der Tiefe, in dem, was nicht gesehen wird; und von
dort erhebt sie sich und stützt die Welt und den Himmel, damit sie
gesehen und bewundert werden.
Und so ist unser Gedanke.
Der Gedanke, der wir sind, ist lange Zeit in unsere Herzen
geschritten und gewandert, bevor er zu Wort und Weg geworden ist, der
zu einem Schicksal für jene einlädt, die unten mit uns sind.
Und unsere Art bringt viele zur Verzweiflung, die von dem Lärm von
oben gedrängt und bewegt werden.
Wenn wir nicht schnell und auf dem Weg jener schreiten, die oben
sind, sagen sie, dass wir nicht existieren, dass wir fallen, dass wir
sterben, dass wir vorbei sind, dass wir uns täuschen, das wir das
Falsche tun, das wir verlieren.
Aber wir wissen, dass wir immer dann verloren haben, wenn wir zum
Rhythmus von oben geschritten sind und einen Ort für unser Wort
zwischen denjenigen gesucht haben, die an der Macht sind, oder nach
ihr auf den Weg streben, den die Macht festlegt.
Wir wissen, dass es nicht oben ist, weder in der Zeit noch im Raum,
wo wir das finden werden, was wir suchen, brauchen, wir verdienen.
Wir haben gelernt. Wir wissen jetzt.
Es ist mit denen, die so sind wie wir, weil sie anders sind.
Dort oben bieten sie uns einen Weg, voller Lichter, Prestige,
Ansehen, Applaus, die Grüße jener, die das Denken und das Wort zur
Arbeit haben.
Aber dieser Weg führt nicht dahin, wo wir gehen wollen.
Wenn er in eine anderen Richtung führt, wieso sollten wir unser
Schreiten, dem Schreiten anderer anschließen, so viele sie auch sein
mögen, auf dem Weg, der von oben abgesteckt wird?
Wir haben gelernt. Wir wissen jetzt.
Der Ort, an dem unser Schreiten Freiheit, Gerechtigkeit und
Demokratie finden wird, existiert nicht.
Wir müssen ihn erschaffen.
Und wir müssen ihn gemeinsam mit anderen erschaffen, die in ihrem
Schmerz und ihrer Geschichte verschieden sind, aber für den gleich
sind, der uns ausraubt und unterdrückt, der uns verachtet und
ausbeutet.
Und an diesem Ort muss die Farbe der Erde sein, die wir sind, mit
ihrem eigenen Schreiten, mit unserer eigenen Art.
Compaņeras und Compaņeros:
Hier auf diesem Maya-Boden erinnern wir uns an die Mutter Ceiba und
an die Geschichte des Gedanken, der in ihrem Körper umarmt wird. Und
wir erzählen sie mit den Worten dessen, der unser Anführer gewesen
ist, und die Würde der Maya Indigenas in ihrem Blut erweckte. Dies
ist...
Die Geschichte des Gedankens.
Unsere ältesten Vorfahren, die alten Weisen unseres Volkes erzählen,
dass die allergrößten Götter, jene, die die Welt geboren haben und
zum laufen brachten, damit wir sie später durchschreiten würden,
alles unvollendet gelassen haben.
Und das taten sie nicht aus Faulheit, oder weil sie sich beim Tanz
vergnügten.
Sie hatten das so geplant, weil die beendeten und vollständigen
Welten von jenen von oben aufgezwungen werden, die das Geld zum Gott
erheben, und die menschliche Dummheit zur Priesterin, die sich immer
wieder, so wie jetzt, mit der Lüge zur Regierung macht.
Also sind viele Dinge unvollendet geblieben, in dieser ersten Welt,
die von den allerersten Götter erschaffen wurde, die den Weg geboren
haben.
Es heißt zum Beispiel, dass der Gedanke nicht von den Göttern geboren
wurde.
Das heißt, dass der Gedanke nicht so geboren wurde wie wir ihn jetzt
kennen, sondern kaum ein Samenkorn war, der darauf wartete von
jemanden aufgenommen zu werden, der ihn zur Welt bringen und ihm Form
und Art und Weg und Schicksal verleihen würde.
Und daraus sind seitdem viele Gedanken geboren worden. Und nicht nur
einer alleine oder ein paar, sondern so viele wie die Farben, mit
denen die Welt bemalt wurde in der wir gelebt haben und leben.
Und so gibt es zum Beispiel den Gedanken, dass nur der oder die
Einzelne wichtig seien, dass das Kollektiv nichts wert ist, nicht
zählt, dass man nach dem individuellen Wohl streben muss, auch wenn
das auf den Kosten des schlechten Kollektivs geschieht.
Und dies ist der Gedanke, der er jetzt herrscht, und auf unsere
indigenen Länder als Regierung und Wahrheit aufgezwungen wird.
Und dies ist der Gedanke, der versucht uns als das was wir sind zu
vernichten, und unsere Geschichte, unsere Kultur, unser Land und
unsere Würde in eine Ware zu verwandeln.
Aber dieser Gedanke tritt in vielen Verkleidungen auf, die täuschen
und seine Hand verbergen.
Und manchmal tritt er als Freiheit verkleidet auf, und lügt.
Und manchmal im Anzug der Gerechtigkeit, und lügt.
Und manchmal mit dem Mantel der Demokratie, und lügt.
"Gleichheit" sagt jener, der oben ist, weil er sich mit unserem
Schmerz bereichert.
Und die Freiheit, die er verspricht ist jene zu versuchen mit unserem
Blut Handel zu treiben.
Und die Justiz, die er verteidigt ist jene, die ihn ungestraft lässt
und denjenigen verfolgt, der sich unten nicht ergibt.
Und die Demokratie, die er ausruft, ist die der Resignation vor den
verschiedenen Gesichtern der gleichen Macht, die uns ausraubt, uns
ausbeutet, uns verachtet und verfolgt.
Aber es gab und gibt einen anderen Gedanken.
Der Gedanke der weiß, dass jener, der oben von unserem Blut lebt, und
jener, der unten die Welt mit seiner Arbeit zum Laufen bringt, nicht
gleichgestellt sind.
Der Gedanke, der die Geschichte des Kampfes kennt, die unten
schmerzt.
Der Gedanke, der danach sucht, etwas anderes zu errichten, eine
andere Welt.
Der Gedanke, der sich nicht mit dem zufrieden gibt, was die Augen
sehen und die Ohren hören, sondern anfängt danach zu blicken und
hinzuhören, das weder erscheint, noch Ton hat.
Der Gedanke, der unsere Compaņeros und Compaņeros Gefangene von
Atenco beflügelt, und mit dem, dem sie dem Unrecht und der
Vergessenheit Widerstand leisten.
Der Gedanke, den unsere Compaņeros und Compaņeras aus Oaxaca
aufrichten, die darum kämpfen sich von der schlechten Regierung zu
befreien, die sie unterdrückt.
Der Gedanke, der schreitet, wird in jenen geboren, die sich eine neue
Form Politik zu betreiben zueigen gemacht haben, die nach dem Oben,
das uns verachtet weder blickt noch strebt, noch seufzt.
Der Gedanke, für den wir als indigene Völker und als Zapatisten der
EZLN kämpfen.
Compaņeras und compaņeros:
Die indigene Maya-Legende, die erzählt, dass die Mutter Ceiba, Stütze
der Welt, ihre Wurzeln in die Unterwelt versenkt und sich mit dieser
Kraft erhebt und den Himmel stützt, blickt nicht nur auf die
Geschichte dessen was wir waren, sondern auch darauf was wir sind und
in dem Morgen sein werden, den unser Schreiten und das von anderen
haben.
Als Zapatisten, als Indigene Völker mit Maya Wurzeln, als Compaņeras
und Compaņeros im Kampf, grüßen wir die Worte und die Geschichten,
die hier gesprochen werden und sich finden.
Und hier sagen wir:
Der Morgen von Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie, die wir
brauchen und verdienen, wird die Farbe der Erde haben, die wir sind,
oder es wird ihn gar nicht geben..
Compaņeros und Compaņeras, wir entrichten ihnen unseren Gruß, der
allerkleinste auf der Welt, der jetzt noch nur ein Gedanke ist und im
Schatten schreitet, aber bereits auf eine andere Dämmerung deutet,
die den Morgen von Angst und Schande entkleidet.
Mit den indigenen Völkern!
Freiheit für die Gefangenen von Atenco!
Gerechtigkeit für das Volk von Oaxaca!
Demokratie für das Mexiko von unten!
Für das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee - Generalkommandantur
der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung.
Durch die Sechste Kommission des EZLN.
Subcomandante Insurgente Marcos .
Mexiko, August 2006.
* * *
(übs. von Dana)
(*) Anspielung auf die Koalition des "linken"
Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador - "Por el Bien
de Todos (Für das Wohl aller)
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