Mexiko könnte Freude bei Continental trüben

Gericht hält Streik im Euzkadi-Werk für rechtmäßig / Ausstehende Löhne belaufen sich auf über 30 Millionen Euro

 

BERLIN/HANNOVER taz Eigentlich könnten sich die Aktionäre der Continental AG freuen. Der Reifenhersteller legt seinen Anteilseignern auf seiner heutigen Hauptversammlung in Hannover ein Rekordergebnis vor. Noch 2001 schrieb Conti rote Zahlen. Die seitdem verfolgte Unternehmensstrategie, in Billiglohnländern Niedriglöhne auszunutzen, brachte die Wende. Doch eine mexikanische Gewerkschaftsdelegation des geschlossenen Werks von Continental Mexiko könnte die gute Stimmung auf der Hauptversammlung stören. Die Delegierten haben mit Hilfe der Kritischen Aktionäre das Rederecht erworben und fordern Continental auf, die Schließung des so genannten Euzkadi-Werks rückgängig zu machen. Continental hatte das Werk bei Guadalajara in Mexiko nach Konflikten mit der Gewerkschaft stillgelegt und seine 1.164 Arbeiter entlassen. Eine offizielle Schließung des Werks erfolgte jedoch nie. Seit zwei Jahren befinden sich die Euzkadi-MitarbeiterInnen deswegen im Streik. Inzwischen haben sich ausstehende Löhne in Höhe von umgerechnet über dreißig Millionen Euro angehäuft. "Obwohl wir wissen, dass wir jede juristische Auseinandersetzung gewinnen werden, wollen wir mit dem Konzern in einen Dialog treten, um den Konflikt auf Verhandlungsbasis beilzulegen", sagt Enrique Gomez, politischer Berater der Euzkadi- Gewerkschaft, in einem Gespräch mit der taz. Der Vorstand von Continental wird es auf der diesjährigen Hauptversammlung schwerer haben, im Falle des Euzkadi-Werks auf seiner Argumentationslinie zu beharren. Vorstandschef Manfred Wennemer hatte wiederholt behauptet, bei der Schließung des Euzkadi- Werks seien die Gesetze Mexikos eingehalten worden. Im Februar 2004 beschied aber der oberste Arbeitsgerichtshof Mexikos der Euzkadi- Gewerkschaft die Legalität ihres Streikes in letzter Instanz. Auch nach Bekanntgabe des Urteils erklärt der Vorstand, die Gerichtsentscheidung bedeute "keine Feststellung des angeblichen Fortbestehens der beendeten Arbeitsverhältnisse". Der Arbeitsrechtsexperte Professor Jose Alfonso Bouzas Ortiz sagt dazu: "Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist eine notwendige Bedingung für jeden Streik." Weil der Streik für rechtmäßig erklärt wurde, gehe das Gericht also auch von einem bestehenden Arbeitsverhältnis aus. Der Fall Euzkadi betrifft nicht nur mexikanisches Recht. "Wir haben Anlass anzunehmen, dass die OECD-Leitsätze in mehreren Punkten verletzt wurden", sagt Cornelia Heydenreich von der Nord-Süd- Initiative Germanwatch. Die OECD-Leitsätze sind ein Verhaltenskodex, den Regierungen wie Deutschland und Mexiko ihren Unternehmen empfehlen. Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Uhl (SPD) ist der Auffassung, dass die Continental AG durch ihr Verhalten in Zusammenhang mit der Schließung des Euzkadi-Werks in Mexiko das Ansehen deutscher Unternehmen im Ausland schädige. Nun hat Continental der Delegation ein Treffen zugesagt. Es soll kurz nach der Hauptversammlung stattfinden.

 

MICHAELA KRAUSE

 

taz Nr. 7358 vom 14.5.2004, Seite 8, 103 TAZ-Bericht

 

 

 

Continental muss sich erneut mit Mexiko befassen

Seit mehr als zwei Jahren bestreiken Arbeiter des Reifenherstellers ein Werk in El Salto / Schlichtungsversuch bei Hauptversammlung

 

Heute haben die Aktionäre beim Reifenhersteller Continental das Wort. Zum dritten Mal in Folge steht die Werkschließung im mexikanischen El Salto auf der Tagesordnung einer Hauptversammlung.

 

VON KNUT HENKEL

 

Hamburg 13. Mai Seit zwei Jahren und vier Monaten befinden sich die Mitglieder der SNRTE-Gewerkschaft nun im Ausstand. Zu Recht, so haben die mexikanischen Arbeitsgerichte in drei Instanzen geurteilt. Zuletzt am 5. Februar 2004, als der oberste Arbeitsgerichtshof sein 260 Seiten starkes Urteil veröffentlichte und detailliert die Rechtslage schilderte. Demzufolge ist der Marathonstreik der Menschen gegen ihre Entlassung durch die mexikanische Continental-Tochter rechtmäßig.

 

Kein Reifen verlässt das Werk

 

Am 16. Dezember 2001 waren die 1164 Arbeiter und Angestellten per Aushang am Werkstor darüber informiert worden, dass sie mit sofortiger Wirkung entlassen seien. Nach einer Generalversammlung der Gewerkschaft rief diese am 22. Januar 2002 den Streik aus. Den halten die Gewerkschafter bis heute aufrecht und blockieren das Reifenwerk von El Salto im Bundesstaat Jalisco. Keine Maschine und kein Reifen soll das Werk verlassen, so die Parole.

 

Die Gewerkschaft hat keine Mühen gescheut, um international auf den Fall aufmerksam zu machen. Bereits zum dritten Mal reist eine Delegation der SNRTE nach Hannover, um auf der Hauptversammlung von Continental die Aktionäre auf die Verletzung ihrer Rechte durch den Konzern aufmerksam zu machen. Diesmal sind allerdings auch Kollegen der zweiten Continentalfabrik in San Luis Potosí mit von der Partie sowie ein renommierter Arbeitsrechtler und ein Parlamentarier.

 

In San Luis Potosí schwellt ein weiterer Konflikt. Dort wurden vier leitende Gewerkschafter entgegen nationalem Recht entlassen, klagt Frederico González, einer der Geschassten.

 

Für die Mexikaner dreht sich dabei alles um die Produktionsbedingungen und den Tarifvertrag. Continental geht es hingegen eigenen Angaben zufolge darum, internationale Produktionsstandards in Mexiko einzuführen, um rentabel produzieren zu können. Allerdings gilt das Werk in El Salto als das modernste auf dem ganzen Kontinent, weshalb Jesús Torres Nuno, Generalsekretär der SNRTE, mutmaßt, dass Continental dem Beispiel von Michelin folgen will. Der Konzern hatte zwei Werke geschlossen, um sie später neu zu eröffnen - ohne Gewerkschaft, ohne Tarifvertrag und mit wesentlich niedrigeren Löhnen. "Mit uns funktioniert das nicht, wir werden weiter kämpfen und einen Tag länger durchhalten als Conti", gibt er sich kämpferisch.

 

Und die Perspektiven der SNRTE sind wesentlich besser als noch vor einem Jahr. Alle seitdem ergangenen Urteile der Gerichte geben der Gewerkschaft recht. "Da der Streik der Arbeiter am 17. Februar 2004 von der zuständigen Schiedsstelle als rechtmäßig klassifiziert wurde, sind wir nach wie vor Angestellte des Continental-Konzerns", so der 42-jährige Gewerkschaftssekretär.

 

Auf rund dreißig Millionen Euro belaufen sich die ausstehenden Löhne, so Martin Wolpold-Bosien von der Menschenrechtsorganisation Fian, der den Fall seit zwei Jahren verfolgt. Und laut mexikanischem Arbeitsrecht wäre Continental verpflichtet, das Werk wieder zu eröffnen und die Arbeiter zurück an die Werkbank zu lassen. Doch Continental hat Revision eingelegt und spielt laut Nuno auf Zeit.

 

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[ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004 Dokument erstellt am 13.05.2004 um 18:08:17 Uhr Erscheinungsdatum 14.05.2004

 

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