Gewalt gegen Zapatistas

 

Heute, am 10. April 2004, wurden etwa 4.000 zapatistische UnterstützerInnen in der Umgebung der Gemeinde Pasté von Militanten der PRD [Partei der demokratischen Revolution] mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Schusswaffen angegriffen. Sie waren dabei, von einer Demonstration zur Unterstützung von Familien zurückzukehren, die in der Gemeinde Jechvo, Landkreis Zinacantán, von der Wasserversorgung abgeschnitten worden waren.

 

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Am heutigen Tag, am 10. April 2004, dem Jahrestag der Ermordung von Emiliano Zapata, verließ eine friedliche Demonstration von 4.000 zapatistischen UnterstützerInnen um 1 Uhr morgens das Caracol "Zentrales Herz des Hochland" in Oventic in Richtung der Gemeinde Jechvó, im Landkreis Zinacantán, um die Zapatistas dieser Gemeinde zu unterstützen und sie mit Wasser zu versorgen, denn sie sind seit Monaten durch Militante der PRD von der lebensnotwendigen Flüssigkeit abgeschnitten. Diese Situation ist auch in anderen Gemeinden des Landkreises Zinacantán aufgetreten, wie in Elambó Alto.

 

In den frühen Nachmittagsstunden traf die Gemeinschaft in Zinacantán ein, von dort aus in der Gemeinde Jechvó, wo ein politischer Akt gefeiert wurde, der etwa 30 Minuten dauerte. Bis zu diesem Moment entwickelte sich die Demonstration friedlich und auf respektvolle Weise gegenüber den BewohnerInnen der Gemeinden, die durchquert wurden. Unter den Familien, die seit mehreren Monaten von der Versorgung abgeschnitten waren, wurde Wasser verteilt.

 

Als sie schon auf dem Rückweg waren, trafen die zapatistischen UnterstützerInnen auf eine Absperrung auf Höhe der Gemeinde Pasté, der Nachbargemeinde von Jechvó, mit rund 150 Paramilitärs der PRD, die aus derselben Gemeinde stammen.

 

Nach 40 Minuten des Wartens, begannen die TeilnehmerInnen der Demonstration damit, die Steine vom Weg zu räumen, um passieren zu können, und wurden mit Steinen von den PRDistas angegriffen. Trotz der Aggressionen war die Losung des Momentes, sich nicht provozieren zu lassen.

 

Nach den Steinwürfen wurden die zapatistischen UnterstützerInnen mit Feuerwerkskörpern und Schusswaffen angegriffen. Bis jetzt ist eine Anzahl von etwa 30 Verletzten bekannt, darunter mindestens ein Schwerverletzter, Tote wurden bisher nicht festgestellt.

 

(Quelle: Indymedia Chiapas, 10. April 2004)

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Übersetzung: Gruppe B.A.S.T.A., 11.4.2004

 

Ergänzungen:

 

Die linke Zeitung LA JORNADA berichtete am 11.4.2004 unter der Schlagzeile:

 

"Hinterhalt gegen SympathisantInnen der EZLN hinterlässt Dutzende Verletzte"

 

- Die PRDistas sind bei ihren Aggressionen gegen die Zapatistas temporär von zwei Patrouillen der Landkreispolizei sowie einem offiziellen Vertreter des Landkreises unterstützt worden. Einige PRDistas sollen betrunken gewesen sein und die Zapatistas beleidigt haben. Die Polizei soll die Straßensperre mit zwei Fahrzeugen zeitweise unterstützt haben.

 

- Die Zapatistas haben sich während der Auseinandersetzungen schließlich auch gewehrt und Steine auf die Angreifer zurückgeworfen. Sie beseitigten die Blockade und warfen die Polizeifahrzeuge in einen Graben. Ihr Abzug mit rund 150 Kleinlastern erfolgte dann aber geordnet, geschlossen und friedlich.

 

- Es soll mindestens zwei Schwerverletzte gegeben haben, als die PRDistas auf das Ende des Demonstrationszuges geschossen haben.

 

- Bei Redaktionsschluss wurde eine alarmierende Situation aus Jechvó gemeldet. Die PRDistas sollen die Zapatistas in ein einziges Haus gepfercht und mehrere ihrer Häuser zerstört haben. Ein Massaker wurde befürchtet.

 

- Das Rote Kreuz behauptet, zwei Zapatistas seien umgekommen, was allerdings noch nicht bestätigt wurde.

 

 

 

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Das Kollektiv „Direkte Solidarität mit Chiapas“ aus Zürich hat die folgende Pressemitteilung zu den aktuellen Vorfällen verbreitet:

 

Zapatista-Demo angegriffen – zapatistische Familien in Zinacantán in akuter Lebensgefahr

Konflikt um Gemeindeverwaltung und Autonomie eskaliert

 

Am Samstag, den 10. April, versammelten sich 4'000 Zapatistas in ihrem Hauptort Oventik, fuhren von dort aus in den Bezirk Zinacantán. Die grosse indigene Region Zinacantán liegt westlich von San Cristóbal und wird stark von Touristen frequentiert. Seit langem schwelen in dem Bezirk Konflikte um die politische und wirtschaftliche Kontrolle. Meist attackierten sich Anhänger der Parteien PRI und PRD gegenseitig. Doch seit Dezember 2003 hat sich der PRD-Bürgermeister von Zinacantán, Martín Sánchez Hernández, auf die wenigen zapatistischen Familien eingeschossen: Rund 70 aufständischen Familien, welche in drei Dörfern von Zinacantán offen mit den Zapatistas sympathisieren, wurde die Wasserzufuhr abgestellt. Dies mit dem Argument, dass sie sich den Pflichten der Gemeindeverwaltung entziehen würden. Verhandlungen zwischen der eigentlich als gemässigt links geltenden PRD und dem „Rat der Guten Regierung“ der Zapatistas in Oventik sind bisher gescheitert.

 

Mehrere Male waren Unterstützungsdemonstrationen von Zapatistas in Zinacantán präsent. Gestern Samstag fand die bei weitem grösste Unterstützungsaktion statt. Mehrere hundert Liter Wasser wurden den isolierten Familien überreicht. Die Demonstration der Zapatistas verlief friedlich und respektvoll gegenüber den „Brüdern der PRD“, doch auf dem Rückweg griffen rund 150 Dorfbewohner der PRD mit Hilfe der Gemeindepolizei die Zapatistas mit Steinwürfen und Petarden an; auch fielen Schüsse gegen die bis dahin friedliche Grossdemonstration der Zapatistas (siehe Bilder auf Indymedia Chiapas). Diese erwiderten daraufhin die Attacke mit Steinen und Stöcken und konnten schliesslich geschlossen auf die Hauptstrasse nach San Cristóbal gelangen. Bilanz der Auseinandersetzungen: zwischen 17 und 30 Verletzte, wobei unter den Zapatistas auch mindestens ein Schwerverletzter zu beklagen ist. Die Verletzten Zapatistas werden im autonomen Spital in Oventik behandelt. Zudem berichtet die Zeitung La Jornada, dass die zapatistischen Familien der zinacantekischen Gemeinden Pasté und Jech’vó von ihren Kontrahenten umzingelt seien und weitere Auseinandersetzungen zu befürchten sind.

 

Der Konflikt um die Wasserzufuhr in Zinacantán ist Teil einer „Strategie der Spannung“ seitens der mexikanischen Armee und Teile der Regierung, welche sich in den letzten Wochen insbesondere in den Altos, der Region von und um San Cristóbal, manifestierte: In den autonomen Bezirken Lucio Cabañas, Miguel Hidalgo und 17 de Noviembre wurden mehrere Zapatistas verhaftet; nahe Oventik gab es zahlreiche Überfälle; in 16 de Febrero wurden zwei Zapatistas ermordet; in San Juan Cancúc sind zapatistische Familien von Vertreibung bedroht; in Chanal, Aldama, Santiago El Pinar und Magdalenas, alles ebenfalls Bezirke der Altos, sind vermehrte Aktivitäten der Bundesarmee unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung zu verzeichnen. Wie ein Kenner der Situation der NGO CIEPAC meinte, sind diese Nadelstiche dazu da, um „das zapatistische Gebiet mit Verbrechen zu kontaminieren, welche es erlauben, die moralische Autorität der Zapatistas und ihrer „Räte der Guten Regierung“ zu untergraben und auszuhöhlen.“ (La Jornada, 20.3.2004).

 

Bisher konnte die gut organisierte zapatistische Basis der Region den Provokationen ausweichen oder den lokalen Machthabern ihre eigene Stärke entgegensetzen. Die Angriffe auf die wenigen zapatistischen Familien in Zinacantán sind ein weiteres Beispiel dafür, dass die zapatistische Basis an ihren angeblich oder tatsächlich schwächsten Punkten attackiert wird. Die zapatistische Solidarität aus zwanzig weiteren Bezirken des Hochlandes hat bisher die Vertreibung der Familien von Zinacantán verhindert. Doch die Ereignisse dieses Wochenendes verheissen nichts Gutes.

 

Weitere Infos unter:

 

- www.chiapas.ch (insbesondere „Neue Kampagne gegen die EZLN. Im Bereich „Castellano“ sind die spanischsprachigen Berichte der Jornada dokumentiert)

 

- La Jornada: www.jornada.unam.mx

 

- Indymedia Chiapas: http://chiapas.mediosindependientes.org

 

-> Startseite Gruppe B.A.S.T.A.