Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung Juli 2005
Ein Pinguin im Lakandonischen Urwald I/II
(Die Zapatistas sind nur ein kleines Haus, vielleicht das Kleinste, in einer Straße namens "Mexiko", in einem Viertel namens "Lateinamerika", in einer Stadt genannt "die Welt")
Sie werden es mir nicht glauben, aber im EZLN Hauptquartier gibt es einen Pinguin. Sie werden sagen "Hey, Sup, was soll das? Du bist ja schon mit dem Roten Alarm völlig in die Luft gegangen", aber es ist die Wahrheit. Tatsächlich, während ich Ihnen das hier schreibe, steht er (der Pinguin) gleich hier neben mir, ißt das gleiche alte, abgelaufene Brot (es ist so verschimmelt, dass es nur kurz davorsteht zu Penizillin zu werden), das zusammen mit dem Kaffee meine heutige Ration darstellt. Ja, ein Pinguin. Aber darüber erzähle ich Ihnen später mehr, denn zuerst müssen wir uns ein wenig über die Sechste Erklärung unterhalten.
Wir haben aufmerksam einige Ihrer Zweifel, Kritiken, Ratschläge und Debatten darüber gelesen, was wir in der Sechsten vorgeschlagen haben. Nicht alle davon, das ist wahr, aber das kann man nicht auf Faulheit schieben, sondern auf den Regen und den Schlamm, der die Wege in den Bergen des mexikanischen Südostens sogar noch mehr in die Länge zieht. Obwohl es viele Punkte gibt, werde ich in diesen Text nur einige davon ansprechen.
Einige der Hauptkritikpunkte beziehen sich auf den Aufruf zu einem neuen Interkontinentalen Treffen, auf den nationalen, mexikanischen Charakter der Sechsten, und damit einhergehend, auf den Vorschlag (der immer noch nur das ist, ein Vorschlag), den indigenen Kampf mit dem der anderen sozialen Sektoren zu verbünden, vor allem dem der Arbeiter auf dem Land und in den Städten. Andere beanstanden die Definition der antikapitalistischen Linken, und dass die Sechste sich mit "alten Themen" beschäftigt, oder "abgenutzte" Konzepte verwendet. Ein paar andere warnen vor Gefahren: die Verdrängung des indigenen Anliegens durch andere, und infolgedessen, den Ausschluss der indigenen Völker als Gegenstand der Transformation; der Führungsanspruch und der Zentralismus, der in der Allianzpolitik mit den linken Organisationen entstehen könnte; die Ersetzung der sozialen Führung durch eine politische Führung; dass die Rechte den Zapatismus benutzen könnte, um López Labrador (AMLO) einen Schlag zu versetzen, und damit in anderen Worten der politischen Mitte (ich weiß, dass diese Bemerkungen von AMLO als einen Linken sprechen, aber er sagt, er sei Mitte, also werden wir uns an das halten, was er sagt, nicht was sie über ihn sagen).
Die Mehrheit dieser Anmerkungen sind wohlbeabsichtigt und versuchen zu helfen, indem sie zurecht vor Hindernissen auf dem Weg warnen, oder zurecht Meinungen dazu beisteuern, wie die Bewegung, die die Sechste zu erwecken versucht, wachsen könnte.
Zum Thema Schneiden und Kleben
Ich werde jene auslassen, die beklagen, dass der Rote Alarm nicht mit der Wiedereröffnung der offensiven Kriegsführung durch die EZLN geendet hat. Wir bedauern, dass wir Ihre Erwartungen von Blut, Tod und Zerstörung nicht erfüllt haben. Nein wirklich, wir entschuldigen uns. Vielleicht zu einer anderen Zeit . . . Wir werden auch die unehrlichen Kritiken beiseite lassen. So wie jene, die den Text der Sechsten Erklärung so editieren, dass es am Ende das sagt, was sie wollen das es sagt. Das tat Seņor Victor M. Toledo in seinem Artikel "Maßloser Zapatismo - nachhaltige Entwicklung, indigener Widerstand und Neoliberalismus", erschienen in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada (18. Juli, 2005). Ich denke man kann die Ziele und Methoden, die in der Sechsten Erklärung postuliert werden debattieren, ohne unehrlich werden zu müssen. Denn Seņor Toledo, unter Anwendung der "schneiden und kleben" Methode, hat die Sechste zurechteditiert, um anzumerken, dass ihr das fehlt . . . was er herausgeschnitten hat, Toledo schrieb: "Es ist überraschend, dass (die EZLN in der Sechsten Erklärung) beschlossen hat ihre Kräfte mit Campesinos, Arbeitern, Angestellten, Studenten, Frauen, Jugendlichen, Homosexuellen, Lesben, Transsexuellen, Priestern, Nonnen und Sozialaktivisten zu vereinen und kein einziges Mal die Tausenden von indigenen Gemeinden erwähnt, die sich dem Streben nach nachhaltiger Entwicklung widmen."
Nun, die Teile, die Seņor Toledo aus der Sechsten herauseditiert hat, erklärten genau das Gegenteil. Zum Beispiel der Teil, der die Existenz von Widerständen und Alternativen zum Neoliberalismus in Mexiko anerkennt, und an erster Stelle ihrer Aufzählung anmerkt: "Und so haben wir erfahren, dass es Indigenas gibt, deren Länder weit weg von Chiapas liegen, und die ihre Autonomie aufbauen und ihre Kultur verteidigen und das Land, die Wälder und das Wasser beschützen." Vielleicht hat Seņor Toledo einen detaillierten Bericht über diese indigenen Kämpfe erwartet, aber das ist eine Sache, und es ist etwas sehr anderes und unehrliches zu sagen, sie seien kein einziges Mal erwähnt worden. In der Aufstellung, die Seņor Toledo über die Bemühungen jener macht, denen sich die EZLN anzuschließen beschlossen hat, hat er die erste soziale Gruppe herausgeschnitten, auf die sich die Sechste bezieht, wo es wörtlich heißt: "Und dann, Und dann, je nachdem, was die Vereinbarung der Mehrheit dieser Menschen ist, denen wir zuhören werden, können wir einen gemeinsamen Kampf mit allen führen, mit Indígenas, Arbeitern, Campesinos, etcetera." Darüber hinaus erklärt der erste Punkt der Sechsten sehr präzise: "1. - Wir werden weiterhin für die indigenen Völker Mexikos kämpfen, aber nicht mehr nur für sie und mit ihnen, sondern mit allen Ausgebeuteten und Enteigneten Mexikos, mit ihnen allen und im ganzen Land..."
Und am Ende der Sechsten heißt es: " Wir laden alle Indígenas, Arbeiter, Campesinos ... etc ein...." Kurzum, ich hätte gedacht, unter denen, die von unserer Kritik an López Obrador und der PRD irritiert sind, könnte es ernsthaftere und ehrlichere Argumente für die Debatte geben. Vielleicht werden sie eines Tages vorgebracht werden. Wir werden warten, das ist unsere Spezialität.
Zum Thema: wir wollen euch nicht in diesem Viertel
Es gibt dann auch Kritiken, obwohl etwas versteckter, dass die Sechste Erklärung sich auf einige internationale Themen bezieht, und gegen die Art und Weise auf die sie diese vorbringt. So kritisieren einige die Tatsache, dass wir zu der Blockade Stellung nehmen, die die US-Regierung gegen das kubanische Volk betreibt. "Das ist ein sehr altes Thema," sagen sie. Wie alt? So alt wie die Blockade? Oder so alt wie der Widerstand der indigenen Völker Mexikos? Was sind denn die "modernen" Themen? Wer kann sich die Welt ehrlich ansehen und einen Angriff gegen ein Volk mit Schweigen übergehen - "weil es ein altes Thema ist" - das das tut, was alle Völker tun sollten, das heißt, ihre Richtung, ihren Pfad und ihr Schicksal als Nation zu bestimmen ("die nationale Souveränität verteidigen" nennen sie das)?
Wer kann die Jahrzehnte des Widerstandes eines gesamten Volkes gegen die Arroganz der USA ignorieren? Wer würde, in der Gewissheit etwas tun zu können - wenn auch nur ein bisschen - um diese Bemühung anzuerkennen, dies nicht tun? Wer kann es ignorieren, dass dieses Volk sich nach jeder Naturkatastrophe selbst aufhelfen muss, nicht nur ohne die Unterstützung und Hilfskredite, die anderen Länder zur Verfügung stehen, sondern auch inmitten einer brutalen und unmenschlichen Belagerung? Wer kann die US-Basis von Guantánamo auf kubanischem Territorium ignorieren, das Folterlabor, zu dem sie gemacht wurde, die Wunde, die sie in der Souveränität eines Volkes darstellt, und sagen "Hör auf, dass ist doch ein altes Thema."
Andererseits, scheint es nicht natürlich, dass in einer Bewegung, die hauptsächlich indigen ist, so wie die Zapatistas, das, was die Indígenas in Ecuador und Bolivien tun, Sympathie und Bewunderung hervorrufen würde? Dass sie Solidarität mit jenen empfinden, die in Brasilien kein Land haben und kämpfen? Dass sie sich mit den "Piqueteros" von Argentinien identifizieren, und die Mütter der Plaza de Mayo begrüßen? Dass sie Vertrautes in den Erfahrungen und der Organisation der Mapuche von Chile und der Indigenas aus Kolumbien entdecken? Dass sie vor dem Offensichtlichen in Venezuela warnen, nämlich, dass die US-Regierung alles mögliche unternimmt, um die Souveränität dieses Landes zu verletzen? Dass sie den großen Mobilisierungen in Uruguay gegen die Auferlegung der "makrowirtschaftlichen Stabilität" mit Enthusiasmus applaudieren?
Die Sechste Erklärung spricht richtet sich nicht an die Institutionen von oben, gute oder schlechte. Die Sechste blickt nach unten. Und sie sieht eine Realität, die geteilt wird, mindestens seit den spanischen und portugiesischen Eroberungen der Länder, die nun den Namen "Lateinamerika" teilen. Vielleicht ist dieses Gefühl der "patria grande" anzugehören, die Lateinamerika in ihrer Gesamtheit ist, alt, und es ist "modern" seinen Blick und seine Erwartungen dem "rastlosen und brutalen Norden" zuzuwenden. Vielleicht, aber wenn es etwas gibt, das in dieser Ecke Mexikos, Amerikas und der Welt "alt" ist, dann ist es der Widerstand der indigenen Völker
Zum Thema: wir wollen euch nicht in dieser Straße
Dann gibt es auch (ich werde einige davon hervorheben und zusammenfassen) Kritiken dagegen, dass wir versuchten unseren Diskurs und unseren Kampf zu "nationalisieren und sogar zu internationalisieren". Die Sechste, so erklären sie uns, falle im Bereich dieser Art von Unsinn. Deshalb empfehlen sie, dass die EZLN in Chiapas bleiben solle, dass sie die Juntas der Guten Regierung festigen und sich auf die wasserdichte Abteilung beschränken sollte, die ihr zusteht. Dass sobald dieses Projekt konsolidiert sei, und wir demonstriert hätten, dass es möglich sei "eine alternative Modernität zum Neoliberalismus auf seinem eigenen Land in die Praxis umzusetzen", wir danach in die nationale, internationale und intergalaktische Arena einziehen könnten. Angesichts solcher Argumente präsentieren wir unsere Realität. Wir versuchen nicht mit irgend jemandem darin zu konkurrieren, wer anti-neoliberaler ist, oder wer mehr Fortschritte im Widerstand erreicht hat, aber, mit Bescheidenheit, unser Level und Beiträge sind in den Juntas der Guten Regierung. Sie können kommen, mit den Autoritäten oder den Menschen sprechen, die Briefe und Kommuniques ignorieren, in denen wir dieses Prozess erklärt haben, und aus erster Hand erforschen, was hier geschieht, die Probleme, die man konfrontiert, und wie sie gelöst werden. Ich weiß nicht, vor wem wir demonstrieren müssen, dass all dies bedeutet "eine alternative Modernität zum Neoliberalismus auf seinem eigenen Land in die Praxis umzusetzen", und wer uns mit Lob oder Tadel charakterisieren soll, um uns dann, ja, uns zu erlauben, herauszukommen und zu versuchen, unseren Kampf mit dem anderer Sektoren zu verbünden.
Außerdem hatten wir bereits vorausgeahnt, dass diese Kritiken ein Lob wären . . . wenn die Sechste dem politischen Zentrum, das von López Obrador repräsentiert wird, ihre bedingungslose Unterstützung zugesichert hätte. Und wenn wir gesagt hätten, dass "wir herauskommen, um uns mit den Bürgernetzwerken für AMLOs Unterstützung zu verbünden," dann würde Enthusiasmus herrschen, "ja", "natürlich, ihr müsst herauskommen, ihr dürft nicht ausgeschlossen bleiben, es ist Zeit für den Zapatismus, sein Versteck zu verlassen und seine Erfahrungen mit den Anhängermassen des Erwarteten zu verbünden."
Hmm. . . López Obrador. Er hat den Bürgernetzwerken gerade sein "Alternatives Nationalprojekt" vorgestellt. Wir sind misstrauisch, und sehen nichts weiter als plastische Kosmetik (die je nach Publikum wechselt) und eine Liste leicht vergeßlicher Versprechen. Vielleicht kann jemand AMLO erklären, dass er nicht "die Umsetzung der San Andrés Verträge" erfüllen kann, denn dazu müsste unter anderem die Verfassung geändert werden, und das, wenn meine Erinnerung mich nicht im Stich lässt, ist die Arbeit des Kongresses. Jedenfalls sollte dieses Versprechen nicht von einer politischen Partei gemacht werden, die erklärt, dass ihre Kandidaten alles erfüllen werden, wenn sie gewählt werden. Andernfalls müsste es einen Vorschlag geben, dass die Bundesexekutive die anderen Gewalten beherrschen oder ignorieren sollte. Oder eine Diktatur. Aber darum geht es ja nicht. Oder doch?
In der Politik von Oben versuchen die Programme, in der Wahlzeit sich so viele Menschen wie möglich zu gewinnen. Aber indem einige hinzugefügt werden, werden andere gestrichen. Also beschließen sie, die Vielen hinzuzufügen, und die wenigsten zu streichen. AMLO hat als eine Parallelstruktur zur PRD, die "Bürgernetzwerke" geschaffen, und sein Ziel ist es, jene an sich zu ziehen, die keine Mitglieder der PRD sind. AMLO hat für diese Bürgernetzwerke sechs Personen präsentiert, die all diese nicht-PRD Lopezobradoristas auf nationaler Ebene koordinieren werden. Sehen wir uns zwei dieser "nationalen Koordinatoren" näher an.
Socorro Díaz Palacios, Minister für Zivilschutz in der Carlos Salinas de Gortari Regierung. Am 3. Januar 1994, während die Bundessoldaten das Massaker auf dem Marktplatz von Ocosingo anrichteten, erklärte er (ich zitiere das Pressebulletin des Regierungsministeriums):
"Die gewalttätigen Gruppen, die im Bundesstaat von Chiapas agieren, weisen eine Mischung sowohl nationaler als auch ausländischer Interessen und Personen auf. Sie demonstrieren Affinitäten mit andern gewalttätigen Fraktionen, die in zentralamerikanischen Ländern operieren. Einige Indígenas sind von den Anführern dieser Gruppen rekrutiert und unter Druck gesetzt worden, und werden somit zweifellos manipuliert, hinsichtlich ihrer geschichtlichen Ansprüche, mit denen man sich weiterhin befassen sollte."
Und weiter heißt es: "Die Mexikanische Armee wird ihrerseits weiterhin mit großem Respekt gegenüber den Rechten von Einzelpersonen und Völkern handeln, während sie der Forderung nach Ordnung und Sicherheit eine klare und bestimmte Antwort erteilen werden . . . bla, bla, bla."
In den folgenden Tagen bombardierte die Luftwaffe die indigenen Gemeinden südlich von San Cristóbal de Las Casas und die Bundesarmee verhaftete, folterte und ermordete drei Indígenas in der Gemeinde von Morelia, damals noch im Bezirk Altamirano, Chiapas, Mexiko.
Ricardo Monreal Ávila. Im Januar 1998, nur wenige Tage nach dem Acteal-Massaker, kommentierte der damalige PRI-Abgeordnete und Mitglied der Ständigen Kommission des Bundeskongresses, dass "die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) eine paramilitärische Gruppe sei, genau wie diejenigen, die für die Ermordung von 45 Tzotzil-Indígenas am 22. Dezember 1997 in Chenalhó, Chiapas, verantwortlich sei. 'Denn alle, die wie eine Armee handeln ohne eine zu sein, und sich selbst als Zivilisten bewaffnen, sind paramilitärisch. Sie müssen sich alle entwaffnen, denn sie haben alle zu dieser unnötigen, ungerechten und dummen Gewalt beigetragen, die alle Mexikaner in Trauer versetzt hat,' erklärte er." (in der Tageszeitung "El Informador" von Guadalajara, Jalisco. 3. Januar, 1998). Einige Tage später, nach seinem Wechsel zur PRD, weil die PRI ihm die Kandidatur zum Gouverneur von Zacatecas nicht überantwortet hatte, erklärte er noch (ich zitiere die Anmerkung von Ciro Pérez und Andrea Becerril in La Jornada, vom 7. Januar 1998), die Chenalhó-Episode (gemeint ist das Acteal Massaker) sei tatsächlich geplant worden, "aber nicht von jenen, die der weiße Anführer der dunkelhäutigen Indígenas beschuldigt." Er brachte vor, die Position der EZLN zum Massaker sei davon bestimmt "eine präventive Rechtfertigung für Marcos zu sichern, und für die Interessen, die er schützt", und warnte zum Schluss davor, dass die EZ ausländischen Interessen diente, die versuchten, "die Kontrolle über den Isthmus der Tehuantepec-Region (Oaxaca), seine Ressourcen und seine strategische Lage zu ergreifen, ein Ziel, dem Marcos und die Armeen, die unter der indigenen Flagge kämpfen, entsprechend dient".
Hmm. . . das klingt wie, wie. . . ja, Punkt 28 auf AMLOs Programm, wo es wörtlich heißt: "Wir werden den Pazifischen Ozean mit dem Atlantischen verbinden, am Isthmus von Tehuantepec, durch den Bau zweier Handelshäfen, einer in Salina Cruz, Oaxaca, und der andere in Coatzacoalcos, Veracruz, sowie von Eisenbahnlinien für Transportzüge und die Erweiterung der bestehenden Autobahn."
López Obrador hat sich mit diesen Personen selbst definiert. Er hat einige hinzugefügt, und damit einige gestrichen, unter anderem die "Neozapatistas."
Andererseits jedoch, wieso steht in diesem Programm nichts über die politischen Gefangenen und die Verschwundenen des Schmutzigen Krieges der 70er und 80er Jahren? Oder über die Bestrafung ehemaliger Beamter, die sich selbst unrechtmäßig bereichert haben. Oder über Gerechtigkeit im Fall der Massaker von Acteal, El Bosque, Aguas Blancas, El Charco. Was die Gerechtigkeit angeht, so befürchte ich, dass López Obrador anbietet, "reinen Tisch zu machen und von vorne zu beginnen", was paradoxerweise nichts Neues ist. Bevor wir uns wieder den Kritiken zuwenden, die sich gegen die Erklärungen der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald zur Lage in Mexiko, Lateinamerika und der Welt richten, erlauben Sie mir Ihnen etwas zu sagen:
Wir werden herauskommen.
Wir werden herauskommen. Wie werden herauskommen, und an dieser Idee sollten die sich besser gewöhnen. Wir werden herauskommen, und ich glaube, es gibt nur vier Wege, auf denen sie uns aufhalten könnten.
Der eine wäre ein präventiver Angriff, wie es so angesagt ist in dieser neoliberalen Zeit. Die prognostizierbaren Schritte sind: Beschuldigung von Verbindungen zum Drogenhandel oder zum organisierten Verbrechen im Allgemeinen; Berufung auf den Rechtsstaat und ähnlichen Unsinn; eine intensive Medienkampagne; ein doppelter Angriff (gegen die Gemeinden und gegen die Generalkommandantur); Schadensbegrenzung (das heißt, Verteilen von Geld, Konzessionen und Privilegien unter den "Vorsprechern der öffentlichen Meinung"); die Autoritäten rufen auf, die Ruhe zu bewahren, die Politiker erklären, das Wichtigste sei es, dass die Wahlen in Frieden und sozialer Beschaulichkeit stattfinden können; nach einer kurzen Unterbrechung nehmen die Kandidaten ihre Kampagnen wieder auf.
Ein anderer wäre, uns gefangenzunehmen sobald wir herauskommen, oder im Verlauf der "anderen Kampagne". Die Schritte? Geheime Treffen unter den Anführern der PRI, PAN und PRD, um Einigungen zu erzielen (wie 2001 mit der indigenen Gegenreform); die COCOPA erklärt, der Dialog sei abgebrochen; der Kongress stimmt dafür, das Gesetz für Dialog abzuschaffen; die PGR [Staatsanwaltschaft] aktiviert die Haftbefehle; eine AFI-Kommandoeinheit, mit Unterstützung der Bundesarmee, nimmt die zapatistischen Delegierten gefangen; gleichzeitig nimmt die Bundesarmee die indigenen Gemeinden in Rebellion ein, "um Unordnung vorzubeugen und den Frieden und die nationale Stabilität zu bewahren"; Schadensbegrenzung, etcetera.
Ein weiterer wäre es, uns zu töten. Schritte: ein gekaufter Mörder wird beauftragt; eine Provokation inszeniert; das Verbrechen wird verübt; die Autoritäten bedauern den Zwischenfall und versprechen "eine vollständige Ermittlung, ungeachtet des Ergebnisses. . ." Eine andere Alternative: "ein bedauerlicher Unfall führte zum Tod der zapatistischen Delegation, die sich auf dem Weg nach bla, bla, bla".
In beiden Fällen: Schadensbegrenzung, etcetera..
Ein anderer wäre es, uns verschwinden zu lassen. Ich meine ein gewaltsames Verschwinden, so wie es gegen Hunderte politische Gegner der PRI-"Stabilitätsperiode" angewendet wurde. Das könnte so laufen: die zapatistischen Delegierten tauchen nicht auf; das letzte Mal, daß sie gesichtet wurden, war bla, bla, bla; die Autoritäten versprechen eine Untersuchung; die Hypothese eines Verbrechens aus Leidenschaft wird aufgestellt; die Autoritäten erklären, sie untersuchten alle Spuren, und würden nicht die Möglichkeit ausschließen, dass die zapatistische Delegation die Gelegenheit ergriffen habe, sich mit einer unbestimmten Menge bitteren Pozols [indigenes Maisgetränk] in ein Steuerparadies abzusetzen; INTERPOL ermittelt auf den Kaimaninseln; Schadensbegrenzung, etcetera.
Dies sind die anfänglichen Probleme, auf die die Sechste stoßen könnte. Wir haben uns viele Jahre lang darauf vorbereitet, diesen Möglichkeiten zu begegnen. Deshalb wurde der Rote Alarm für die aufständischen Truppen auch nicht aufgehoben, nur für die Dörfer. Und deshalb erklärte eins der Kommuniques auch, die EZLN könnte durch Gefängnis, Tod oder gewaltsames Verschwinden, einen Teil oder die gesamte öffentlich bekannte Führung verlieren und dennoch weiterkämpfen.
(Fortsetzung folgt .)
Aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos
Mexiko, Juli 2005.
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(übs. von Dana,
überarbeitet von Gruppe B.A.S.T.A.)
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