Für eine Internationale der Hoffnung!

Rede der Gruppe B.A.S.T.A. auf der Demonstration vom 1. Mai 2004 in Münster



Vor 115 Jahren wurde der erste Mai von der sozialistischen Internationalen zum Tag der Arbeiter und ArbeiterInnen ernannt.
Dieser Tag ist eine Erinnerung an die erschossenen, gefolterten und exekutierten ArbeiterInnen vom Haymarket Riot 1886. Ein Unbekannter warf eine Bombe in die Polizeireihen. Die Polizisten antworteteten daraufhin mit Schüssen in die Menge, massakrierten und verletzten Unschuldige. Den Haymarket Riot nahmen sie daraufhin zum Anlass unzählige Arbeiterinnen und Arbeiter gefangen zu nehmen und anschliesend hinzurichten.

Dieser Tag ist eine Erinnerung an unzählbare verdurstete, verhungerte, gefolterte, erschöpfte, vergessene, geschundene Menschen auf der ganzen Welt.
Er ist eine Erinnerung an all die Arbeiterinnen und Arbeiter, die mit ihrem Leben oder mit unglaublichen Leid für all die Rechte gekämpft haben und die gerade wieder allesamt von der Regierung zu nichte gemacht werden.

Dieser Tag ist eine Erinnerung an all die geführten Kämpfe gegen den kapitalistischen Normalzustand, gegen das Vergessen, gegen das Vergeben, gegen die Ungerechtigkeit und gegen die herrschende Geschichte. Der erste Mai ist ein Tag für Veränderung, ein Tag des Kampfes für eine andere Welt.

Aber vor allen Dingen ist der erste Mai auch ein Tag der Hoffnung!
Und darüber möchten wir eigentlich viel lieber reden!

Er ist eine Einladung zur Rebellion, er ist ein Jahrmarkt voller Hoffnung auf ein würdevolles, gleichberechtigtes, freies Leben, jenseits ALLER Grenzen,Hautfarben und Geschlechter.

Denn heute wollen wir gemeinsam unser Nein all den Herrschenden entgegenschreien, ein Nein zum Tod, ein Nein zum Neoliberalismus, der doch auch nur Kapitalismus ist, ein Nein zur Macht, ein Nein zu allen Unterdrückungsformen.

Aber Gleichzeitig sagen wir heute und eigentlich an jedem Tag im Jahr JA zur Freiheit, JA zur Gerechtigkeit, JA zum Leben!

Den ersten Mai heute im Jahr 2004 wollen wir zum Anlass nehmen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und vor allen Dingen den herrschenden Regierungen zu sagen:
Wir wollen eure Macht nicht, wir wollen gar keine Macht, denn unser Traum erzählt von Freiheit! Unser Traum erzählt von einem würdevollen Leben für alle Menschen auf diesen Planeten.

Und deswegen lässt sich dieser Traum eben nicht durch Institutionen vertreten, oder durch irgendwelchen Parteien, egal in welchen politischen Gewand sie daherkommen. Wir wollen nicht hinter den Mitspielern der Regierung herlaufen, denn das ist nicht unser Traum.

Wir wollen Widerstand vernetzen, uns gleichberechtigt auf einander beziehen, wir wollen losgehen, auch wenn wir keine dogmatischen Rezepte haben, und auch nicht die eine Wahrheit, sondern ganz viele Ideen! Und zwar gemeinsam mit allen Menschen die sagen: Es reicht. Zusammen mit all denen, die nicht auf Kosten anderer Leben wollen, mit allen die sich basisdemokratisch organisieren und mit allen die merken, dass die Welt so, wie sie ist, einfach nur ungerecht ist!

Deswegen versuchen wir unser Leben so zu organisieren, dass es einen Beitrag auf dem Weg zu einer gerechteren Welt leistet und versuchen, ihre Prinzipien, nämlich Selbstverwaltung, Würde und Solidarität schon heute in die Tat umzusetzen.
Es gibt schon jetzt viele Beispiele für radikalen Widerstand: Selbstverwaltung, Kollektivbetriebe, Autonome Zentren, besetzte Häuser, Umsonst-Läden, Selbsthilfeorganisationen, Wagenplätze usw.

Und wir laden alle Menschen ein, sich mit uns auf den Weg zu machen.
Denn was gibt es sonst noch für Hoffnungen?

Die Parteien, die alle das selbe machen?
Die Entwicklungshilfeinstitutionen, die alles noch viel schlimmer machen, weil sie den Kapitalismus exportieren?
Die Gewerkschaften, die besten Helfershelfer für die Ausbeutung?
Die Betriebräte, die niemals streiken dürfen, weil sie die Friedenspflicht einhalten müssen?
Die Intellektuellen, weil sie verstehen, aber nichts tun?

Wer glauben wir denn wird kommen, um uns zu helfen, den Langzeitarbeitslosen, den MigrantInnen, den Obdachlosen, den Drogenabhängigen, den Kindern, den Alten, den Armen, den Enkelkindern, den Männern und den Frauen?
Oder glaubt ihr, die Reichen werden irgendwann aufhören auszugrenzen, auszubeuten und zu unterdrücken?

Niemals!

Hören wir auf uns Hoffnungen darauf zu machen, denken wir selber! Jeder einzelne seine und jede einzelne ihre eigene Gedanken, Träume und Freiheiten. Und erzählen wir davon!

Wir können uns für eine bessere Welt entscheiden, eine gerechtere, aber wir müssen darum kämpfen, sie mit Gerechtigkeit und Würde zu errichten, wir müssen uns anstrengen und diese Entscheidung nicht in die Hand von Mächtigen; Willfähigen und Rassisten legen.

Dafür brauchen wir politische Handlungen, die nichts von den herrschenden Politikern und Lobbyisten wissen wollen, wir wollen politische Handlungen, die genau diese politische Klasse ablehnen, weil wir über sie keine Veränderungen erreichen, denn sie hat nur eine Art Politik zu betreiben: Eine herrschaftliche!

Und wenn wir uns der politischen Klasse annehmen, betreiben auch wir nur wieder eine herrschaftliche Politik. Eine Politik mit vielleicht anderen Vorzeichen - aber auch wieder mit Statuen, Gefängnissen, Arbeitsämtern, Ausgrenzung, Ungerechtigkeit und Intoleranz und und und!

Und wenn wir das alles nicht wollen, was wollen wir dann?

Wir wollen Eine Welt schaffen, in der Statuen nur dafür da sind damit die Vögel auf sie scheissen, Gerfängnisse nur dafür da sind, damit die Gitter rausgerissen werden können, Arbeitsämter nur dafür da sind, um sie zu freien Ausbildungsstätten zu machen, in denen jeder Mensch das lernen kann, was er möchte und zwar umsonst.
Eine Welt, in der Ungerechtigkeit und Intoleranz Fremdwörter sind und in der über Leiharbietsfirmen und deren Absurdität gelacht werden kann, eine Welt in der wir keine Frauenhäuser brauchen, und eine Welt in der Sexismus auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.
Um so eine Welt zu schaffen, muss uns bewusst werden, dass wir in einer riesigen Krise leben. Einer Krise, die allgegenwärtig ist und sich gerade jetzt mit einer gnadenloser Härte gegen all diejenigen richtet, die dort nicht mitmachen können oder wollen.
Indem wir über Lösungen und Ergebnisse nachdenken, verwandeln wir das Wissen darüber in politische Handlungen. Und politische Handlungen, nämlich zum Beispiel alltäglichen Widerstand zu leisten, ist gar nicht so schwer und gemeinsam geht es noch viel leichter!

Für so eine Welt brauchen wir aber auch bestimmt ganz viel Zeit. Aber diese Zeit ist auf unserer Seite, denn die Ideen von einer solidarischen und gerechten Welt werden niemals vergessen werden und die Entschlossenheit der Generationen wird den Widerstand zum Triumph machen. Es wird bestimmt kein festes Datum geben und keine blöden Paraden, sondern eine Welt, in die viele Widerstände passen!

Deshalb braucht es aber auch Respekt vor dem anderen, der irgendwo anders eben einen anderen Widerstand leistet. Und es braucht viel Bescheidenheit, um sich daran zu errinnern das mensch von diesem anderen Widerstand viel lernen kann. Und Weisheit, um eine Theorie und eine Praxis zu entwickeln, bei der nicht Arrogoganz zu den Prinzipien zählt.
Die Geschichte ist nämlich noch lange nicht zu Ende und im Grunde unseres Herzens wissen wir das auch!

Oder wie es die rebellischen Zapatistas formulieren, die nun schon seit zehn Jahren mit dieser Hoffnung im Herzen für eine bessere Welt kämpfen:
Wir wollen keine einförmige Internationale des Widerstandes, sondern eine vielfarbige Fahne, eine Melodie mit vielen Tonarten. Und wenn sie falsch klingt, dann nur weil der Widerstand von unten immer noch dabei ist, die Partitur zu arrangieren, auf der jeder Note ihren eigenen Platz, ihre Lautstärke und vor allen Dingen ihre Verbindung mit den anderen Noten finden wird!
Wir müssen die Welt nicht verändern, sondern es reicht sie neu zu schaffen. Durch uns. Heute! (Subcomandante Marcos, Sprecher der EZLN)

Nehmen wir den Widerstand gemeinsam in die Hand und sagen
Schluss mit Ausbeutung und Unterdrückung!
Schluss mit Rassismus und Sexismus!
Für Selbstverwaltung und eine wirkliche Demokratie!
Für Freiheit, für Gerechtigkeit!


    Gruppe B.A.S.T.A., 1. Mai 2004