Gegen die neue EU-Verfassung!

Gegen ein neoliberales, militarisiertes Europa der Großbanken, Rüstungs- und Energiekonzerne!

Am 12. Mai 2005 soll im Bundestag und im Bundesrat per Zweidrittel-Mehrheit der EU-Verfassungsvertrag ratifiziert werden. Sein Inkrafttreten ist für Ende 2006 angestrebt. Bisher weiß in unserer bundesrepublikanischen "Demokratie" (=Volksherrschaft) noch kaum ein/e Verfassungsbürger/in, was in diesem Vertrag überhaupt festgeschrieben wird. Was ändert sich also durch diesen neuen, als "Verfassung" bezeichneten EU-Vertrag, und welche Interessen finden sich in dem Vertragstext wieder?

These 1: Die neue EU-Verfassung ist ein Aufrüstungsvertrag.
Was in der Bundesrepublik seit einigen Jahren mit der Umstellung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer sogenannten Interventionsarmee vollzogen wird, die inzwischen weltweit im Einsatz ist, soll nun auch EU-weit durchgesetzt werden. Der neue EU-Vertrag verpflichtet alle 25 Mitgliedstaaten darauf, schrittweise und kontinuierlich aufzurüsten. Um diesen Prozeß zentralistisch zu überwachen, wird ein Aufrüstungs-Kontrollgremium geschaffen, das im Vertrag "Verteidigungsagentur" genannt wird. Außerdem sollen die EU-Staaten darauf verpflichtet werden, 10 Prozent der staatlichen Forschungsausgaben in die militärische Rüstungsforschung zu stecken.

Hintergrund: Im Gefüge der Weltmacht USA und ihrer europäischen (NATO-)Vasallen soll die EU zu einem starken Partner aufgerüstet werden, der einen Teil der notwendigen Dreckarbeit übernehmen soll, die weltweiten, kapitalistischen Ausbeutungsstrukturen aufrechtzuerhalten. Neben der Aufrüstungsverpflichtung garantieren Megafusionen der großen europäischen Rüstungskonzerne trotz der gegenwärtigen Krise ein stetiges Wachstum im Rüstungssektor.

These 2: Die neue EU-Verfassung ebnet den Weg zu neuen Kriegen.
Einzelne EU-Staaten verlieren nicht nur bei der Aufrüstung, sondern im gesamten militärischen Bereich ihre Souveränität und werden darauf verpflichtet, ihre militärischen Kräfte sogenannten "battle groups" (=Schlachtgruppen, alles klar?!) zur Verfügung zu stellen. Damit soll zunächst eine bis zu 60.000 Soldaten umfassende EU-Armee aufgestellt werden. Angefangen bei der angeblichen Terrorbekämpfung außerhalb Europas über sogenannte "Frieden schaffende Militäreinsätze" nach Konflikten bis zur Aufrechterhaltung bedeutender Handelswege sowie des Zugangs zu wichtigen Rohstoffen bietet die neue EU-Verfassung eine breite Palette von Möglichkeiten, die künftige EU-Armee weltweit kämpfen zu lassen.

Hintergrund: Der "Westen", zu dem die tonangebenden EU-"Kernstaaten" Frankreich, die BRD und Großbritannien zählen, fürchtet um seinen ungehinderten Zugang zu für Konzerne und Banken gleichermaßen wichtige Ressourcen wie Wasser, Öl, Gas, Nuklearmaterial, Erze und Edelmetalle. Es sind vor allem die Banken und Konzerne dieser kapitalistischen Hauptländer, die heute die EU-Politik bestimmen. Sie legen sich mit der neuen EU-Verfassung ein militärisches Instrumentarium für die Zukunft zurecht, in der um Ressourcen weltweit militärisch gekämpft wird. Wie bereits im Fall Syrien oder Iran zu beobachten war, wird das Androhen militärischer Gewalt für die Diplomatie immer wichtiger. Nicht zu unterschätzen sind auch mögliche künftige (wirtschaftliche und militärische) Konfliktsituationen mit China oder anderen Groß- und Mittelmächten aus dem europäisch-asiatischen Raum.

These 3: Die neue EU-Verfassung zentralisiert die politische Entscheidungsfindung und entmündigt die Menschen.
Über Militäreinsätze der EU-Armee entscheidet künftig der Ministerrat. Begründet wird dies damit, daß solche Entscheidungen schnell gefällt werden müssen. Eine parlamentarische Kontrolle inklusive Rückrufrecht der Truppen ist nicht vorgesehen. Die Parlamente der Mitgliedstaaten sowie das EU-Parlament bleiben bei dieser und bei anderen wichtigen Entscheidungsfindungen außen vor. Sie erfüllen eigentlich nur noch die Funktion, eine demokratische Struktur vorzugaukeln. In der EU-Verfassung ist auch eine Grundrechte-Charta eingebaut. Sie bleibt jedoch weit hinter dem zurück, was von Seiten der Nichtregierungsorganisationen vom Verfassungsvertrag erhofft wurde. Beispielhaft ist die Verkümmerung der Formel "Recht auf Arbeit", die sich im endgültigen Vertragsentwurf auf "das Recht, zu arbeiten" reduziert hat.

Hintergrund: Die Verfassung wurde weder von einfachen EU-Bürgern und -Bürgerinnen noch für diese verfaßt. Der Vertragstext gibt vor allem die Interessen der geistigen Urheber, nämlich der Großbanken und -konzerne wieder. Aus den obersten Konzernetagen betrachtet sind alle Menschen lediglich potentielle Arbeitskräfte oder Konsument/inn/en, die man am liebsten nach allen Regeln der Kunst (wie z.B. nach der Bolkestein-Methode, also der vollständigen Arbeitsentrechtung) ausbeuten oder einfach links liegen lassen möchte. Somit findet sich in keinem der Artikel der Grundrechtecharta etwa ein Recht auf ein garantiertes Grundeinkommen oder auf soziale Absicherung. Auch ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) oder andere bürgerliche Freiheitsrechte (z.B. die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Recht auf eine solche) sucht man im Text vergebens, von einem Recht auf Asyl ganz zu schweigen. Kurzum: Das Zustandekommen der neuen EU-Verfassung zeigt, daß die Konzernmanager und Lobbyisten entscheiden, der EU-Ministerrat, manchmal auch das EU-Parlament, diese Wünsche umsetzt, die nationalen Parlamente maximal hier und da ein bißchen rummäkeln dürfen und die Wähler/innen und Nichtwähler/innen gleichermaßen in die Röhre kucken, aber nichts erfahren.

These 4: Die neue EU-Verfassung diktiert die marktliberale Wirtschaftsordnung.
Im neuen EU-Vertrag wird das neoliberale Wirtschaftsmodell sowohl für den Binnenmarkt als auch nach außen festgeschrieben. Das heißt, daß sämtliche Wirtschaftsbereiche der freien Konkurrenz ausgesetzt werden, auch solche, die aufgrund ihres existenziellen und damit besonders sensiblen Charakters für die Menschen bisher staatlich organisiert waren (Wasser- und Gesundheitsversorung sowie die Bereiche Bildung und Soziales, also z.B. das Renten- und andere soziale Sicherungssysteme). Zu befürchten ist der weitgehende Ausverkauf an den Meistbietenden und die damit einhergehende Verschlechterung dieser Dienstleistungsbereiche sowie die totale Abhängigkeit aller Menschen von einigen wenigen Großkonzernen und -banken. Auch die hier und da noch spärlich vorhandene Gewerkschaftsmacht wird mit dem EU-Vertrag weiter zurückgedrängt, denn auf garantierte Mindest- bzw. Tariflöhne oder Arbeitsnormen wie z.B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder maximale Wochenarbeitszeiten wird beispielsweise ganz verzichtet.
Nach außen wird "Freihandel" gepredigt, der bei näherer Betrachtung gar keiner ist: Die Güter, die in den europäischen Wirtschaftsraum oder aus ihm herausströmen, tun dies zu von den EU-Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen. Für Exporte z.B. in Entwicklungsländer gibt es kaum Beschränkungen, aber der Zufluß von Waren aus diesen Ländern wird durch Importzölle und -quoten beschränkt. Von "Freihandel" kann also keine Rede sein, denn im Kapitalismus diktiert immer der Stärkere die Bedingungen, und dem Schwächeren bleibt nichts anderes übrig, als zu gehorchen.

Hintergrund: Es dürfte kein Geheimnis mehr sein, daß in den europäischen Volkswirtschaften immer mehr Staatsbetriebe und Bereiche staatlicher Daseinsvorsorge (Energie-, Wasser-, Sozial- und Gesundheitsversorgung) privatisiert und somit einzelnen Konzernen und Großbanken übereignet werden. Versprochen wird dabei immer die Verbesserung der Qualität dieser Dienstleistungen, da private Anbieter dies einfach besser könnten als staatliche. Daß es sich hierbei um eine Lüge handelt, hat sich schon oft gezeigt. In der Bundesrepublik sind die Privatisierungen der Post und der Telekommunikation, der Energiewirtschaft sowie des Bahnverkehrs beredtes Beispiel: Die Leistungen bzw. der Service haben sich häufig qualitativ verschlechtert bei gleichzeitiger Verteuerung. Dies hat mit der monopolhaften Stellung der Konzerne zu tun, die sich nun unkontrolliert auf Profitmaximierung anstelle der vorherigen Bedarfsorientierung ausrichten können. Eine Korrektur von Seiten der von ihnen vollständig abhängig gewordenen Konsument/inn/en ist nicht zu erwarten. Richtig fatal wird diese Entwicklung für die Bevölkerung jedoch erst, wenn das Wasser, die Bildung und die Gesundheitsversorgung sowie die anderen sozialen Sicherungssysteme privatisiert werden. Dann könnte Erwerbslosigkeit und Altersarmut wieder massenhaft Hunger bedeuten - in Europa!

These 5: Die neue EU-Verfassung garantiert auch künftig den Ausbau der risikoreichen Atomenergie und schwächt die Umweltlobby.
Zum Bereich Umweltschutz äußert sich der EU-Vertrag nur sehr zurückhaltend. Insgesamt könnte man sagen, daß der Umweltschutz trotz der Erkenntnisse aus den 1980er Und 1990er Jahren keinen Verfassungsrang erhält. Auch der EURATOM-Vertrag bleibt von der Verfassung unberührt, und so steht schon bald in Europa statt einem Atomausstieg eine Erneuerung der Kernenergie-Industrie zu befürchten.

Hintergrund: Ebensowenig wie die Gewerkschaften konnten die Umweltorganisationen und die Menschenrechtsgruppen aus dem Lager der Nichtregierungsorganisationen Einfluß auf die EU-Vertrags-Verhandlungen ausüben. Und offenbar gab es auch von der Bundesregierung keinen ernsthaften Willen, einen europaweiten Atomausstieg zur Disposition zu stellen. Dies alles sagt einiges über die Verlogenheit von Rotgrün sowie über die wahren Kräfteverhältnisse innerhalb der EU aus. Die Konzerne bestimmen alles, die Menschen sind zu Konsument/inn/en ohne jegliche Rechte verdammt.

Es ist noch nicht zu spät: Ein entschlossener Widerstand gegen die neue EU-Verfassung ist möglich und dringend nötig!
Wollen wir Menschen unsere Rechte, die wir gegenüber Konzernen, Banken und Regierungen noch (!) haben, nicht vollends aufgeben, wollen wir nicht vollständig abhängig von ihnen werden, wollen wir eine intakte Umwelt zumindest für die künftigen Generationen ermöglichen, wollen wir den Kriegen und dem Massenmorden sowie der Ausbeutung weltweit ein Ende setzen, so müssen wir gegen diese Verfassung kämpfen. Wir müssen unsere Opposition deutlich zum Ausdruck bringen, damit es für die Parteienvertreter im Bundestag und im Bundesrat unmöglich wird, dieser EU-Verfassungs-Initiative zuzustimmen, die nur den Interessen von Konzernen und Banken dient.

Edo Schmidt (13.4.2005)



-> Startseite Gruppe B.A.S.T.A.