(aus: POONAL #624 - http://www.npla.de/poonal) Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer
Agenturen vom 25. Mai 2004 MEXIKO
- Streit um die Gefahren der Genmanipulation und das Gesetz für Biosicherheit von Gerold
Schmidt (Mexiko-Stadt, 21. Mai 2004, npl).- Der kommende Juni ist
für viele mexikanische Maisbauern ein entscheidender Monat. Dann trifft sich dieKommission
für Umweltkooperation des NAFTA- Freihandelshandelsabkommens in der Stadt
Puebla. Wahrscheinlich nehmen auch die Umweltminister der drei Mitgliedsländer
Kanada, USA und Mexiko teil. Sie werden unter anderem auf eine Empfehlung des
Konsultativkomitees der Kommission reagieren müssen: Vor wenigen Wochen wurde
bekannt, dass die beauftragten Wissenschaftler dafür eintreten, den Export
von Genmais nach Mexiko bis auf weiteres zu verbieten. Nach ihrer Meinung
muss erst breiteres Wissen über den Einfluss von genmanipuliertem Mais auf
Umwelt und menschliche Gesundheit zusammen getragen werden. Ihre Untersuchung
geschah auf öffentlichen Druck, nachdem in den Bundesstaaten Puebla und
Oaxaca auf Feldern von Kleinbauern eine Vermischung von einheimischen Mais und
Genmais bekannt wurde. Damit hat auch die Diskussion über das geplante Gesetz für
Biosicherheit in Mexiko neue Nahrung erhalten. Zwar wurde es bereits vom
Senat des Landes verabschiedet, doch es fehlt bisher die Zustimmung der
Abgeordnetenkammer. Die Gegner der sogenannten Transgene hoffen noch auf
Modifikationen. In seiner derzeitigen Form gilt ihnen das Gesetz als Hebel,
letzte Hindernisse für die Biotec Industrie zu beseitigen. Silvia Ribeiro,
die Repräsentantin der internationalen Nicht-Regierungsorganisation ETC Group
und Expertin im Thema Biotechnologie klagt den mexikanischen Senat an, eine "enorme
Unverantwortlichkeit" begangen zu haben, "indem er eine Gesetzesinitiative
zur Biosicherheit verabschiedete, die die Verseuchung mit Transgenen
legalisieren, fördern und erhöhen wird". Wie andere Kritiker macht sie
Unwissenheit und die Nähe mancher Politiker und Wissenschaftler zur Industrie
für diese Entwicklung verantwortlich. Unabhängige Wissenschaftler seien beim Thema
Transgene mehr und mehr eine "aussterbende Spezies". Zwar betrifft die Diskussion der Genmanipulation in Mexiko
beispielsweise auch Produkte wie Soja und Baumwolle, doch im Mittelpunkt
steht eindeutig das Grundnahrungsmittel Mais. Nicht von ungefähr: Mexiko gilt
als das Ursprungsland des Mais. Vor mehreren tausend Jahren entstand er als
Kulturpflanze aus seinem wilden Verwandten, dem "teocinte". Die
indígenen Völker entwickelten ihn nach und nach durch natürliche Züchtung
weiter. Ribeiro: "Der Mais in Mexiko ist mehr als eine Züchtung oder ein
Lebensmittel, er ist ein zentrales Element ländlicher und städtischer Lebenskultur.
In den indigenen und bäuerlichen Gemeinden ist er eine Identitätsgrundlage." Um die
einheimischen Maissorten zu schützen, führte die mexikanische Regierung 1999
ein Ende vergangenen Jahres widerrufenes de facto Moratorium ein, mit dem die
Aussaat von Genmais zu kommerziellen und Versuchszwecken untersagt wurde.
Doch es handelte sich um eine halbherzige Maßnahme. Denn die Quelle der nachgewiesenen
Verunreinigung mit Genmais sind mit großer Sicherheit die Importe. Anders als
beispielsweise Japan forderte Mexiko von den USA nicht, konventionellen und
genmanipulierten Mais getrennt auszuzeichnen. Die zusätzlich zur
Eigenproduktion von rund 20 Millonen Tonnen jährlich etwa sechs Millionen
Tonnen importierter Mais kommen fast ausschließlich aus dem Nachbarland. Und
mindestens ein Drittel davon, so Schätzungen, ist Genmais. Die Maisproduktion in Mexiko ist, so erklärt Ana de Ita
vom Forschungszentrum für die Veränderung im mexikanischen Landbau (Ceccam),
"ein offenes System. Mehr als 80 Prozent der mit Mais bebauten Fläche im
Land ist Produkt einheimischen Saatgutes. Es gibt einen ständigen
Saatgutaustausch zwischen Produzenten und Regionen. Das hat die
Sortenvielfalt im Land erlaubt." Damit wird aber ebenso die schnelle
Verbreitung des Genmais möglich, hat er sich einmal unter das einheimische
Saatgut gemischt. Die staatliche Vertriebsgesellschaft Diconsa leistete durch
die Verbreitung der nicht gekennzeichneten Maisimporte in den vergangenen Jahren
höchstwahrscheinlich einen entscheidenden Beitrag dazu. Die Funde in Puebla
und Oaxaca sind im Zweifel nicht die einzigen, sondern die öffentlich
nachgewiesenen Fälle. Über Kreuzung und absichtliche oder unfreiwillige
Weiterleitung von verseuchtem Saatgut könne der Genmais bald flächendeckend
in Mexiko präsent sein, befürchtet nicht nur Ana de Ita. Das Geschäft mit den Transgenen ist milliardenschwer. Doch
die Vertreter von Konzernen wie Monsanto, Cargill, Dupont oder Bayer CropScience
denken nur an das Wohl der Mexikaner, so hat es den Anschein. Beispielsweise
Eduardo Wanick, Präsident vom Dupont-Konzern in Mexiko. Das Engagement seines
Unternehmens beim Genmais begründete er unter anderem damit, "den
Fortschritt der kleinen landwirtschaftlichen Produzenten in Mexiko zu verbessern".
Das Gesetz zur Biosicherheit sei darum "für ein modernes Land, das in
die Weltwirtschaft eingegliedert ist, unabdingbar". Ungern wird das Wort
Genmanipulation in den Mund genommen, eher schon von "verbessertem Saatgut"
gesprochen, das dazu beitragen soll, eine nachhaltige und gewinnträchtige
Landwirtschaft zu betreiben. Unterstützung
finden die Unternehmen vor allem im mexikanischen Agrarministerium und der
mit den Themen Biosicherheit und Transgenen beauftragten interdisziplinären
Regierungskommission Cibiogem. Letzterer wirft Greenpeace Mexiko aufgrund von
Geheimniskrämerei und teilweiser Industrienähe eine "dunkle
Geschichte" vor. Auch Francisco Bolívar, der Leiter des Institutes für
Biotechnologie der Nationaluniversität UNAM, wird von seinen Kritikern als
Helfer der Konzerne verortet. Bolívar gilt vielen als der eigentliche Vater
des Gesetzes zur Biosicherheit. Nur das im mexikanischen Umweltministerium
angesiedelte Ökologieinstitut hat sich dafür eingesetzt, das Moratorium für
Genmais-Versuche in der Praxis beizubehalten. Die Lobby für den Genmais in
Mexiko scheint zu stark, um ein Importverbot durchzusetzen oder Experimente
auf einheimischen Böden in der Zukunft zu verhindern. -> Startseite Gruppe
B.A.S.T.A. |