(aus: taz Nr. 7353 vom 8.5.2004, Seite 10)
 
Mord an "Scheiß-Zapatisten"
Vor knapp drei Wochen wurde der linke Student Noel Pável González 
gefoltert und ermordet aufgefunden. Von den Tätern fehlt jede Spur – 
wie schon so oft in Mexiko
 
MEXIKO-STADT taz
 
Wer hat Noel Pável González ermordet? Diese Frage stellen sich seit 
Tagen Angehörige, Kommilitonen und politische Mitstreiter des linken 
Aktivisten aus Mexiko-Stadt. Die Leiche des Studenten war am 
vorvergangenen Wochenende mit eindeutigen Folterspuren in einem 
Außenbezirk der Metropole gefunden worden. Wenige Tage später 
gingen bei mit González befreundeten Studenten und bei der 
zapatistischen Guerilla EZLN nahe stehenden Organisationen 
Drohbriefe ein. "Scheiß-Zapatisten, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr 
sehen, was ihr davon habt", hieß es in den per Mail verschickten Briefen. 
Gezeichnet: die rechtsradikale Organisation "El Yunque" ("der Amboss").
Der Anthropologiestudent González war in den zapatistischen Gruppen 
und an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) 
politisch aktiv. Unter anderem war er durch seine Beteiligung am Streik 
gegen die Privatisierung des Bildungssystems an der UNAM 1999 und 
2000 bekannt. "Es war ein politisches Verbrechen", vermutet Vater Mario 
González. Die Eltern hatten ihren Sohn zuletzt lebend am 19. April 
gesehen, danach sei er nicht mehr nach Hause gekommen. Am 23. April 
wurde die Leiche gefunden. Gerichtsmediziner stellten fest, dass Pável 
González bereits am ersten Tag seines Verschwindens gefoltert und 
vergewaltigt wurde. Der Tod sei durch Schläge ausgelöst worden, die 
innere und äußere Verletzungen verursacht hätten, sagten die 
forensischen Ärzte. Offenbar um einen Selbstmord vorzutäuschen, sei er 
danach aufgehängt worden.
In den letzten Monaten ist es auf dem Gelände der UNAM immer wieder 
zu Angriffen rechter Studentengruppen gekommen. "El Yunque" kam im 
August vergangenen Jahres in die Schlagzeilen. Damals hatte der 
renommierte Journalist Alvaro Delgado in einem Buch nachgewiesen, 
dass die klandestine rechtsradikale und ultrakatholische Organisation 
eng mit Unternehmerverbänden und Parlamentariern der "Partei der 
Nationalen Aktion" (PAN) des Präsidenten Vicente Fox verbunden ist. Es 
sei empörend, dass "im Demokratisierungsprozess des Landes solche 
Fälle weiterhin präsent sind", reagierten Professoren, Studenten, 
Angestellte und der Direktor der Anthropologischen Universität (ENAH), 
wo González auch studierte, auf den Mord. In einem offenen Brief 
forderten sie "die Aufklärung dieses Falles sowie der vielen anderen 
Fälle von Studenten, die wegen ihrer Aktivitäten verschwunden sind oder 
ermordet wurden". Tatsächlich sind Morddrohungen in Mexiko weiterhin 
an der Tagesordnung. Im April 2003 "verschwand" in Oaxaca die 
Indígena-Aktivistin Marcelino Santiago Pacheco, im August wurde im 
Bundesstaat Puebla die Anwältin Griselda Tirado erschossen. Auch sie 
hatte sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingesetzt.
 
WOLF-DIETER VOGEL

 

 

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