Chiapas: Neue Kampagne gegen EZLN
Zapatistas widersprechen der Behauptung, mit Drogen zu handeln und
sich auf einen Krieg vorzubereiten
 
Nach mehreren Jahren relativer Ruhe bemühen sich konservative Kreise
aus Presse, Politik, Militär und Polizei zur Zeit verstärkt darum, die
zapatistische Bewegung zu diskreditieren, die seit 1994 im
südmexikanischen Bundesstaat Chiapas gegen Ausbeutung und
Rassismus kämpft.
Die mexikoweite Desinformationskampagne begann mit einer Meldung
der konservativen Tageszeitung "Reforma", die am 22. März auf der
Titelseite behauptete, die EZLN (Zapatistische Armee zur nationalen
Befreiung) sei dabei, die Zahl ihrer permanenten Kämpfer und
Kämpferinnen von 700 auf über 2.000 und die Zahl der Trainingscamps
von 8 auf 20 zu erhöhen, um sich auf einen neuen Krieg gegen die
Regierung vorzubereiten. Die Zeitung beruft sich auf einen Bericht des
Zentrums für Forschung und nationale Sicherheit (CISEN) vom März
2004, welcher der Redaktion durch die "Koordinationsgruppe Chiapas"
zugespielt worden sein soll, die sich aus föderalen Marine-, Militär- und
Sicherheitskreisen rekrutiert. Die ehemalige Verteidigungsbeauftragte
Ana Maria Salazar behauptete in der Zeitung "El Universal" gar, die EZLN
plane ob der Präsidentschaftswahlen von 2006 einen Coup wie 1994,
als sie die Welt mit einem bewaffneten indigenen Aufstand konfrontierte
und weitreichende Solidarität erfuhr. Wenige Tage später äußerte der für
Chiapas zuständige Kommandant der Präventiven Bundespolizei (PFP)
José Luis Solís Cortés seine "Besorgnis" darüber, dass in den von der
EZLN kontrollierten Gebieten ein zunehmender Umschlag von nicht-
dokumentierten Personen und Drogen vor sich gehe. Auch gebe es
Anbau von Marihuana und Klatschmohn auf zapatistischem Territorium.
Ferner gab er den angeblichen Aufbau einer zapatistischen Polizei
bekannt und beklagte, dass die EZLN ihre Seriösität zu verlieren
scheine.
 
Propaganda-Aktivitäten wie diese sind seit 1994 Teil der
Aufstandsbekämpfung, die die Eliten Mexikos immer wieder
vorantreiben. Dieser sogenannte "Krieg der niederen Intensität" besteht
aus Militäreinsatz, Unterstützung paramilitärischer Gruppen, erheblichen
Geldzuwendungen an rebellische Gemeinden, um sie zu "bekehren" und
zu spalten sowie aus massiver Desinformation und wird hohen
mexikanischen Offizieren an US-amerikanischen Militärschulen gelehrt.
 
Nach den politischen Erfolgen der Zapatistas vom vergangenen Jahr –
v.a. der de-facto-Autonomie in ihren Gebieten -, scheint sich die Rechte
in Zugzwang zu sehen und versucht, durch den Aufbau von
Bedrohungsszenarien mögliche Angriffe gegen die EZLN legitimieren zu
können und die weithin anerkannte moralische Integrität der Zapatistas
zu beschädigen.
 
In einem Kommuniqué vom 31. März widersprach die "Junta der Guten
Regierung" von La Garrucha, eines von fünf regionalen
Selbstverwaltungsgremien der zapatistischen Bewegung, sämtlichen
erhobenen Anschuldigungen scharf. Die Delegierten des autonomen
Rates gaben ihrerseits bekannt, dass Regierungsanhänger mit
Zustimmung des offiziellen Landkreispräsidenten Straßensperren
errichtet hätten und "von den armen Bauern, die im Ausland Arbeit
suchen", Gebühren eintreiben würden. Der linken Tageszeitung "La
Jornada" zufolge haben sich die Aktivitäten der mexikanischen
Bundesarmee in der Region in den letzten Wochen stark erhöht, was
sich in verstärkten Patrouillen und Überflügen manifestiert. NGOs und
KennerInnen der Situation bestätigen immer wieder, dass die EZLN
nichts mit Drogen zu tun hat und weisen im Gegenteil darauf hin, dass in
zapatistischen Gemeinden jedweder Drogenkonsum und –anbau
untersagt ist. Zudem gilt es als ein offenes Geheimnis, dass nicht
unerhebliche Teile des mexikanischen Militärapparates in
Drogengeschäfte und Holzhandel sowie verschiedene Einheiten der
Polizei in Menschenschmuggel verwickelt sind.
Inzwischen dementierte auch die Regierung des Bundesstaates
Chiapas die Unterstellungen gegen die EZLN. Sie stelle "keinerlei
Anzeichen militärischer Art fest, im Gegenteil, die EZLN beschäftigt sich
mit Formen politischer Organisierung, die sie im August 2003 öffentlich
präsentierte, bekannt als die Juntas der Guten Regierung". Diese
Verlautbarungen überraschen kaum, versucht die chiapanekische
Regierung unter Pablo Salazar doch, durch einen moderaten Diskurs
bezüglich der EZLN die rebellischen Indígenas in Chiapas zu
beschwichtigen und längerfristig an die Regierung binden zu können.
 
Gruppe B.A.S.T.A., 5.4.2004

 

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