MANIFEST DER ANDEREN KAMPAGNE
Das Manifest der Anderen Kampagne [span.: Otra Campaņa], verfasst und vorgelesen von den VertreterInnen der Otra aus den Bundesstaaten Mexikos und der Anderen Seite, mit Delegado Zero als "Zeremonienleiter".
Vorgetragen auf der Protestkundgebung auf dem Zócalo von Mexiko-Stadt am 2. Juli 2006
Subcomandante Marcos: Compaņeros, Compaņeras:
Heute Abend werden jene von unten aufhören, wichtig zu sein. Sie werden da oben keinen haben, der ihnen zusieht oder zuhört, aber sie werden in uns, in der Otra, einen Raum haben. Ab morgen wird die mexikanische Bevölkerung wissen, dass es eine andere Alternative gibt, einen anderen Weg, eine andere Form, Politik zu machen. Die Compaņeros und Compaņeras der Otra auf nationaler Ebene - die einzige linke Organisation und Bewegung, die AnhängerInnen im ganzen Land hat - haben eine Botschaft an die mexikanische Bevölkerung vorbereitet.
ERSTER TEIL
(Vorbereitet von den VertreterInnen der Bundesstaaten aus dem Norden Mexikos)
Angesichts des Kapitalismus, dem System, das alles in eine Ware verwandelt und darauf abzielt, unsere Kultur abzulehnen, zu unterdrücken und auszulöschen, hat unser Volk seit mehr als 500 Jahren - und seit der Besetzung Mexikos in 1848 - eine Kultur des eisernen Widerstandes bewiesen.
Viele sind gefallen gegen den überwältigenden Druck einer Realität, die nur den Ausdruck der vorherrschenden Kultur erlaubt, als Schau für Touristen und als Vorwand, um Waren zu verkaufen, und nicht selten Menschen.
Aber die Andere Kampagne erschafft und entwickelt eine neue Kultur, basierend auf humanen Prinzipien wie Freiheit, gegenseitigem Respekt, Liebe und Solidarität.
Diese Konzepte, verachtet und bekämpft von denen, welche die politische, wirtschaftliche und kulturelle Macht kontrollieren, sind es, die uns von unten und links bewegen. Oben richten sich die wenigen, die Mächtigen, nur nach unten, um die gleichen Lügen wie immer zu erzählen, die gleichen Täuschungen, die gleiche Verachtung.
Oben ist der Hass gegen den Schwachen und die Frauen. Oben sind die Misshandlung, die Verachtung, die Schläge, die Vergewaltigung, der Mord. Oben ist die politische Kultur der Korruption, der Günstlingswirtschaft, derer, die sich die Herrschaft kaufen.
Oben sagen sie, dass die kulturelle Arbeit und die Kunst nur eine weitere Sache sind, die verkauft und aufgeteilt werden kann. Sie sagen, dass ihnen die Luft gehört, und nicht nur die Luft, sondern auch die Stimmen, die durch sie reisen und sich suchen, denn mit dem Televisa-Gesetz und ihren anderen Tricks und Plänen wollen sie, dass nur ihr Radio gehört wird, nur ihr Fernsehen gesehen wird, die den gleichen Blödsinn wie immer bringen, der betrügt und lügt. Oben setzen sie durch, dass man nur in der gleichen Sprache kommuniziert, mit der gleichen Musik, der gleichen Information, dem gleichen Rhythmus, vermengt zu einer einzigen Denkweise.
Oben wird die Verachtung gegenüber allem gefördert, das anders ist: die Indígenas, die Compas, die Armen, die Jugendlichen, die Schwulen, Lesben, Transvestiten, Transsexuellen, gegen alle, die eine andere, eigene Art haben. Oben sagen sie, jung zu sein bedeute, die Musik zu hören, die sie bestimmen, sich anzuziehen wie sie es vorschreiben, zu reden wie sie reden, und sogar zu lieben, wie sie das festlegen.
Oben schlägt man vor, dass alles nur eine Sache ist, und als Sache kann man es mit einem Etikett versehen und verkaufen. Oben bestimmt der Konsum, was man kaufen soll und wie viel, und zu welchem Preis.
Oben sagt man, dass jeder alleine ist, dass alle auf sich selbst gestellt sind.
Oben spezialisieren sich die Institutionen der Macht darauf, das Gewissen zu kaufen und das freie Denken zu korrumpieren, denn in den Diensten derer von oben stehen auch Intellektuelle und Künstler/innen, die von oben legitimiert sind und mit den Mächtigen Augenzwinkern und Liebenswürdigkeiten austauschen.
Das Oben mit seinen Schulen und Universitäten von der Art derer von oben, will dem Unten die gleichen Ideen, den gleichen Plan und die gleiche Denkweise aufzwingen.
Oben sagen sie, dass nur jene studieren dürfen, die dafür zahlen können, dass die Hässlichen und Andersartigen abgelehnt werden.
Oben wird das alles und noch mehr gesagt, und wer auch immer heute in dieser Farce der Demokratie nach oben kommt, wird hinterher das gleiche sagen und weiterhin die gleiche Verachtung, Unterdrückung, Enteignung, Erniedrigung und das Vergessen der bescheidenen und einfachen Menschen vorschlagen.
Unten haben wir, die Otra, die einfachen und bescheidenen Menschen getroffen, die dem Oben nicht glauben, die NEIN rufen, die Widerstand leisten und kämpfen gegen dieses Oben, gegen das kapitalistische System. Unten haben wir gemeinsam gelernt und die Menschen gesehen, die für den Respekt der Frauen, Mädchen, Alte und Arbeiterinnen kämpfen. Unten bewundern wir die Frauen, die gegen die Ungerechtigkeit kämpfen und rebellieren.
Unten, in der Anderen Kampagne, suchen wir nach einem Weg, diese Übel zu beenden, die das Volk, die Leute, die Indígenas, die Arbeiter und Campesinos bescheißen.
Unten fällt die kulturelle Arbeit zwar nicht so hübsch aus, aber wir teilen sie, um zu kommunizieren und zu sagen was wir gegen die Ausbeutung fühlen. Und sie wird von Hand gemacht, auf der Werkbank, denn wir wissen gut, dass es in den Räumen von oben keinen Platz gibt für den Verschiedenen, für den Anderen, für die Andere.
Unten leisten die alternativen Medien Widerstand und kämpfen für eine andere Kommunikation, die alle Stimmen, Musikarten und Rhythmen der Menschen einschließt.
Unten treffen wir jene, die mit anderen Stimmen und auf andere Sprachen kämpfen und sich zuhören: die indigenen Völker, die ihre Kultur verteidigen; die Jugendlichen, die ihre Jugend und ihr Frausein verteidigen, die Schwulen, Lesben, Transsexuellen, Bisexuellen, Transvestiten, die anderen Lieben, die ihr Recht verteidigen, auf ihre Art zu lieben, sich nach ihrer Art zu kleiden und ihre Wünsche zu haben.
Unten sagen die Anderen, sagen wir, dass das so nicht geht. Dass es viele Arten von Musik, und viele Formen gibt zu lieben und sich zu kleiden, nicht nur eine einzige, und dass alle leben sollen wie sie wollen.
Unten suchen wir nicht nach Applaus, uns reicht die Genugtuung der Pflichterfüllung und die Notwendigkeit zu kämpfen.
Unten ist das Kollektiv, die Autonomie, die Solidarität, der Respekt und die Liebe.
In der Anderen Kampagne vereint sich das Unten, und das Oben erzittert. Das Unten beschließt sich anzusehen, zu reden, sich zu organisieren und zu kämpfen.
Das heißt, unten sehen wir, dass es andere Anliegen gibt, und unten, in der Anderen Kampagne, gibt es einen Platz für alle Verschiedenheiten.
Deshalb sagt die Andere Kampagne: Volk von Mexiko, Compas der Anderen Kampagne, da oben möchten sie Deine Kultur und Deine Ideen zerstören. Aus diesem Grund laden wir Dich ein, Dich denen von unten anzuschließen, und die herrschende Kultur zu bekämpfen, den Kapitalismus. Wir laden Dich ein, Deinen Raum zu verteidigen, Deinen Platz, Deine Unterschiede.
Die von oben brauchen wir nicht mehr.
Vereinen wir das Unten, das wir sind, und kämpfen wir nach links.
Von Chiapas nach Chicago, die Andere Kampagne geht weiter!
ZWEITER TEIL
(Vorbereitet von den VertreterInnen der Bundesstaaten aus dem Zentrum Mexikos)
Das mexikanische Volk erleidet Schmerz und Hunger wegen des Kapitalismus, wegen der schäbigen Selbstsucht einiger weniger, die den größten Teil des Reichtums in ihren Hände konzentrieren, und zu den Reichsten der Welt gehören. Währenddessen lebt die überwiegende Mehrheit der Mexikaner und Mexikanerinnen in extremer Armut. Diese schiefe Realität können wir nur lösen, wenn wir sie an der Wurzel anpacken, die Fabriken zurückerobern, das Land, die natürlichen Ressourcen und die politischen und kulturellen Räume, um sie in die Hände der Arbeiter und Arbeiterinnen zu geben, die wir sind, die produzieren. Die Fabriken und das Land brauchen keine Herren, um zu produzieren. Wenn Pasta de Conchas in den Händen der Bergarbeiter und Bergarbeiterinnen gewesen wäre, hätte es keine Toten gegeben.
Deshalb sagen wir, dass all die großen Reichen und ihre Lakaien, ihre Regierungen, ins Gefängnis gehören. Auf diese Weise werden alle, die arbeiten, ein würdiges Einkommen haben. Die Reichen haben sich durch Raub, Betrug, Enteignung und Ausbeutung bereichert, in Komplizenschaft mit den Regierungen. Aber diese Schweine wollen noch mehr, das, was sie haben, reicht ihnen noch nicht. Diese Kapitalisten wollen unser Land haben, unsere Wälder, unser Wasser, unsere Luft und wollen unsere Kultur, Identität und Geschichte zerstören.
Gerechtigkeit.
Das Land, das unsere Großeltern an uns weitergereicht haben, wurde von den Reichen für sich beansprucht. Uns sagen sie, dass wir den Mund halten sollen, dass wir Trunkenbolde wären, dass wir nicht wüssten, wie man redet. Aus diesem Grund wollen wir Gerechtigkeit. Eine gerechte Gesetzgebung. Damit, wenn es Probleme gibt, die Regierungen sie nicht mehr vertuschen, sie hinschmeißen und uns ignorieren. Aber wenn es um einen Reichen geht, wird er schon beachtet. Uns diskriminieren sie und setzen uns herab. Sie halten uns für dumm, aber wir haben unseren Kampf und werden ihn fortsetzen.
Wir sind die Andere Kampagne. Wir kämpfen gegen den Kapitalismus - das System der Ausbeutung, die wir im Augenblick und seit Jahrhunderten erleben und erleiden - weil er uns eine Gerechtigkeit aufzwingt, die sich prostituiert, die sich die Reichen kaufen können und die Armen nicht, und so werden Ungerechtigkeiten aller Art verübt. Der Kapitalismus und seine Regierungen brechen die Gesetze. Das heißt, der Kapitalismus bietet uns ein Land, in dem die Gerechtigkeit für Arme nicht existiert.
Das kapitalistische System hat ein Land geschaffen, in dem Repression und Mord als Mittel zur Lösung von sozialen Konflikten eingesetzt werden, die er selbst verursacht, durch Enteignung, Ausbeutung, fehlende Gerechtigkeit und durch die Verachtung derer von oben für die einfachen und bescheidenen Menschen von unten.
In diesem System, das System derer von oben, kriminalisiert die Justiz die sozialen Kämpfe und die Forderungen des Volkes. In diesem kapitalistischen System ist arm zu sein und dagegen zu kämpfen das schlimmste Verbrechen, das man gegen den sogenannten "Rechtsstaat" verüben kann.
Dieser Anti-Leitspruch gibt den Mächtigen die Rechtfertigung, jene zu ermorden, verschwinden zu lassen, zu unterdrücken, zu foltern, zu vergewaltigen, einzusperren und zu verfolgen, die Widerspruch anmelden. Beispiele gibt es viele, zu viele. Zu den neuesten gehören: Oaxaca, Atenco, Lázaro Cardenas und ihre Folgen: alle Compaņer@s, die politische Gefangene sind, die gemeinsam mit den anderen verschwundenen und eingesperrten Compaņer@s der letzten Jahrzehnte unsere Verschwundenen und unsere politischen Gefangenen sind. Und solange es im Land einen einzigen politischen Gefangenen und einen einzigen Verschwundenen gibt, kann es keine Demokratie geben.
Aus all diesen Gründen haben wir beschlossen, diese Bewegung aufzubauen, die sich Andere Kampagne nennt. Um zu kämpfen, damit die Gerechtigkeit in dem einzig möglichen Ort wiedergeboren wird: in den Händen unseres Volkes.
Demokratie
Es kann nicht sein, dass eine kleine Handvoll Politiker die Entscheidungen vereinnahmen, die mehr als fünf Millionen Mexikaner betreffen, wenn es gerade ihre Entscheidungen sind, die Mexiko in den Ruin getrieben haben. Diese Verkäufer der Heimat sind nur an Macht interessiert, um sich zu bereichern, indem sie den großen Reichen zu Diensten sind. Es gibt keine Unterschiede zwischen der PAN, der PRI oder der PRD - sie sind alle gleich und wollen uns ihre Pläne von Vergessen, Schmerz und Tod aufzwingen.
Alle sechs Jahre besticht der Kapitalismus diese verkäufliche Farce, die sich Ausdrucksfreiheit nennt, mit absurden, enormen Mengen von Geld, das dem Volk gehört, damit die Besitzer des Landes und der Massenmedien - das Fernsehen, das Radio, die großen Zeitungen - ihre Kassen mit Dollar füllen. Dann gewähren sie uns zwei Sekunden angeblicher Demokratie, um den gleichen Henker zu wählen, der uns mit drei Masken täuscht, eine gelbe, eine blaue und eine dreifarbige. Gleich darauf nimmt auf dem Präsidentenstuhl der neue Plünderer unserer Schätze Platz, der neue Mörder der Republik, der neue Cheffolterer unseres Volkes. So erneuert der Kapitalismus für das Volk die gleiche alte Dornenkrone aller Amtsperioden, aber geschmückt mit neuen Glasperlen und einem rosa Schleier.
Diese Demokratie, diese- wie es heißt - Macht des Volkes, versichert dem Kapitalismus nur eine einzige Sache; dass das Volk niemals die Macht ergreifen kann und dass die Macht weiterhin eine große Peitsche bleibt, um das mexikanische Volk zu versklaven und zum Schweigen zu bringen.
Und die Kapitalisten und ihre Speichellecker von der Regierung sagen uns: es gibt keine Option. Du, Volk, musst uns wieder wählen, es bleibt dir nichts anderes übrig. Wenn du nicht wählst, halt die Klappe! (*). Und sobald sie in der Regierung sitzen ignorieren, verachten und erniedrigen sie dich. Und wenn du dich dann mit anderen zusammenschließt, um die Stimme der Gemeinde, des Stadtviertels, lauter und stärker zu machen, beschuldigen sie dich im Fernsehen, und schicken einen Haufen Polizisten, die dir mit Schlagstöcken den Schädel einschlagen, dich verprügeln, deine Frauen vergewaltigen, deine Kinder töten und dich ins Gefängnis sperren. Seit Jahren sagen uns jene, die das alles verschuldet haben, die reichen Kapitalisten, die alles besitzen: die Fabriken, die größten Landgüter, die großen Geschäfte, die Banken und alles andere, gemeinsam mit ihren politischen Parteien, die sie beschützen, dass wir nicht protestieren dürfen, dass alles besser wird, dass der Schmerz nicht mehr lange dauert. Sie sagen, damit er ganz zu Ende geht, müssen wir ihnen weiterhin die Führung der Landes anvertrauen. Und sie sagen uns, das es sicher auch gar nicht anders geht, als so wie es schon immer gewesen ist. Deshalb sind sie auch nur damit beschäftigt, uns die Wahlurnen vorzusetzen, damit wir wählen, wer von ihnen uns regieren soll.
Eine andere Art Politik zu machen
Aber sie erzählen Lügen, so wie immer. Sie betrügen uns. Es war nicht immer so, dass die Reichen mit der Peitsche in der Hand befehlen, und das Volk sich nur duckt und leidet. Und es ist auch nicht sicher, dass es nicht anders sein kann und dass wir immer so weitermachen müssen, ohne den Mund aufzutun, so wie sie das wollen.
Hier sind wir, hier sprechen wir unser Wort, hier vereinen wir unsere Stimmen um sie stärker und größer zu machen. Hier erschaffen wir, alle zusammen, diese landesweite Bewegung des Volkes von unten und links, der bescheidenen und einfachen Menschen aus Mexiko.
Hier ist die Andere Kampagne, geboren aus der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald, die dazu aufruft, zuzuhören und angehört zu werden, uns zu organisieren, unsere eigenen Formen zu erschaffen, Politik zu machen, gemeinsam unsere Entscheidungen zu treffen, jeden so respektierend wie sie sein wollen, die Art jedes einzelnen respektierend, jeder Gemeinde, jedes Stadtviertels, jedes Volkes. In der Anderen Kampagne muss niemand aufhören, zu sein was sie sind, um zu sein, zu leben und zu wachsen.
Und wir kündigen an, dass wir den Kapitalismus zu Fall bringen werden. In der Anderen Kampagne werden wir alle die Arbeiter des Volkes sein, die sich beteiligen, kollektiv überlegen und gemeinsam über die großen nationalen Probleme entscheiden. Nur die Bevölkerung ist in der Lage, Lösungen zu finden, die allen Mexikanern zunutze kommen. Deshalb sagen wir, dass das Volk befehlen und die Regierung gehorchen soll. Dann werden wir alle gemeinsam eine neue Verfassung entwerfen, mittels eines Nationalen Kampfplans, an den sich alle mexikanischen Männer und Frauen beteiligen werden, mit ihren Gedanken, mit ihrem Wort, mit ihrem Zuhören, mit ihrem Wissen, mit ihrer Bildung, mit ihren Händen und mit ihrem Herzen.
Die Andere Kampagne möchte jeden einzelnen Buchstaben des Wortes Mexiko finden, und sie an ihren richtigen Platz stellen, an dem sie sein müssen, um einen Sinn zu ergeben. Die Buchstaben haben aufgehört zu reden, weil niemand hinhört, aber es hat sie immer gegeben.
Sie sind immer hier gewesen, in jeder Frau, in jedem Mann, in jedem Kind, in jeder alten Person von unten. Die Andere Kampagne lädt Dich ein, Dein Wort vorzutragen und bietet sich an, aufmerksam und respektvoll zuzuhören. Und wenn wir alle vollständig sind, werden wir alle "Mexiko" sagen, und das Land und die ganze Welt werden dann anders sein, neu und besser, für alle. Eine Welt in der es für jeden und jede einen Platz gibt; Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie für alle.
Von Mexiko aus grüßen wir alle Völker der Welt, die Widerstand leisten, kämpfen, und sich weder ergeben, noch sich verkaufen. Alle Völker der Welt, die auf allen Breitengraden unter den Anstürmen des Kapitalismus leiden. Alle, deren Gebiete und/oder Kulturen unter Besetzung sind, die in einem ungleichen und ungerechten Krieg verletzt werden, und die Widerstand leisten und überleben, und sich organisieren, und sich verteidigen. Heute möchten wir alle grüßen, die Anhänger der internationalen Sexta und insbesondere auch, das palästinensische Volk.
Compaņeros und Compaņeras: dies ist die Andere Politik. Dies ist die Andere Kampagne.
DRITTER TEIL
(Vorbereitet von den VertreterInnen aus den südlichen Bundesstaaten und der Küste Mexikos)
Wir, Männer und Frauen von unten und von links, die immer diskriminiert worden sind und nun das bilden, was wir die Andere Kampagne nennen, rufen alle auf, sich diesem Kampf anzuschließen, um der Verachtung derer von oben ein Ende zu setzen.
Wir alle können von unseren kleinen Orten aus sehen, wie in Mexiko und auf der ganzen Welt die Diskriminierung herrscht, denn wenn sie einen von uns verachten, verachten sie alle, und setzen damit auch der menschlichen Würde ein Ende. Deshalb sehen wir, dass die von oben, indem sie uns die Würde wegnehmen, uns in ihre Sklaven verwandeln; sie wählen und entscheiden unsere Zukunft.
Als indigene Völker, Stämme und Nationen diskriminieren sie uns, weil sie uns für unwissend halten. Sie halsen uns das PROCEDE auf [staatliches angebliches "Hilfsprogramm", das aber die Privatisierung der Kollektivländer ermöglicht, Anm. Gruppe B.A.S.T.A.] und nehmen uns das Land weg, damit die Regierung ihre Geschäfte machen kann. Aber die Erde ist unsere Mutter und kann unmöglich verkauft werden, denn die Erde ist die Quelle unseres Lebens. Aber für sie ist das nicht wichtig; sie denken nur daran, ihre Gewinne einzustreichen. Damit verurteilen sie uns zum Verschwinden.
Weil wir jung sind, schikanieren sie uns jeden Tag. Die Polizei hält uns auf der Strasse auf und behandelt uns wie Verbrecher. Einige halten uns auch für hässlich und glauben wir seien Diebe und Kriminelle, weil wir langes Haar oder Bärte tragen.
Wir dürfen nicht so aussehen, wie wir wollen, sondern wie sie das anordnen. Für die da oben macht uns sogar unsere Kleidung zu Kriminellen. Wenn wir Schwarz tragen fürchten sie uns und begegnen uns nicht mit Respekt. Und so geht es täglich zu, auf dem Land und in der Stadt.
Als Kinder und Alte, und als Menschen, die eine fremde Sprache sprechen, als Ausländer oder Indígenas, passiert uns das gleiche: sie ignorieren uns und denken, wir wüssten gar nichts, dass sie kein Grund haben uns zuzuhören. Und wenn sie sehen, dass wir dunkle Haut haben oder arm sind, ist es noch schlimmer, weil sie ohne uns auch nur einmal anzuhören oder mit uns zu sprechen bereits entscheiden, dass wir nutzlos sind und wollen uns unsichtbar machen, dass wir uns schämen zu existieren.
Wenn irgendeiner von uns mal krank wird, erhalten wir von den Ärzten weder Beistand noch Respekt. Wenn wir eine Behinderung haben, wird keine Rücksicht darauf genommen, wie uns das beeinträchtigt, und das System will, dass wir alles so machen wie alle anderen und keine Privilegien haben, solange sie nicht das Geld für die Apparate und die Unterstützung sehen, die wir brauchen. Manchmal können wir auch nicht in unsere Schulen oder Arbeitsstellen hineinkommen, und jene, die der Ungerechtigkeit von oben dienen, sagen uns immer, dass es unsere Sache sei, alle Probleme zu regeln. Jene von uns, die HIV- positiv sind, behandelt man, als ob wir keine Menschen wären, sie sagen uns, dass es unsere Schuld sei, dass wir ein schmutziges Leben führen und Sex mit jedem hätten. Und schlimmer, wenn wir effeminiert oder vermännlicht aussehen. Wenn sie denken, dass wir Homosexuelle, Lesben und Bisexuelle sind, fragen sie uns über unser Intimleben aus, sie respektieren nicht unser Recht ein gesundes Privatleben zu haben. Wenn wir unseren Freund oder Freundin in der Öffentlichkeit küssen, wenden sie das Gesicht ab und sagen, wir wären widerlich, gefährliche Kranke. Die von oben sagen mit ihrem Gesetz, dass es Orte gibt, in die wir nicht hineindürfen und sie bringen den Menschen bei, uns zu verabscheuen und auszuspucken, wenn wir etwas berühren, das ihnen gehört.
Alle von uns, die nicht viel Geld vorweisen können, erhalten auch keine Toleranz von der schlechten Regierung und dem egoistischen Geld. Wenn sie uns vor Gericht bringen, werden wir nicht beachtet. Sie zwingen unsere Familien, für unsere Verteidigung viel Geld zu zahlen, weil sie unsere Fälle nie zum Abschluss bringen. Jahrelang lassen sie uns im Gefängnis warten, und sie sagen, dass wir schuldig sind, damit sie sich gut fühlen. Sie werfen uns ins Gefängnis und behalten uns dort, ohne uns die Chance zu geben, unsere Unschuld zu beweisen. Ja, wir Armen sind keine richtigen Menschen, so wie sie uns behandeln.
Wenn wir Straßenkinder sind, sagen sie, wir wären schmutzig und verjagen uns mit der Polizei von den Orten, an denen wir leben. Sie lächeln uns nie an, sie runzeln nur die Stirn, und wenn die Polizei kommt und uns zwingt, ihnen sexuelle Dienste zu leisten, sagt niemand etwas. Weil wir nichts wüssten, weil wir hässlich sind in ihren falschen glücklichen Städten. Weil wir nichts sind.
So gehen sie auch mit uns Frauen um. Wir gelten weniger als Männer und sind das Eigentum jener, die uns beherrschen. Sie sagen uns, dass wir nicht die gleichen Anrechte hätten, dass wir tun sollen, was sie sagen. Wir haben kein Recht auf sexuelle Wünsche, denn unser Körper gehört uns nicht. Wenn wir dick sind, können sie uns auslachen, und das Fernsehen stachelt sie dazu an. Und weil wir Frauen sind, rufen sie uns auf der Strasse dreckige Sachen hinterher, ohne uns zu kennen, als ob wir keine Würde hätten und nur ein Sexobjekt wären. In unserer Erziehung bringen uns die Ideen derer von oben von Kindheit an bei zu glauben, dass es so gut ist, dass es so sein soll, und dass wir glücklich sein sollen und aufhören sollen, uns so hysterisch zu empören.
Von klein auf fangen sie an uns diese Lügen beizubringen, denn die von oben fürchten nichts mehr, als uns frei und gebildet zu sehen. Deshalb erlassen sie Gesetze, die das Leben für Mütter und Großmütter schwierig machen, sie erlassen Gesetze, um unsere Körper zu kontrollieren, und das, was wir mit unser Leben machen, und sie ermutigen jene, die uns missbrauchen und ausbeuten wollen, es zu tun. Wenn wir zuhause geschlagen werden und das bekanntmachen, glauben uns die Medien nicht, es gibt Menschen, die uns beschuldigen, zu lügen und unsere Familien nicht zu lieben. Wenn sie uns töten, lassen sie unsere Mörder frei herumlaufen und sagen, sie wären vorbildliche Bürger, dass wir die Kriminellen gewesen wären, die schlechten Ehefrauen und schrecklichen Weiber.
Und wenn wir zu Sexarbeitern und Sexarbeiterinnen werden, weil wir arm sind und weil das System und der Machismo unser Leben zerstören, ist es, als ob man nicht tiefer sinken könnte. In dieser Sprache, in unser tägliches Leben, schien es nichts schlimmeres zu geben, als "puta" [dt.: Hure] genannt zu werden. Wegen unserer Arbeit erlaubten sie uns nicht, uns gut um unsere Kinder zu kümmern, sie in die Schule einzuschreiben, und sie behandelten uns auch nicht gut, wenn wir ins Krankenhaus mussten. Außerdem hatte die Polizei die Erlaubnis, alles mit uns zu machen, was sie wollten, weil wir für die von oben weder Rechte noch eine würdige Identität hatten. Sogar einige Menschen halten uns Sexarbeiter für das allerniedrigste der Gesellschaft.
Jenen von uns, die transsexuell sind oder intersexuell, sagt man alles mögliche nach, ganz gleich was wir tun. Wir können nicht baden gehen ohne Angst zu haben, weil die Gesetze und die Erziehung von oben uns zwingen wollen entweder völlig männlich oder völlig weiblich zu sein, und wenn wir sagen, dass wir menschlich sind, dann existieren wir gar nicht. Deshalb macht unsere Art, uns zu kleiden zu Verbrechern, unsere Gesichter führen dazu, dass wir von allen politischen Parteien und der Kirche beleidigt werden, und wenn wir glücklich sein wollen, sagt uns der Kapitalismus, dass das nicht geht, nicht so wie wir sind, dass wir uns seinem Spiel und seinen Definitionen unterwerfen müssen.
Für jene, die diskriminieren, ist es am wichtigsten, dass wir nicht wissen wer wir sind. Aber wir, in der Anderen Kampagne, glauben, dass wir alle zusammen und verschieden schöner sind und es macht uns stolz, dass man uns zuhört, wenn wir sagen wer wir sind.
Und so werden wir alle, dort wo wir unsere Kämpfe führen, unterdrückt, weil wir versuchen, uns zu organisieren. Sie wollen uns spalten; jene von oben, mit ihren schlechten Regierungen, versuchen uns mit Geld, Versprechen und Lügen und ihren falschen Wahlkampagnen zu kaufen. Aber wir werden nicht schweigen. Sie wollen uns zum Schweigen bringen, uns unterdrücken, uns schlagen, uns einsperren, weil wir soziale Kämpfer sind, uns verschwinden lassen, und uns sogar töten. Aber wir sind bereits viele Stimmen, die Echos haben.
All dies sind unsere Geschichten, die gleichen, die wir mit den Stimmen der Anderen Kampagne geteilt haben. Gemeinsam lernen wir, einander zuzuhören, uns kennenzulernen und zu kämpfen, um unsere Welt zu verändern. Denn wir fühlen alle den Schmerz, verachtet zu werden.
Aus diesem Grund laden wir alle ein, sich mit diesem Schmerz zu identifizieren. Und wenn sie es genau so satt haben, verachtet zu werden, wie wir es tun, sollten wir uns alle zusammentun und immer kämpfen, um dieses System zu beenden, diesen Kapitalismus, der uns aussondert, uns verurteilt und uns tötet.
Kämpfen wir jeden Tag gegen die Diskriminierung, um für uns eine andere Art zu Leben zu schaffen: würdig und gerecht.
Ein Hoch auf die Andere Kampagne! Ein Hoch auf alle, die diskriminiert werden!
VIERTER TEIL
(Vorbereitet von den VertreterInnen der Bundesstaaten aus dem Südosten Mexikos)
Compaņeras und Compaņeros:
Wir grüßen Sie aus Chiapas, Tabasco, Yucatán, Quintana Roo, Campeche und möchten Ihnen diese Botschaft überreichen.
Wir sind alle hier versammelt, weil wir sehen, dass der Kapitalismus Raub und Ausbeutung bedeutet. Der Ursprung all dieser Unterdrückungen ist das kapitalistische System, in dem eine Minderheit sich unsere Arbeit aneignet, unser Land, Wasser und unsere natürliche Ressourcen, unsere Gesundheit, unser Brot, unsere Wohnungen und unsere Bildung.
Für das kapitalistische System, in dem die Reichen ihren Wohlstand durch den Schweiß der Bevölkerung gewinnen, für sie ist alles nur ein Geschäft. Das Leben dieser Personen hat für sie genauso wenig einen Wert wie die menschliche Kreativität . Ihre Profitgier beherrscht alles, das ist der Kapitalismus, das ist der Neoliberalismus.
In der Anderen Kampagne organisieren wir uns, damit alle Personen, auf dem Land und in der Stadt, gemeinsam ein Land und eine Welt aufbauen, in der wir alle Obdach, Land, Arbeit, Schulbildung, ärztliche Versorgung und gute Ernährung haben.
Um mit unsere Rechte mit unsere eigenen Hände zu errichten, teilen wir auch unsere Erfahrung miteinander; um zu zeigen und sichtbar zu sein, denn wir, das Volk, haben die Fabriken gebaut, die Pflüge, die Krankenhäuser, unsere Familieneinrichtungen. Und wir weigern uns, sie uns weiterhin von einigen Wenigen entreißen zu lassen, die unsere Arbeit ausnutzen und sich dadurch bereichern.
Aus diesem Grund rufen wir die mexikanische Bevölkerung auf, dass wir uns organisieren, damit unsere Familien nicht mehr ihr Zuhause und ihr Dorf verlassen müssen, um an anderen Orten zu arbeiten. Organisieren wir uns, damit die Dörfer Land haben und die natürlichen und menschlichen Ressourcen nicht mehr privatisiert werden.
Wir rufen dazu auf uns zu organisieren, damit wir alle einen Platz haben, um in Würde leben zu können, damit es Schulbildung für alle gibt.
Wir rufen dazu auf, uns zu organisieren, damit das Recht auf ärztliche Versorgung für Frauen, Kinder, Alte und für alle Menschen Wirklichkeit wird.
Wir rufen dazu auf, uns zu organisieren, damit unsere Kinder nicht mit Unterernährung, Hunger und Krankheiten aufwachsen, die vermeidbar und heilbar sind.
Wir bitten nicht um einen Posten bei der Regierung, und wollen uns auch nicht über irgend jemanden stellen. In der Anderen Kampagne versuchen wir einen Platz im Kampf für die Befreiung aller Völker Mexikos und der Welt zu haben.
Gracias Compaņer@s.
Es leben alle Frauen und Männer, die für eine bessere Welt kämpfen!
* * * (*) "Si no votas, cállate" - "Wenn du nicht wählst, halt die Klappe!". Dieser einfallsreiche Leitspruch war der Slogan einer diesjährigen Regierungskampagne, die sich nach "Rock-the-Vote"- Manier vornehmlich an die jungen Wähler Mexikos wenden sollte.
* * *
(übs. von Dana)
Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/la-otra-campana/370/ (Text + Audio)
(leichte Überarbeitung: Gruppe B.A.S.T.A.)
|