Worte der EZLN
vorgelesen von Subcomandante Marcos auf dem zweiten Vorbereitungstreffen für die Andere Kampagne mit
indigenen Völkern und Organisationen 13.8.2005


Wie die Welt begann

Da dies das Treffen der indigenen Völker und Organisationen ist, werden wir versuchen darüber zu reden, wie unsere Art zu leben ist, unter den Indígenas, unter den indigenen Völkern. Und ein kleiner Teil davon ist die Geschichte, die unsere Maya-Vorfahren über den Beginn der Welt erzählten.
Sie sagten damals, so erzählten es unsere Alten, dass am Anfang nichts war, und dass die Welt in Wirklichkeit erst anfing zu laufen, zu laufen begann, als das Wort erschien. Aber das Wort erschien nicht nur so einfach, das Wort, so erzählen es unsere Alten, begann, indem es im Inneren gedacht wurde, durch, so sagen sie, Überlegung. Indem sie das Wort benutzten, fingen die ersten Götter an, jene, die die Welt erschaffen haben, sich untereinander zu beraten, sie sprachen, sie trafen Übereinkünfte und sie überlegten.

Und da sie Übereinkünfte erzielt hatten, verbündeten sie sich, verbündeten ihre Gedanken, und so fing die Welt an zu laufen. So fing alles an, mit dem Wort, das im Inneren gedacht, oder im Herzen überlegt wurde, das der innere Spiegel ist, in dem wir das sehen können, was wir sind. Und so geschah es daher, dass das Wort das andere Wort traf.

Das erste Wort kämpfte nicht, es wollte nicht dominieren, es wollte das andere Wort nicht erobern, denn das erste Wort das entstanden war, hatte ein Wort getroffen, das wie eine Schwester war, gleichwertig und doch anders. Oder als ob sie die gleichen Wurzeln hätten, aber verschiedene Äste oder Blätter des Weltenbaumes wären. Oder als ob das erste Wort nicht alleine war, sondern ein anderes Wort hatte, und wie unsere Maya-Vorfahren glaubten, fing die Welt an geboren zu werden, als das eine Wort das andere traf und sie sich nicht stritten, sondern sich trafen und Einigungen erzielten, weil sie sich gegenseitig respektierten und sie sprachen und sie hörten zu.

Dann herrschte Übereinkunft, weil das erste Wort nicht alleine geboren wurde, es hatte auch Ohren, und mit dem Ohr, durch Hinhören, fingen die ersten Worte an zu wachsen, weil sie übereingekommen waren, und die ersten Worte, die einander gefunden hatten kamen überein, und zuerst erdachten sie die Welt und dann erschufen sie sie. Sie machten sich nicht einfach daran die Welt zu erschaffen, mit ihren Flüssen, ihren Bergen, ihren Tieren, ihrer Nacht, ihrem Tag, ihrer Sonne, ihrem Mond, ihrem Mais, ihren Männer und Frauen, stattdessen dachten die ersten Worte zuerst, und dann erschufen sie.

Aber dann geschah es einmal, dass jemand sagte, er sei besser als der Rest, und er wollte regieren, er wollte mehr und Besseres haben als alle anderen, und dann raubte derjenige, der mehr regieren wollte, von den anderen. Er nahm ihnen das, was sie hatten, mit Gewalt weg, er nahm den anderen weg, was ihnen gehörte, so als ob er sie, wie man das sagt, enteignete, das heißt, er nahm ihnen weg, was sie besaßen. Und er dominierte sie auch, und er dominierte ihre Arbeit, er nahm ihnen weg, was sie produzierten, so als ob er sie, wie man das sagt, ausbeutete. Und so wurde der eine, der mehr und Besseres besitzt, geboren. Er wurde nicht geboren, weil er einfach erschien, sondern durch die Enteignung und die Ausbeutung. Und so ist die Geschichte der Welt, die Geschichte zwischen denen, die dominieren wollen, um ihr Wort und ihre Lebensart durchzusetzen und den anderen ihr Reichtum wegzunehmen, und denen, die sich nicht beherrschen lassen wollen, die rebellieren.

Und jene, die rebellieren, die man Rebellen nennt, sie wollen nicht jene sein, die herrschen, stattdessen wollen sie, dass jeder gleich ist, ohne dass einige mehr haben und andere weniger. Ohne dass es einige gibt, die vorsätzlich rauben und ausbeuten und andere, die grundlos beraubt und ausgebeutet werden. Diese Rebellen wollen, dass wir Äste und Blätter des Weltenbaums sind, alle in ihrem eigenen Platz nach ihrer eigenen Art. So erzählen es unsere Maya-Vorfahren. Die Maya-Indígenas, die als erste dieses Land bewohnten. Und so wurde es weitergegeben an ihre Söhne und Töchter, an ihre Enkelsöhne und Enkeltöchter, und dadurch von einer Zeit zur anderen, also von einer Generation zur nächsten, und diese Lebensart blieb unter den Maya-Indígenas bestehen, die verschiedene Namen tragen, und deren Wohnorte sich bis Yucatán und Guatemala, Campeche, Tabasco, Quintana Roo, und hier in unseren Staat Chiapas erstrecken.

Und so blieb uns diese Lebensart erhalten, wie sie erzählten, und so ist es auch die Art der Zapatistas, oder Neo-Zapatistas, wie sie uns nennen, weil wir wie neue Zapatistas sind, zuerst die bestehende Welt und das was zu tun ist im Inneren zu erdenken, und dann nehmen wir das Wort heraus und suchen andere Schwester-Worte, und wir versuchen zu sehen, ob durch Sprechen und Zuhören Übereinkommen entstehen, und so wird das Wort größer, und so wird die Welt, die wir erträumen auch größer. Aber jetzt ist es nicht an uns, die Welt zu beginnen. Was jetzt an uns ist, ist, dass es solche gibt, die enteignen und ausbeuten, und solche, die rebellieren und Freiheit wollen, und dann entscheiden wir uns dafür, denen zur Seite zu stehen, die für Freiheit kämpfen, die Seite derer, die dominiert werden, und die beraubt und ausgebeutet werden.

Und deshalb diese Geschichte. Die Compaņeros und Compaņeras von den indigenen Organisationen kennen sie bereits, weil wir schon sehr lange Zeit zusammengeschritten sind. Und gemeinsam sahen wir, dass wir uns verbünden und übereinkommen müssen, und so wurde der Nationale Indigene Kongress [CNI] geboren. Übereinkünfte und Märsche und Mobilisierungen fanden statt, und jene, die herrschen und dominieren, wollten das Wort darüber, wie wir sind, nicht anerkennen. Dann dachte jeder von uns wieder nach, und neue Kämpfe wurden geboren, um unseren Weg umzusetzen, auch wenn sie die Gesetze der Reichen nicht anerkannten. Und darüber hoffen wir ein wenig mit den Brüdern und Schwestern zu reden, die von anderen Seiten kommen, von anderen indigenen Völkern, und von anderen indigenen Organisationen.

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(übs. von Dana)